Im Fall der dem „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) zugeschriebenen sogenannten Ceska-Morde ist das Bundeskriminalamt auch einer Spur in die
Sächsische Staatskanzlei nachgegangen. Von einem dort installierten Computer aus
war 2006 und 2007 auffällig oft die Fahndungsseite des BKA zu der Mordserie an Migranten angeklickt worden. Die Opposition in Sachsen fordert die Aufklärung des Vorgangs.
Am 10. April 2006 hatte das BKA in seinem Internetportal die Fahndungsseite eingerichtet, mit der nach Zeugen und Hinweise auf die möglichen Täter gesucht werden sollte. Die elektronischen Zugriffe auf diese Seiten wurden damals heimlich überwacht. Die Idee dahinter: Wenn ein bestimmter Computer ungewöhnlich häufig die überwachte Fahndungsseite aufruft, liegt es nahe, dass der PC-Nutzer möglicherweise selbst über Erkenntnisse zu den Taten verfügt. Über die IP-Adresse des Computers können die Ermittler dann den Nutzer identifizieren.
Fahnder erleben Überraschung
Aus dieser Zeitung vorliegenden Unterlagen geht hervor, dass im Fall der Ceska-Mordserie den BKA-Fahndern seinerzeit
ein Computer aufgefallen war, der ungewöhnlich oft auf die Fahndungsseite zugegriffen hatte – zwischen August 2006 und März 2007 wurden insgesamt 450 Clicks von dem Gerät registriert. Allein im August 2006 griff der PC zwei- bis dreimal täglich, jeweils zu unterschiedlichen Uhrzeiten, auf die Seite zu. Noch im September wurden wöchentlich drei Zugriffe registriert, danach nur noch ein paar pro Monat.
Als die Fahnder damals die IP-Adresse des Computers überprüften, erlebten sie eine Überraschung: Das
Gerät stand in der Sächsischen Staatskanzlei des Dresdner Regierungschefs Georg Milbradt (CDU). Anfang Juli 2007 übermittelte das BKA daher ein Auskunftsersuchen an Dresden. Doch die Staatskanzlei passte: Alle Nutzerdaten der PCs
seien bereits den Regelungen entsprechend gelöscht worden. Eine Identifizierung des verdächtigen Mitarbeiters, teilte man seinerzeit dem BKA mit,
sei damit nicht möglich.
Tatsächlich aber hätte die Staatskanzlei damals durchaus auf die Spur des PC-Nutzers kommen können.
Auffällig oft waren nämlich die Zugriffe auf die BKA-Seite an Wochenenden und nach Dienstschluss erfolgt. Und für diese Termine lagen die Kontrollbücher des privaten Wachunternehmens sowie die Aufzeichnungen des polizeilichen Objektschutzes vor. Aus ihnen
geht hervor, in welchen Räumen werktags nach Dienstschluss sowie an Feiertagen und Wochenenden gearbeitet wurde.
Zweifel bei der Opposition
Warum diese Überprüfungen 2007, nach der Anfrage des BKA, unterblieben, konnte der Sprecher der Staatskanzlei, Christian Hoose, nicht erklären. Er bestätigte jedoch, dass das BKA diesen Vorgang jetzt erneut geprüft hat. Dazu seien der Behörde die heute noch vorhandenen Kontrollbücher aus jener Zeit übergeben worden. Wie ein Sprecher der Bundesanwaltschaft daraufhin mitteilte,
habe die Auswertung dieser Unterlagen jedoch nicht Verdächtiges ergeben.