Götzl hält vor, dass im Gutachten stehe,
bei der Sammlungsnummer 44320 sei eines der ursprünglich zwei Geschosse im Verlauf der Vergleichsarbeit vertauscht worden und unauffindbar. Nennstiel bestätigt das. Nennstiel sagt, er habe zur Verdeutlichung seiner Ausführungen eine Power-Point-Präsentation angefertigt, die an die Wände projiziert wird.
Zunächst wird die Ceska 83 von beiden Seiten gezeigt. Das sei die Waffe in dem Zustand, in dem sie ihnen übergeben wurde, so Nennstiel. Was da so nach oben stehe, sei eine offenbar verschmorte Plastiktüte.
Plastiktüte oder Kunstleder-Holster nach einer leichten Erwärmung?
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Dann wird die bereits früher begonnene Einvernahme des
Sachverständigen Pfoser fortgesetzt (siehe Protokoll zum
[Links nur für registrierte Nutzer]. Götzl sagt, es gehe ihm um die Untersuchung von Hülsen und Geschossen, die Spurenbewertung, die Munitionskennzeichnung und die Frage der Verwendung eines Schalldämpfers.
[...]
Das müsse transparent und klar werden für die Verfahrensbeteiligten und auch für Presse und Zuhörer. Pfoser solle davon ausgehen, dass hier keiner etwas weiß und einfache Worte benutzen.
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Dann fragt Götzl nach der
Verwendung eines Schalldämpfers. Pfoser legt dar,
dass er bei den Fällen in Dortmund und Kassel 2006 auf einem bestimmten “Zugeindruck” bei den Geschossen Aluminiumanhaftungen festgestellt habe. Er habe dann festgestellt, dass immer an diesem Zugeindruck 4 an der gleichen Stelle diese Anhaftungen aufgetreten seien. Das gehe zurück bis zum Fall in Rostock, wo das erste Mal Munition des Fabrikats Sellier & Bellot festgestellt worden sei. Das sei zum ersten Mal ein sachlicher Nachweis für die Verwendung eines Schalldämpfers gewesen. Außerdem sei es ein Indiz gewesen, dass es sich eher um ein Original handele.
Denn bei selbst gebastelten Schalldämpfern touchiere das Geschoss nicht immer an derselben Stelle. Das Geschoss berühre, so Pfoser auf Nachfrage, eine bestimmte Lamelle oder einen bestimmten Bestandteil der Gasverwirbelungskammer des Schalldämpfers. Die Anhaftungen seien dann untersucht worden und es habe sich tatsächlich um Aluminium gehandelt, so dass man habe schließen können, dass zumindest innere Bestandteile des Schalldämpfers aus Aluminium gefertigt sein müssten. Vor dem fünften Fall gebe es, sagt Pfoser auf Nachfrage, keine objektiven Tatbestände, die auf die Verwendung eines Schalldämpfers schließen ließen. Da sei aber auch ein anderer Geschosstyp, ein anderes Fabrikat verwendet worden. Evtl. sei es deswegen nicht zu einem Touchieren gekommen, man könne also auch nicht ausschließen, dass ein Dämpfer verwendet wurde.
Das Aluminium sei durch mechanische Reibung aufgetragen worden, Aluminium sei weicher als das Messing des vorbei streifenden Geschosses, sagt Pfoser auf Frage von Götzl. Es handele sich um hauchdünne Auftragungen. Götzl fragt, was man hinsichtlich des Umstandes sagen könne, ob der Schalldämpfer mal abgenommen wurde. Pfoser sagt,
seine Theorie sei zuerst gewesen, dass die Anhaftungen durch Abnehmen des Dämpfers dann nicht mehr an derselben Stelle wären. Aber das Gewinde sei sauber gefertigt gewesen, es habe nicht durch festeres Drehen zu einem Überdrehen kommen können. Der Dämpfer habe jeweils im selben Bereich gestoppt, deswegen sei diese Theorie hinfällig. Beim Fall des Geschädigten Kubaşık sei die Rede von Schmauchantragungen an eine Hülse, so Götzl. Er habe, so Pfoser, festgestellt, dass die Hülse nicht, wie zunächst angenommen, gerostet war, sondern extrem stark beschmaucht. Das habe seine These bestärkt,
dass die Hülse in einer Tüte aufgefangen und mehrmals beschmaucht worden sein konnte, bevor sie durch eine Öffnung heraus gefallen oder, wie im Fall Rostock, heraus geschossen worden sei..
