Nach Selbsttötung wird ein Untersuchungsausschuss gefordert |
Im Zusammenhang mit den NSU-Morden war auch Florian H. von der Polizei als mutmaßlicher Zeuge befragt worden - zuerst Anfang 2012 und jetzt wieder vor wenigen Tagen. Am 16. September hat sich der junge Mann aus dem Zabergäu nahe des Cannstadter Wasen offenbar selbst getötet, indem er sein Auto in Brand setzte. Foto: Marc Tirl/dpa |
Von Brigitte Fritz-Kador
Die Heilbronner DGB-Sekretärin Silke Ortwein hat sich zum Wochenbeginn mit der Forderung nach einem NSU-Untersuchungsausschuss im baden-württembergischen Landtag an die Öffentlichkeit gewandt. Anlass ist die Selbsttötung des 21-jährigen Florian H. aus dem Landkreis Heilbronn (Zabergäu) am 16. September nahe des Cannstadter Wasen (RNZ berichtete). Im Zusammenhang damit war immer wieder davon die Rede, dass er der rechten Szene zugehört haben soll und am Tag seiner Selbsttötung vom LKA dazu befragt werden sollte.
Die spekulativen Fragen dazu: War er Aussteiger aus der rechten Szene, Verbindungsmann oder ein zunächst "vernachlässigter", dann aber offenbar aktuell zu befragender Zeuge? Auf die Frage, inwieweit Florian H. "polizeibekannt" war, heißt es beim Innenministerium: "In den Unterlagen des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) ist der Name im Zusammenhang mit zwei Meldungen der Polizei vermerkt. Eigene Erkenntnisse des LfV zur genannten Person liegen nicht vor." Florian H. sei bei Polizeikontrollen im Mai und Juli 2011 aufgefallen, worauf jeweils eine Meldung an das LfV gefertigt wurde. Bei einer Kontrolle wurde er wegen des Mitführens eines unerlaubten Gegenstandes überprüft. Weitere Erkenntnisse liegen hier nicht vor." Zu den Gründen der Polizeikontrolle wird nichts gesagt.
Offene Unterstützung hat Ortwein für ihren Vorstoß noch nicht, aber sie weiß, "dass im Hintergrund einiges läuft". Nicht nur sie bewege die Frage, "warum Baden-Württemberg (außer Mecklenburg-Vorpommern) das einzige Land unter den von NSU-Morden betroffenen Ländern ist, das keinen Untersuchungsausschuss auf Landesebene einberufen hat, obwohl es vom Bundesausschuss deutlich gerügt wurde und der Heilbronner Polizistinnenmord der rätselhafteste der NSU-Mordserie ist." Sie möchte endlich Antworten haben - auch um irgendwann einmal "den Deckel zuzumachen".
Ortwein war lange in der Psychiatrie tätig, auch vor diesem Hintergrund beurteilt sie Art und Umstände der Selbsttötung von Florian H. Sie verweisen ihrer Kenntnis nach auf einen politischen Hintergrund mit Signalwirkung. Öffentliche Selbstverbrennungen, noch dazu auf einem Platz, der ein bewusst "beziehungsreicher" sei, enthielten immer eine Botschaft. An der Stelle, unweit des Cannstatter Wasens, an dem sich Florian H. das Leben nahm, sollen sich auch die beiden NSU-Täter Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos aufgehalten haben.
Auch die Todesart selbst - erst eine Explosion und dann das Feuer - entsprächen dem Ablauf des Todes der beiden in ihrem Wohnwagen in Eisenach. Wer sich aus Liebeskummer töte, so wie es als "Beziehungstat" kolportiert wird, wähle andere Methoden und hinterlasse beispielsweise einen Abschiedsbrief, um Schuldgefühle zu erzeugen.
Dazu sagt Rüdiger Felber, Pressesprecher im Innenministerium: "Wie bei jedem anderen Suizid wurde auch hier gewissenhaft geprüft, ob eine Fremdeinwirkung vorliegen könnte. Das ist eindeutig zu verneinen. Aufgrund der möglichen Bezüge zum NSU hat Innenminister Reinhold Gall am Mittwoch, 18. September, den Innenausschuss darüber in Kenntnis gesetzt. Das Landeskriminalamt Baden-Württemberg hat den Generalbundesanwalt über die Ermittlungen informiert." Auch sei der Verstorbene bereits im Januar 2012 zu den Vorgängen um das NSU-Trio vernommen worden. Die von Innenminister Reinhold Gall eingesetzte Ermittlungsgruppe "Umfeld" hat das Ziel, durch Strukturermittlungen die rechte Szene in Baden-Württemberg aufzuhellen. In diesem Zusammenhang war der 21-Jährige vor wenigen Tage angesprochen worden.
Ortwein fragt eben da weiter: "Warum hat sich beim Todesfall Florian H. sofort der Staatsschutz eingeschaltet, und wie soll ich das alles als Bürger verstehen?" Ihr geht die Art der Aufarbeitung und die Scheu davor, aber auch so manche Eile der Behörden so gegen den Strich, dass sie sich zum Handeln entschloss: "Wenn schon im Landtag nichts passiert, dann muss der Anstoß eben von außen kommen!" Sicher hätten viele Menschen das Thema längst über, aber auch deshalb, weil nichts passiert. Es gehe aber auch darum, dass die Bürger wieder Vertrauen in die Behörden fassen könnten.