Brüssels radikale Pläne gegen Lieferengpässe
Mit einem neuen Binnenmarkt-Notfallinstrument will die EU-Kommission künftig die Produktion in akuten Krisen feinsteuern. Damit will sie Lieferengpässen vermeiden.
Letztlich jedoch geht es der Kommission um alle Arten von Waren oder auch Dienstleistungen, die in Folge von geopolitischen Krisen, dem Klimawandel, Naturkatastrophen, dem Verlust der Biodiversität oder globaler wirtschaftlichen Instabilität in der EU knapp werden könnten.
Darauf, dass die europäischen Unternehmen dafür selbst Vorsorge treffen können, will sich die Europäische Kommission künftig nicht mehr verlassen. Mitte September will sie deshalb ein "Binnenmarkt-Notfallinstrument" vorstellen. Das soll der EU-Kommission gleich ein ganzes Werkzeug-Set in die Hand geben, um die Versorgung mit einzelnen Produkten in unmittelbaren Krisen, aber auch schon kritischen Situationen direkt zu steuern. Ein Entwurf des Vorschlags liegt der F.A.Z. vor.
Im Extremfall will die EU-Kommission den Mitgliedstaaten vorschreiben, innerhalb eines bestimmten Zeitraums konkrete Lagerbestände wichtiger Waren aufzubauen. Falls diese von den Mitgliedstaaten aufgebauten "strategische Reserven" nicht ausreichen, um den Bedarf zu decken, will die Kommission den Staaten Empfehlungen geben, wie sie die Reserven verteilen sollen. Bei drohenden Lieferengpässen will sie zudem auch eine Reorganisation der Lieferketten und der Fertigungslinien sowie den Aufbau neuer Produktionsanlagen vorgeben können.
Vor allem aber will die Kommission in Notfallsituationen direkt in Produktion von wichtigen Waren oder auch Vorprodukten eingreifen. Sie will Unternehmen dann direkt vorschreiben können, welchen Aufträgen sie Vorrang zugestehen sollen. Die Unternehmen sollen sich dem nur widersetzen können, wenn sie das in wirtschaftliche Schwierigkeiten bringt oder sie dazu aus Kapazitätsgründen nicht in der Lage sind. Privatwirtschaftliche Verträge, sprich Verträge mit anderen Unternehmen, sollen indes zurückstehen. Dass das ebenso wie die Regeln für die Neuorganisation oder den Aufbau von Fertigungslinien ein weitgehender Eingriff in die Geschäftsfreiheit ist, gesteht die Kommission ein. Deshalb müssten sie auch genau auf die jeweilige Krise abgestimmt sein und gegen die übergeordneten gesellschaftlichen Interessen abgewogen werden.