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Dann fragt Wohllebens Verteidiger RA Klemke. Auf dessen Frage sagt Pfoser, nur die Projektile, bei denen auch visuell Anhaftungen festgestellt worden seien, seien dann auch chemisch untersucht worden. Die Munition aus den ersten vier Fällen sei nicht chemisch untersucht worden. Wohllebens Verteidigerin RAin Schneiders fragt, ob Waffen aus einer Serienfertigung auch ähnliche Individualspuren aufweisen. Man müsse zwischen Individualspuren und gruppenspezifischen Spuren unterscheiden, antwortet der Sachverständige, eine Identifizierung werde anhand von Individualspuren vorgenommen. Man wisse dann, dass es sich um einen bestimmten einzigartigen Waffenlauf handele: “Wenn ich von einer Identifizierung spreche, dann hab ich diese Waffe als Spurenverursacherin identifiziert und es kommt keine andere in Frage.”
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RA Hösl sagt, Pfoser habe davon gesprochen, die Vermutung, dass ein Schalldämpfer verwendet wurde, läge an dem festgestellten Aluminium. Hösl fragt, ob das das allgemein gelte oder man das speziell für den vorliegenden Schalldämpfer machen könne. Dass Anhaftungen an den erhabenen Stellen gefunden wurden, nicht an den Vertiefungen, bedeute, so Pfoser, dass etwas außerhalb des Laufes stattgefunden habe. Dadurch, dass es immer wieder auftrat, habe man davon ausgehen können, dass es nicht beim Aufprall stattfand. Man nehme Aluminium für die inneren Lamellen und Kammern von Schalldämpfern, weil es leichter im Gewicht und bei der Bearbeitung ist. Auf die Frage sagt Pfoser, diese Anhaftungen seien kein Beweis, dass es sich um einen bestimmten Schalldämpfer handelt. Seine These sei zu Beginn gewesen, dass der Schalldämpfer vielleicht nie abgenommen worden ist, aber durch den guten Sitz des Gewindes könne es auch sein, dass er abgenommen wurde. Bei der Waffe Kaliber 6.35 habe er keine Hinweise auf die Verwendung eines Schalldämpfers gefunden, so Pfoser.
Auf Frage des anderen Verteidigers von Carsten S., RA Pausch, verneint Pfoser, den Schalldämpfer darauf hin untersucht zu haben, ob er innen aus Aluminium gefertigt ist, die Identifizierung habe eine andere Stelle gemacht. Sie hätten das deswegen nicht gemacht, so Pfoser, weil sie es nicht mehr für relevant hielten. Wie erwähnt, sei das ja kein Nachweis, dass es sich bei dem Schalldämpfer um den Tat-Schalldämpfer handeln müsse. Pausch fragt, ob sich das Spurenbild einer Waffe auf einem Projektil durch diese starken thermischen Einwirkungen auf die Waffe verändere.
Pfoser sagt, wenn sich das so gravierend verändert hätte, dann wäre eine Identifizierung nicht mehr möglich gewesen. Es sei offensichtlich nicht zu so hohen Temperaturen gekommen, dass sich die Spuren geändert hätten.
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Auf Frage von RAin Schneiders, ob Vergleichsschüsse mit Schalldämpfer und ohne durchgeführt worden seien, sagt Pfoser, er habe das nicht durchgeführt. Schneiders fragt, ob Pfoser Vergleichsmunition mit und ohne Schalldämpfer vorgelegen habe. Pfoser sagt, er habe nur die Tatmunition gehabt. Für Vergleichsmunition und Identifizierung sei Nennstiel zuständig gewesen.
Er habe im Wege des Vier-Augen-Prinzips eine Qualitätsüberprüfung der entsprechenden Gutachten vorgenommen, könne aber nicht mehr sagen, ob da mit oder ohne Schalldämpfer geschossen wurde. Seines Wissens nach sei das aber nicht durchgeführt worden, weil es ja nicht relevant sei für eine Zuordnung. Es sei ja kein Beweis, sondern nur eine Bestätigung, dass es der gleiche Schalldämpfer gewesen sein könnte, man könne aber anhand der Anhaftungen keinen Schalldämpfer identifizieren. André E.s Verteidiger Hedrich fragt, ob man ausgehend vom Lauf rückschließen könne, dass er von diesem oder jenen Werkzeug hergestellt wurde. Er glaube nicht, so Pfoser, dass man nachweisen könne, dass ein bestimmtes Werkzeug verwendet worden ist, auch wenn man es vorliegen habe. Sie hätten da keine hintereinander gefertigten Läufe zur Verfügung gehabt. Was sie wohl gehabt hätten seien Waffen von der Firma Luxik (siehe Protokoll zum 47. Verhandlungstag) zur Feststellung einer bestimmten Spur.
