Zauberei beim BKA?
Kurz vor Prozessbeginn in München gegen die überlebende Haupttäterin Beate Zschäpe sowie weiterer Mittäter
wurde in den Medien wieder die Herkunft der Tatwaffe thematisert. Anscheinend ist allen Richtern, Staatsanwälten, Verteidigern und Journalisten klar, dass diese aus der Schweiz stammt. Quelle dieser Behauptung ist einzig das BKA. Dieses untermauert seine Thesen mit fragwürdigen Untersuchungsergebnissen.
Text: László Tolvaj
Fotos: László Tolvaj, SRF
Es liegt dem SWM fern, sich in innerdeutsche Angelegenheiten zu mischen, seien diese politischer oder juristischer Art. In diesem Fall jedoch reichen die Ermittlungen bis weit in die Schweiz hinein, nicht nur geografisch (Derendingen, Bern, Berner Oberland), sondern auch politisch, denn indirekt wird mit der Behauptung, die Tatwaffe stamme aus der Schweiz, unser Land culpabilisiert.
Damit läuft eine ähnliche Geschichte ab wie zur Zeit der RAF (Rote Armee Fraktion), als das Wort vom «Waffenselbstbedienungsladen Schweiz» das erste Mal herumgereicht wurde. Dieser Laden wurde dann mit
vorauseilendem Gehorsam vom damaligen Justizminister Furgler geschlossen, indem während Jahren in der
Schweiz ein Erwerbsverbot für Halbautomaten galt. Im Nachgang stellte sich allerdings heraus, dass der
Hauptlieferant von Waffen für die RAF die DDR war, aber das interessierte zu jenem Zeitpunkt niemanden mehr.
Der erneute Druck auf unser Waffengesetz ist jedoch nur ein Nebenprodukt der aktuellen Herkunftstheorie. In
der Hauptsache geht es eher darum, von einer Beteiligung staatlicher Stellen an diesen «Döner»-Morden abzulenken. Mit dieser Behauptung nähert man sich unweigerlich Verschwörungstheorien, ob man will oder nicht. Solange das BKA aber bei einem aufmerksamen Beobachter den Eindruck hinterlässt, dass es mit gezinkten Karten spielt, muss man sich sofort auch die Frage stellen, weshalb es das tut.
Um sich selber oder einen anderen staatlichen Apparat zu schützen?
Persönlich wurde ich im Oktober 2007 erstmals mit dem Fall konfrontiert, als das Schweizer Fernsehen von
mir nähere Details über eine «Ceska 83» erfahren wollte. Das BKA bat damals die Schweizer Polizei um Unterstützung, das Fernsehen bekam Wind davon und recherchierte ebenfalls.
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass das BKA offenbar wusste, dass es sich bei der Tatwaffe um eine CZ 83 mit Schalldämpfer handelte und dass 24 solcher Waffen in die Schweiz geliefert worden sind. Kein Wort zunächst davon, dass 31 baugleiche Waffen nach Deutschland geliefert wurden. Später gab man die Lieferung zwar zu, allerdings mit dem Hinweis, dass die Tatwaffe sicher nicht
aus jener Lieferung stammt. 16 Pistolen wurden in der Schweiz eruiert und kriminaltechnisch untersucht, die restlichen 8 blieben unauffindbar.
Wie Phönix aus der Asche
Bis auf eine, die 2011 in Zwickau in den Trümmern eines abgebrannten Hauses gefunden wurde. Angezündet hatte es Beate Zschäpe auf Befehl der beiden Täter, die sich in einem Camper das Leben
nahmen. Neben den vielen Ermittlungspannen, der zufälligen Präsenz eines V-Mannes bei einem der Morde sowie weiterer Ungereimtheiten gibt es im Zusammenhang mit den Untersuchungsergebnissen des BKA gewisse Zweifel oder zumindest Fragen.
Zum Beispiel, wie man es dort schaffte,
gravierte (nicht eingeschlagene!) und dann von der Täterschaft weggeschliffene Waffennummern wieder sichtbar zu machen.
Etwa durch Zauberei?
Oder blosses Wunschdenken?
Zweite Frage: Wo sind an der den Medien präsentierten angeblichen Tatwaffe die
Beschusszeichen an der rechten Griffstückseite geblieben? Etwa auch weggeschliffen? Welcher Kriminelle hat das je getan?
Oder stammt vielleicht die Pistole aus jener Serie, welche die Tschechen direkt nach Deutschland (und unbeschossen) geliefert hatten?
Könnte es vielleicht sein, dass dem Geheimdienst einige V-Männer entglitten sind?
Bewaffnet mit Pistolen aus tschechischer Fertigung (als Direktimport, nicht über die Schweiz)?
Es gibt zu diesem Fall noch viele Fragen, aber wohl nur wenige Antworten. Vielleicht aus Staatsräson, aus Angst (Zschäpe) oder aus politischem Kalkül. Der Monsterprozess in München wird diese Seite
vermutlich kaum erhellen, solange alle an die Darstellung des BKA glauben und die Angeklagten schweigen. Warten wir’s ab, möglicherweise gibt es ja noch eine überraschende Wendung
SWM 6/2013 Seiten 16+17