Messer-Attacken - tut die Polizei genug?
Gewalt: Am Wochenende wurden 13 Menschen zum Teil lebensgefährlich verletzt. Politiker streiten über verstärkte Präventions- und Kontrollmaßnahmen im Zuge des neuen Polizeigesetzes - Polizei fordert ein "Gesamtkonzept".
In Hamburg ist eine hitzige Debatte über den Umgang mit der steigenden Gewaltbereitschaft ausgebrochen. Anlaß sind vier Messerattacken vom Wochenende, bei denen 13 Menschen zum Teil lebensgefährlich verletzt worden sind. SPD-Innenexperte Dr. Andreas Dressel fordert die Polizei zu verstärkten Kontrollen auf, die CDU weist die Kritk zurück. Dressel habe selbst gegen das neue Polizeigesetz mit verschärften Kontrollmöglichkeiten gestimmt. Polizeipräsident Werner Jantosch sagte, die Gewalt sei ein gesellschaftliches Phänomen, an dem die Polizei allein nichts ändern könne.
Das Wochenende der Gewalt - die Chronologie:
Sonnabend, 2 Uhr, Hans-Albers-Platz, St. Pauli. In der Kneipe La Paloma herrscht dichtes Gedränge, der Algerier Madjide O. (50) gerät mit einem anderen Gast in Streit. Der Algerier zieht ein Klappmesser, rammt es dem Nebenmann in den Unterarm. Die Männer prügeln sich durch das Lokal. Der 50jährige sticht dabei wahllos um sich, verletzt damit insgesamt sechs Gäste im Alter von 26, 27, 29, 30, 39, 41 Jahren, die nichts miteinander zu tun haben. Sie werden in den Bauch getroffen, in den Rücken, in die Arme. Zwei Türsteher greifen ein: Sie schnappen den wütenden Algerier, wollen ihn aus dem La Paloma herauswerfen. Doch der 50jährige wehrt sich heftig, sticht mit dem Messer auch auf die Türsteher ein. Der eine Mann (42) wird durch einen Stich in die Brust lebensgefährlich verletzt, sein Kollege (38) wird ebenfalls verletzt. Draußen wird der Amok-Läufer von der Polizei festgenommen.
Sonnabend, 22.50 Uhr. Das Feuerwerk vom Alstervergnügen ist gerade vorbei. Ein Osteuropäer schnappt sich das Fahrrad eines 35jährigen, es kommt zu einer Prügelei. Ein Freund des Osteuropäers rammt dem 35jährigen, der auf dem Bauch auf dem Boden liegt, ein Messer in den Rücken. Die Täter entkommen.
23.25 Uhr, Fontenay (Rotherbaum). Eine Gruppe junger Männer gerät in Streit, es geht um ein Mädchen. Messer werden gezückt, zwei Männer (20 und 21 Jahre) schwer verletzt. Die Täter: vermutlich zwei Jugendliche, einer 19, der andere nach ersten Ermittlungen erst 14 Jahre alt.
Kurz vor Mitternacht, S-Bahnhof Blankenese. Zwei Männer (22, 26) stellen einen Jugendlichen zur Rede, der auf einen Automaten eintritt. Der Jugendliche zieht ein Messer, sticht die Männer in den Rücken. Später stellt er sich der Polizei - er ist erst 16 Jahre alt.
SPD-Innenpolitiker Andreas Dressel: "Das neue Polizeigesetz erlaubt es den Beamten, zum Beispiel auf der Reeperbahn stärker zu kontrollieren." Bisher nutze die Polizei diese Möglichkeit offenbar nicht verstärkt. Zudem müsse sich Hamburg im Bundesrat dafür einsetzen, das Waffengesetz zu verschärfen und "Hieb- und Stoßwaffen" vollständig zu verbieten. Dressel forderte eine "Entwaffnungsstrategie".
Der CDU-Innenpolitiker Christoph Ahlhaus weist die SPD-Kritik scharf zurück. "Herr Dr. Dressel hat gegen das neue Polizeigesetz gestimmt", so Ahlhaus. "Und jetzt wirft er der Polizei vor, sie nutze dieses nicht richtig. Das ist mies und verlogen", sagte Ahlhaus.
Innensenator Udo Nagel (parteilos) sagt, die Polizei nutze seit Inkrafttreten des neuen Gesetzes bereits verstärkt die Möglichkeit zu "lageabhängigen Kontrollen", auch auf St. Pauli. Zudem sei die Gewalt-Prävention seit längerem verstärkt worden, etwa durch eine engere Zusammenarbeit zwischen Polizei und Schulen. "So etwas greift aber nicht von heute auf morgen", so Nagel. Dressel warf er vor, dieser schlage "Purzelbäume" und wechsle ständig die Positionen. Erst habe er gegen die Instrumente des neuen Polizeigesetzes gestimmt - und nun würden ihm diese plötzlich zuwenig genutzt.
Polizeipräsident Werner Jantosch räumte ein, daß die steigende Gewaltbereitschaft ein Problem sei. "Das ist aber ein gesellschaftliches Phänomen, an dem die Polizei alleine nichts ändern kann", so Jantosch. Polizeisprecher Ralf Meyer sagte, auch stärkere "lageabhängige Kontrollen" hätten bei drei der Taten vom Wochenende nichts genützt, da diese gar nicht in Brennpunkten begangen worden seien.
Der Hamburger Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), André Bunkowsky, forderte ein Gesamtkonzept gegen die zunehmende Gewalt. Dazu müßten Gastwirte, Kammern, Schulen und Polizei zusammenarbeiten.
GAL-Innenpolitikerin Antje Möller forderte eine "Entwaffnungskampagne" und eine breite Diskussion über die Ursachen der zunehmenden Gewalt.
Quelle : NETZZEITUNG
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