Da hätten sie Gemeinsamkeiten feststellen können, aber nur in den gruppenspezifischen Merkmalen, z.B. bogenförmige Fräßpuren. Man könne nicht ein bestimmtes Werkzeug aus der Lauffertigung zuordnen. Man habe dann angenommen, dass die Waffen möglicherweise in einem engen Zeitraum gefertigt worden sind und das habe sich auch heraus gestellt. Denn die wieder sichtbar gemachte Waffennummer der Ceska sei nur fünf Nummern entfernt gewesen von der Musterwaffe, die sie im Laufe der Untersuchungen angekauft hätten, sagt Pfoser. Hedrich sagt, Pfoser habe davon gesprochen, dass sich die Spuren durch häufigen Gebrauch abschleifen und fragt, ob das bedeute, dass sich zwei Waffen aus der gleich Charge nach zehntausendfacher Verfeuerung beginnen anzugleichen. Bezogen auf das Laufinnere und wenn man von zehntausend Schüssen spreche, bedeute das, so Pfoser, dass kaum mehr Spuren vorhanden seien, das werde dann indifferent.
Auf Frage von RA Klemke sagt Pfoser, dass er das Gutachten von Nennstiel geprüft habe, es habe ihm schriftlich vorgelegen und die Spurenlage sei bildlich dokumentiert gewesen, er habe sich die Projektile aber auch persönlich angeschaut.
Auf Frage von RAin Schneiders erklärt Pfoser, dass er die Aluminiumanhaftungen 2006 nach der Tat in Kassel festgestellt habe. RA Pausch fragt, ob es einen Erkenntnisgewinn bringe, wenn man mit dem Munitionsfabrikat der ersten vier Fälle Testschüsse mit Schalldämpfer macht im Hinblick auf Anhaftungen. Das bezweifle er, so Pfoser, weil es bestätigen würde, dass diese Munition keine Anhaftungen überträgt. Und wenn man doch Anhaftungen fände, so Pfoser, würde das ebenfalls nichts beweisen, weil man nicht wisse, was die Ursache war. Man habe ja nicht mehr dieselbe Munition im selben Lagerungszustand, wie sie zum Zeitpunkt der Tat verwendet worden ist, auch wenn man das gleiche Fabrikat habe.
Andere Möglichkeiten für Alumuniumauftragungen außerhalb eines Schalldämpfers gebe es nicht, es müsse ein Gegenstand gewesen sein, der immer im gleichen Abstand war. Die Plausibilität sei nicht anders denkbar als durch einen Schalldämpfer. Eine Mündungsbremse wie bei anderen Waffen gebe es bei der Ceska 83 nicht. Es sei nur rein theoretisch, dass irgendjemand einen derartigen Vorsatz fabriziert. Auf Frage von Nebenklagevertreter RA Martinek sagt Pfoser, im konkreten Fall verändere das Gewinde des Schalldämpfers das Geschossbild nicht, weil das Gewinde nicht bis zur Bohrung in der Laufmündung reiche.
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RAin Schneiders fragt, ob Pfoser mit der Auswertung von Waffen aus der “Birthler-Behörde” beteiligt war. Der Begriff “Bithler-Behörde” sage ihm nichts, so Pfoser, und spricht dann vom Luxik-Kontingent, das überprüft worden sei und von charakteristischen bogenförmigen Spuren. Nach einigen Ausführungen sagt Richter Götzl, er frage sich, ob die Antwort noch mit der Frage zusammen passe. Schneiders konkretisiert die Frage und sagt, es gehe um die Begutachtung von Ceska 83 aus Stasi-Bestand. Pfoser: “Ach, das meinen Sie.” Die würden sich deutlich unterscheiden, so Pfoser, da habe man diese Vertikalspuren. Daher könne man die ausschließen als Tatwaffen. Er könne sich an eine Waffe erinnern, die sei aber bezüglich der Waffennummern völlig außerhalb von diesen ca. 30 aufeinander folgenden Seriennummern. [...]
Götzl entlässt Pfoser und sagt, dass der Sachverständige Nennstiel noch zur Verfügung stehe. Der Verhandlungstag endet um 16.57 Uhr.....