Bei einer Massenpanik auf einer Brücke in Bagdad sind mehr als 600 schiitische Pilger ums Leben gekommen, unter ihnen zahlreiche Kinder. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums in der irakischen Hauptstadt könnte die Zahl der Todesopfer sogar bis auf 1000 ansteigen. "Im Gedränge auf der Aimma-Brücke brach Chaos aus, nachdem sich unter den Pilgern das Gerücht verbreitet hatte, ein Selbstmordattentäter mit einem Sprengstoffgürtel habe sich unter die Gläubigen gemischt", sagte Gesundheitsminister Abdul Mutalib Ali.

Pilger stürzten 30 Meter in die TiefeDas Innenministerium gab die Zahl der Todesopfer mit 637 an. Krankenhausärzte und Augenzeugen berichteten, ein Teil der Menschen sei im Gedränge erstickt oder zu Tode gequetscht worden. Andere fielen von der Brücke 30 Meter in die Tiefe und ertranken in den Fluten des Tigris.

Eine Augenzeugin berichtete: "Tausende von Menschen standen dicht an dicht auf der Aimma-Brücke, in dem Gedränge und bei der Hitze wurden einige ohnmächtig, vor allem die Kinder bekamen keine Luft mehr." Vom Fenster ihres Hauses aus beobachtete die Frau, wie Hunderte von Menschen in den Fluss fielen. In Bagdad herrschen Temperaturen von etwa 43 Grad im Schatten.

Eine "Tragödie, die Narben hinterlassen wird"Innenminister Bajan Dschabor und ranghohe Schiiten machten die sunnitischen Rebellen für die Massenpanik verantwortlich. Ammar al-Hakim vom Obersten Rat für die Islamische Revolution im Irak sagte, die "Saddamisten" hätten das Gerücht eines Selbstmordanschlags gestreut. Verteidigungsminister Saadun al Dulaimi wies diese Darstellung zurück. "Was passiert ist, hat gar nichts mit irgendwelchen Spannungen zwischen den Religionsgemeinschaften zu tun", sagte er. Auch der kurdische Präsident Dschalal Talabani schlug versöhnliche Töne an: "Dies ist eine große Tragödie, die Narben in unseren Seelen hinterlassen wird", erklärte er. Das Land bete für die Toten und Verletzten. Bundespräsident Horst Köhler sprach Deutschlands Anteilnahme aus und erklärte, das Unglück zeige, wie sehr die Menschen im Irak zu Geiseln des Terrors geworden seien

Granantenangriff nahe Grab des schiitischem HeiligenImam Mussa al Kadim : Imam Mussa al Kadim ist eine der wichtigsten Leitfiguren der schiitischen Richtung des Islams. Er ist der siebte von zwölf Imamen, die von den Schiiten besonders verehrt werden. Alljährlich erinnert eine Prozession an seinen Todestag im Jahr 799.
Die rund 1,5 Millionen schiitischen Pilger, die sich am Heiligtum des Imam Mussa Kadim versammelt hatten, um seinen Todestag vor mehr als 1000 Jahren zu begehen, waren schon nach einem Granatenangriff in der Nähe der Pilgerstätte nervös gewesen. Die US-Armee erklärte, ihre Soldaten hätten von Hubschraubern aus beobachtet, wie Terroristen Granaten abfeuerten, die in der Nähe der Moschee niedergingen, die den Schrein beherbergt. Die Soldaten hätten vom Hubschrauber aus auf die Angreifer gefeuert. Mehr als ein Dutzend Verdächtige seien später festgenommen worden. Nach Angaben von Augenzeugen starben bei den Attacken am Morgen sieben Menschen, mehr als 30 wurden verletzt.

Dreitägige Staatstrauer angeordnetWährend die Helfer noch versuchten, Menschen aus dem Fluss zu ziehen, setzte ein Teil der Pilger die religiösen Rituale am Grab des Imams fort. Übergangsministerpräsident Ibrahim al-Dschafari ordnete eine dreitägige Staatstrauer an. Wie viele Ausländer unter den Toten sind, war zunächst unklar. Zu dem religiösen Fest kommen auch schiitische Muslime aus Iran und anderen islamischen Staaten nach Bagdad.

Die Brücke, auf der die Pilger starben verbindet den vorwiegend von Schiiten bewohnten Stadtteil Kazhimija mit dem sunnitischen Adhamija.

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