Zur damaligen Grafik kamen zahlreiche Namen hinzu. Neben den fünf Angeklagten enthält die aktuelle Abbildung auch die neun Beschuldigten aus dem NSU-Umfeld, gegen die die Bundesanwaltschaft in einem zweiten Verfahren noch ermittelt.
Die Grafik verdeutlicht aber auch Lücken, die bis heute nicht geschlossen werden konnten. So sollen die beim Bundesamt für Verfassungsschutz genannten Quellen mit "T" während der Aktion "Rennsteig" in der Thüringer Neonazi-Szene geworben worden sein. Oft blieb es offensichtlich aber bei Versuchen.Die Aktion "Rennsteig" war zwischen 1997 und 2003 beim Bundesamt für Verfassungsschutz organisiert worden. Gemeinsam mit dem Thüringer Verfassungsschutz und dem Militärischen Abschirmdienst (MAD) sollen damals Geheimdienstler versucht haben, vor allem beim rechtsextremen Thüringer Heimatschutz (THS) Spitzel zu gewinnen.Bis heute sind die Akten darüber nicht vollständig bekannt.
Denn am 11. November 2011, dem Tag, an dem der Generalbundesanwalt die Ermittlungen gegen Beate Zschäpe und weitere Personen an sich gezogen hatte, wurden beim Bundesamt für Verfassungsschutz die Schredder angeworfen. Nach heutiger Kenntnis waren damals Akten zur Operation "Rennsteig" vernichtet worden.
Von bis zu 40 Informanten und V-Leuten im Kernbereich der Neonazi-Szene - dem Thüringer Heimatschutz - war vor einem Jahr die Rede. Heute scheint die Zahl eher fraglich. Erst vor einer Woche erklärte der frühere Verfassungsschutzvizechef Peter Nocken, dass es zu seiner Zeit nur zwei zuverlässige Quellen in der Thüringer Neonaziszene gegeben habe.
Damit gemeint sein könne nur Tino Brandt, der im Mai 2001 enttarnt wurde. Er hatte in mindestens einem Fall auch direkten Telefonkontakt mit dem untergetauchten Neonazi-Trio
Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe.
Als zweite Quelle gilt Marcel D. aus Gera. Er war in der militanten Neonazi-Organisation "Blood & Honour" (B&H) führend aktiv. im September 2000 wurde B&H in Deutschland verboten.
Vor allem die Mitglieder von B&H stehen im Verdacht, dem NSU-Trio zu Beginn seiner Flucht im Januar 1998 mit einem engmaschigen Netz von Unterstützern, vor allem in Sachsen, geholfen zu haben.
Neben Tino Brandt und Marcel D. hatten die Sicherheitsbehörden mit Thomas S. in Sachsen einen weiteren B&H-Mann als Informanten. Er soll vor dem Untertauchen des Trios eine Zeit lang sogar ein Lebensgefährte von Beate Zschäpe gewesen sein. Nach dem Verschwinden der Drei könnte er ihnen beim Beschaffen einer Wohnung zu Beginn der Flucht geholfen haben.
Thomas S. soll zwischen 2001 und 2011 Informant des LKA Berlin gewesen sein, kein V-Mann, sondern "Vertrauensperson", wie es bei der Polizei heißt. Er soll den Kriminalisten fünf Hinweise auf den Verbleib der drei untergetauchten Neonazis gegeben haben.
Trotz einiger Quellen im unmittelbaren Umfeld der Flüchtigen wurden die mutmaßlichen Rechtsterroristen bis zu ihrer Entdeckung am 4. November 2011 in Eisenach nicht gefasst. Warum die Neonazis unerkannt morden konnten, ist eine der Fragen, mit der sich noch immer mehrere Untersuchungsausschüsse befassen.
Schon jetzt ist aber Fakt, dass beispielsweise der Informationsaustausch zwischen Polizei und Verfassungsschutz nicht funktionierte. Dass Verfassungsschützer lieber ihre Quellen tarnten, als Ermittlern schnell brauchbare Hinweise zu geben.
Mindestens fünf gute Quellen sollen im Laufe der Jahre im Umfeld des NSU-Terrortrios von verschiedenen Sicherheitsbehörden wirklich geführt worden sein - ohne das Trio zu ergreifen.
Dieses Versagen der Sicherheitsbehörden führte im vergangenen Jahr zu einer intensiven Debatte über die künftige Struktur der Verfassungsschutzämter und die Art des V-Mann-Systems, wie es derzeit betrieben wird. Der Hauptvorwurf lautet, dass der Verfassungsschutz in seiner derzeitigen Struktur nicht zu kontrollieren ist.Zudem besteht der Verdacht, dass über die Honorare für die Spitzeldienste der Aufbau der rechtsextremen Szene mit unterstützt wurde.
Die enttarnten Thüringer Informanten Thomas Dienel und Tino Brandt hatten erklärt, ihre Entlohnung zur Finanzierung der Szene genutzt zu haben. Für Brandt werden circa 200.000 Mark genannt, die er über die Jahre erhalten haben soll. Insider gehen davon aus, dass der Thüringer Verfassungsschutz bis zu 800.000 Euro jährlich für heimliche Informationen gezahlt hat.