Eine CD mit Propagandamaterial eines "Nationalsozialistischen Untergrunds" stellt die Ermittler vor Rätsel. Stammt der Datenträger wirklich von der gleichnamigen Terrorzelle, wusste V-Mann "Corelli" mehr, als er zugab? Die Bundesanwaltschaft ermittelt.
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Ausgelöst hatte die neuen Ermittlungen ein weiterer V-Mann.
Wochen vor "Corellis" Tod hatte er sich beim Hamburger Verfassungsschutz gemeldet und eine CD mit rechtsextremer Propaganda übergeben. Den Datenträger, so sagte er, habe er bereits 2006 erhalten - von "Corelli".
Die Beamten waren alarmiert: Denn laut Begleittext handelte es sich bei der Propaganda-Scheibe um "die erste umfangreiche Bilddaten-CD des Nationalsozialistischen Untergrunds der NSDAP (NSU)".
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»Nun wirft eine CD neue Fragen auf: Wenige Wochen vor "Corellis" Tod hatte ein anderer V-Mann sich beim Hamburger Verfassungsschutz gemeldet und den Datenträger (hier das Cover) übergeben. Er habe ihn bereits 2006 erhalten - von "Corelli".« (SPIEGEL)
Zumindest von der martialischen Bildsprache her erinnert das Cover der Hamburger NSU-CD an die Bekennervideos des Zwickauer Trios: Unten links ist eine halbautomatische Pistole der Marke Glock abgebildet, darüber der Ausschnitt eines Hitler-Fotos, ein "Wolfsangel"-Symbol und der Schriftzug "NSU/NSDAP".
Wie war "Corelli" an die CD gekommen?
Wie aber - vorausgesetzt, die Angaben des Hamburger V-Manns stimmen - war "Corelli" seinerzeit an die CD gekommen? War er an ihrer Erstellung beteiligt? Und: Warum rückte der Hamburger Verfassungsschutz-Informant erst jetzt, acht Jahre nach der angeblichen Übergabe durch "Corelli", den brisanten Datenträger heraus? Der Hamburger Verfassungsschutz wollte sich dazu auf Anfrage nicht äußern.
Noch sind die Ermittlungen, ob der auf der CD erwähnte "NSU/NSDAP" etwas mit der Terrorzelle NSU zu tun hat, nicht abgeschlossen. Sollte sich der Verdacht jedoch bestätigen, wäre dies ein Beleg dafür, dass das klandestine Mordkommando einem größeren Neonazi-Kreis - und zwei V-Leuten dazu - bekannt gewesen sein könnte. Offen ist allerdings, ob die CD tatsächlich schon im Juni 2006 gebrannt wurde, wie der darauf gespeicherte Zeitstempel nahelegt.
Immerhin: Spezialisten des BKA entdeckten auf der CD bislang mindestens fünf Video-Clips, die sich früher auch auf einem von "Corelli" betriebenen, rechtsextremen Szene-Server befunden hatten. Zusätzlich fragten die Ermittler bei anderen deutschen Sicherheitsbehörden nach, ob dort Kopien der CD bekannt seien. Eine positive Rückmeldung gab es bereits: Bei einer Durchsuchung in Mecklenburg-Vorpommern haben die Fahnder kürzlich einen weiteren Datenträger gefunden, der nach ersten Analysen "teilidentisch" mit der Hamburger CD ist.