15.08.05
Unisex – im Zweifelsfall zu Lasten der Frauen
Frauen zahlen für private Rentenversicherungen mehr als Männer
Von Hermannus Pfeiffer, Hamburg
Frauen zahlen drauf, jedenfalls bei einer privaten Rentenversicherung. Weibliche Verbraucher müssen für die gleiche monatliche Leistung wesentlich höhere Beiträge aufbringen als männliche. Um eine garantierte Rente in Höhe von eintausend Euro monatlich zu erhalten, zahlt eine Frau in dreißig Jahren etwa 14 000 Euro mehr ein als ein Mann.
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Diskriminierung von Frauen hat in der Assekuranz durchaus Tradition. Noch in den achtziger Jahren mussten Verbraucherinnen 50 Prozent höhere Beiträge für eine Berufsunfähigkeitsversicherung zahlen als Männer – egal, welchen Beruf sie ausübten. Die bundesdeutschen Versicherer begründeten diese Schieflage mit einem Mangel an Erfahrungen mit berufstätigen Frauen.
Svea Kuschel ging im Jahr 1986 der Sache auf den Grund und fand heraus, dass als Kalkulationsgrundlage Daten aus dem Jahr 1935 verwendet wurden, Daten, die zudem nur auf den mageren Erfahrungswerten von elf Unternehmen basierten, die obendrein noch alle aus den USA kamen. Die Finanzfachfrau startete eine Aufklärungskampagne, gewann Verbraucherschützer, den Deutschen Frauenrat und Familienministerin Rita Süßmuth für ihr Anliegen. Am Ende gab die Versicherungsbranche dem Druck der Öffentlichkeit nach. Berufsunfähigkeitstarife wurden fortan neu kalkuliert. Bei der Neuberechnung der Tarife stellte sich dann heraus, dass »die Männer über viele Jahrzehnte zu wenig eingezahlt hatten«, kritisiert Kuschel in München noch immer verärgert, »sie wurden von den Frauen mitfinanziert«. Mittlerweile richten sich die Beiträge nach dem Risikofaktor, den der ausgeübte Beruf des jeweiligen Antragstellers mit sich bringt – egal ob Mann oder Frau.
Trotz solcher Erfolge bleibt das Thema »Unisex-Tarif« aktuell. Auch heute wehren sich Versicherungsunternehmen vehement gegen die Einführung von Unisex-Tarifen, nun bei der privaten Rentenversicherung. Frauen zahlen für gleiche Monatsrenten deutlich höhere Beiträge ein als Männer. Die Assekuranz begründet ihre Ungleichbehandlung mit der längeren Lebenserwartung von Frauen. Bei der gängigen Tarifkalkulation, so der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), handelt es sich nur um eine »Differenzierung nach dem geschlechtsspezifischen Risiko, nicht um eine Diskriminierung«.
Ein Argument, das Finanzexpertin Kuschel nicht überzeugt: »Es ist schon jetzt erkennbar, dass sich der Unterschied zwischen der Lebenserwartung von Männern und Frauen verringert.« Schließlich werden immer mehr Frauen berufstätig sein und durch die Dreifachbelastung Beruf, Haushalt, Kinder werde sich die Lebenserwartung von Frauen und Männern weiter angleichen. Ein Trend, der in Paris bereits erkannt wurde. Immer mehr Französinnen rauchen, trinken exzessiv Alkohol und fahren »männlich«-riskant Auto. Etwa 2020 könnte die durchschnittliche Lebenserwartung von Männern und Frauen daher gleich ziehen, und spätestens dann gibt es für unterschiedliche Beiträge in der Rentenversicherung keine statistische Begründung mehr.
Von einer generellen Diskriminierung von Frauen möchte Wolfgang Scholl nicht sprechen. Der Versicherungsexperte vom Verbraucherzentrale Bundesverband in Berlin ist allerdings skeptisch, ob »die Kollektivbildung korrekt ist« – im Klartext: Versicherungsgesellschaften könnten ihre weiblichen Kunden schlicht falsch einschätzen und so zu hohe Beiträge kassieren – hier und heute.
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