Zitat von
George Bush
„Der Gesetzgeber ist nach muslimischer Auffassung Gott selbst, darauf gründet die unerschütterliche Autorität der Scharia.“ Sie ist Richtschnur für alle Lebenbereiche und regelt das Verhältnis des Einzelnen zu seiner Umwelt und zu Gott; sie gilt als Leitfaden für das Verhalten im Dies- und Jenseits. Folglich kann es keinen säkularen, von der Religion getrennten Bereich im Leben eines gläubigen Muslims geben. Eine Kritik am Koran, am dem Propheten Mohammed geoffenbarten Wort Gottes, und der Scharia ist gleichbedeutend mit Abfall vom Glauben., was mit dem Tode zu bestrafen ist. Somit gibt es in der islamischen Welt keine von offizieller Seite vorgetragene Religionskritik. Seit Ludwig Feuerbach ist bekannt, dass einer Kritik der gesellschaftlichen Verhältnisse zuerst die Religionskritik vorausgehen muss, damit sich etwas ändern kann.
Ein wichtiger Grund für die langsame Anpassung des Islam an die Moderne liege nach Schirrmacher darin, dass nicht nur die ethischen Anweisungen des Korans als zeitlos gültige Offenbarung betrachtet, sondern auch das Vorbild Mohammed zur Norm erhoben und jedem Gläubigen unhinterfragbar zur Nachahmung empfohlen werde. Daher sind einer Aufklärung oder Humanisierung der Scharia enge Grenzen gesetzt. Zudem steht im Arabischen der Terminus „Neuerung“ für Verfälschung und Abweichung und wird mit Ketzerei gleichgesetzt.
Im Namen der Scharia werden Frauen geschlagen, beschnitten, zwangsverheiratet, vergewaltigt, eingesperrt, gesteinigt oder zur Erhaltung der Ehre ermordet. Diese Methoden gehören nicht nur in einigen islamischen Ländern zur täglichen Praxis, sondern die Scharia ist auch schon „in unseren Gerichtssälen heimisch geworden, fast unbemerkt ist sie bereits ein fester Bestandteil unserer Gesellschaft“, so eine provokante These von Spuler-Stegemann. Die Autorin, Professorin an der Uni Marburg, gehört zu den renommiertesten Islamwissenschaftlerinnen Deutschlands. Noch vor einigen Jahren konnten nur Insider mit dem Begriff Scharia etwas anfangen; diese kollidiere in entscheidenden Punkten mit den Menschenrechten, so Spuler-Stegemann.
Den Kernbestand der Scharia bilden das Familien- und Erbrecht. Es definiert den Bewegungs- und Entscheidungsspielraum für Frauen. Eine Beschränkung von Frauenrechten in der islamischen Welt wird nicht nur durch die Scharia begründet, sondern auch durch die tief verwurzelten kulturellen Normen, die mit den religiösen Werten aufs engste verflochten sind. Die eigentliche Benachteiligung der Frauen findet aber im rechtlichen Bereich statt, wohingegen im Westen als Symbol der Unterdrückung das Kopftuch gilt. Im Zentrum der Untersuchung stehen die Rechte der Frau im islamischen Straf-, Ehe- und Familienrecht. Was hier die Autorin zu Tage fördert, steht westlichem Rechtsverständnis diametral entgegen. Trotz dieser Tatsache wird die westliche Auffassung von der Unterdrückung der Frau im Islam von Musliminnen nur selten geteilt. Muslimische Frauenrechtlerinnen fordern deshalb auch nicht die Abschaffung der Scharia oder eine Säkularisierung der Gesetzgebung, sondern nur die Rückkehr zum „eigentlichen Islam“. Sie betrachten dagegen die westlichen Frauen häufig als „ehr-, scham- und würdelos“. Schirrmacher steht der Forderung einer Rückkehr zum „eigentlichen Islam“ als einem Weg der Befreiung für Frauen skeptisch gegenüber.
Was die Islamwissenschaftlerinnen in diesem Buch über die Stellung der Frau im Islam dargelegt haben, widerspricht der aufgesetzten Friede-Freude-EierkuchenMentalität des Dialogreigens zwischen den Religionen, bei dem keinem ein Haar gekrümmt werden soll. Die eigentliche Gefahr für die westlichen Gesellschaften liegt aber in einem falsch verstandenen Toleranzverständnis, das die Gefahr ins sich birgt, dass sich ein paralleles Rechtsverständnis etablieren kann, das nach westlichen Maßstäben in weiten Teilen Unrecht darstellt.