Getötete Polizistin war Lockvogel
Von Helmut Buchholz
Heilbronn - Schweren Vorwürfen sieht sich die Heilbronner Polizei ausgesetzt. Geht der kaltblütige Mord an der jungen Beamtin Michéle Kiesewetter auf eine Panne in der Polizeitaktik zurück? Das jedenfalls legt ein Bericht des SWR-Fernsehens vom Freitag nahe.
Denn die 21-Jährige soll im August 2006 als Lockvogel in der Heilbronner Drogenszene zum Schein Heroin gekauft haben - in Zivil. Dadurch sei das Geschäft einer Dealerin aufgeflogen. Nur wenige Monate später sei sie von der Heilbronner Polizei wieder in der Drogenszene eingesetzt worden - diesmal in Uniform. Hat sich die Rauschgiftszene an der jungen Polizistin gerächt, wie schon Ministerpräsident Günther Oettinger kurz nach der Tat gemeint hat?
Offiziell wollen sich Stuttgarter Innenministerium, Staatsanwaltschaft und Polizeisprecher zu dem Vorwurf nicht äußern. Inoffiziell heißt es, dass Michéle Kiesewetter tatsächlich in einem einzigen Fall im vergangenen Jahr als Scheinkäuferin auf dem Heilbronner Drogenmarkt aufgetreten sei. Allerdings habe die Sonderkommission diese Spur längst überprüft und ad acta gelegt. Die Fahnder halten es nach ihren Ermittlungen für ausgeschlossen, dass Michéle Kiesewetter und ihr 24-jähriger Kollege in ihren Uniformen niedergeschossen wurden, weil ihre Deckung aufgeflogen sei.
Bei der Polizei in Heilbronn und im ganzen Land sei es üblich, dass Beamte auch in Zivil und verdeckt agierten. Und zwar nicht nur Bereitschaftspolizisten wie Michéle Kiesewetter, sondern auch Uniformierte vor Ort in den Revieren. Bei der dünnen Personaldecke der Polizei seien solche zivile Lockvogeleinsätze nicht anders zu bewerkstelligen.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sieht das allerdings ganz anders. „Um so schlimmer, wenn das ständig passiert“, sagt GdP-Landesvorsitzender Josef Schneider. Er bezeichnete diese Praxis als „Sauerei“, die Konsequenzen nach sich ziehen sollte. Schneider: „Wir müssen die Taktik ändern. Erst in Zivil, dann in Uniform: Das darf nicht sein.“
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