In den umfangreichen Ermittlungsakten dazu, in die unsere Zeitung Einblick nehmen konnte, sind auf unzähligen Fotos Beweisstücke aus dem Wohnmobil dokumentiert.
Die Tatortexperten haben darüber hinaus Übersichtsaufnahmen vom Inneren des durch den Brand stark beschädigten Fahrzeugs erstellt. Sie entstanden, nachdem das Feuer in dem Auto gelöscht und das Wohnmobil aus Stregda in eine Halle in Eisenach abtransportiert worden war. Dort erst wurden auch die Leichen von Böhnhardt und Mundlos geborgen.
Unter den Tatortfotos befinden sich Aufnahmen, die an die Grenze des Erträglichen gehen. Gleichwohl zeigen die Fotos erstmals viele, darunter auch bislang unbekannte Details, die Auskunft geben können über die letzten Tage und Stunden der beiden mutmaßlichen Terroristen.
Die Übersichtsaufnahmen vom Inneren des Wohnmobils zeigen
viel Brandschutt, der von der durchgeschmorten Wand- und Deckenverkleidung und den Plexiglasfenstern auf Möbel und Fahrzeugboden gefallen ist. Die Einbauschränke, Betten und Sitze sind zwar völlig verrußt, ihr Inhalt aber nicht verbrannt. Selbst in den Ablagefächern über der Sitzecke sind die in Wäschekörben aus Plastik verstauten Gegenstände weitgehend unbeschädigt geblieben.
Nur der hintere Platz in der Sitzecke und die Wand dahinter sind schwarz und angekohlt. Hier brach laut der Akte das Feuer aus. Aber was hat hier gebrannt? Die Experten vermuten, dass Mundlos dort einen Papierstapel angezündet hat. Spuren von einem Brandbeschleuniger hat man nicht gefunden. Die Gasflaschen unter dem Herd sind unbeschädigt. Zwar wurden zwei Herdschalter aufgedreht - Gas strömt aber nur aus, wenn man die Schalter gedrückt hält.
Im Mittelgang ist eine große Blutlache zu erkennen. Hier lag, mit den Füßen zum Fahrerhaus, die Leiche von Uwe Böhnhardt. Unter seinem Körper war eine durchgeladene, aber nicht abgefeuerte Pumpgun. Im hinteren Teil des Innenraums, vor Böhnhardts Kopf, fanden die Beamten die Leiche von Uwe Mundlos. Zu seinen Füßen lag eine zweite Pumpgun, mit der er sich offenbar in den Mund geschossen hatte. Die Patronenhülse des tödlichen Schusses fand sich neben ihm auf dem Boden.
Die tödlichen Schüsse und das Entfachen des Feuers hat sich innerhalb eines Zeitraums von sieben bis 20 Sekunden abgespielt. So schildern es die beiden einzigen Ohrenzeugen des Geschehens am Tatort, die Polizeibeamten, die mit ihrem Streifenwagen am 4. November 2011 gegen 12 Uhr das Wohnmobil in Stregda erreichten.
Dass aus dem Fahrzeug heraus auf sie geschossen wurde, was die Beamten zunächst vermutet hatten, scheint inzwischen widerlegt - es gibt außer einem nicht identifizierten Knallgeräusch kein Indiz dafür.
Rätselhafte Schusslöcher
Was aber hat sich in den wenigen Sekunden im Fahrzeug abgespielt? Offenbar, das zeigt die Akte, waren Mundlos und Böhnhardt auf ein mögliches Feuergefecht mit der Polizei eingestellt. Beide hatten Pumpguns zur Hand. Auf der Sitzecke lag eine Maschinenpistole mit ausgeklappter Schulterstütze, auf dem Boden im Bad eine der beiden beim Polizistenmord in Heilbronn geraubten Dienstpistolen. Die andere , die der ermordeten Polizistin Michelle Kiesewetter gehörte, lag griffbereit auf dem Tisch in der Sitzecke. Auf dem Herd lag ein Revolver, mit dem die beiden schon bei einem Bankraub in Zwickau 2006 auf einen Angestellten geschossen hatten. Schließlich befand sich auch noch auf dem Bett im Heck des Fahrzeugs eine Pistole.
Sieben Waffen, alle waren durchgeladen.
(Anmerkung NE: Welche "unabhängigen Zeugen", wie bei der Durchsuchung der "Bombengarage Nr. 5", waren dabei?)
Dennoch entschieden sich die beiden Killer innerhalb weniger Sekunden zum kollektiven Selbstmord. Oder gab es einen Streit? Nach offizieller Darstellung tötete Mundlos Böhnhardt mit einem Schuss in die Schläfe und anschließend sich selbst. Auf den Fotos vom Wohnmobil sind jedoch - das war bislang unbekannt - zwei Löcher im Fahrzeugdach zu erkennen, die von Geschossen herrühren. Eins davon ist im hinteren Teil des Fahrzeugs, wo sich Mundlos auf dem Boden sitzend in den Mund geschossen hatte. Das andere befindet sich im vorderen Teil des Wagens. Im Eingangsbereich der Seitentür muss Böhnhardt gestanden haben, als der tödliche Schuss auf ihn fiel. Wenn das Loch aber von diesem Schuss stammt, dann müsste Mundlos von unten her auf seinen Freund geschossen haben.
Es gibt noch ein weiteres merkwürdiges Detail in der Akte. Auf dem hinteren oberen Schlafplatz lagen mehrere Bekleidungsstücke und darauf ein nagelneuer Tourenrucksack. Was auffällt: Während Matratze und Textilien deutliche Schmutzspuren aufweisen, verursacht offenbar von dem durch die Hitzeeinwirkung geschmolzenen Plexiglasfenster über dem Bett, ist der darauf liegenden Rucksack fleckenlos.
Und noch etwas ist seltsam: Am 5. November 2011, als die Beweisstücke von der Tatortgruppe aus dem Wohnmobil geborgen und dokumentiert wurden, ist von den Beamten auch der Rucksack durchsucht worden. Sein Inhalt wird an diesem Tag fotografisch festgehalten. Das Bild aus der Ermittlungsakte zeigt mehrere, mit Banderolen versehene Geldbündel mit über 23 000 Euro aus einem wenige Wochen zurückliegenden Bankraub in Arnstadt sowie drei Kartons mit Patronen aus den Innentaschen. Aber erst einen Monat später, am 1. Dezember, findet die Polizei laut der Ermittlungsakte plötzlich noch etwas anderes im Rucksack - in einer Innentasche stecken sechs DVDs mit dem NSU-Bekennervideo.
Das ist eine kleine Sensation. (NE: Hä? Ein großes Wunder! Zauberei! Hexerei!)
Denn bislang hatte es stets geheißen, dass NSU-Videos - abgesehen von den mit der Post verschickten Exemplaren - lediglich in der Zwickauer Wohnung des Trios gefunden worden waren. Es bleibt die Frage, warum die Beamten von der Tatortgruppe am 5. November die sechs DVDs im Rucksack nicht gefunden haben. Sollten sie wirklich die Innentasche übersehen haben?