NSU ProzessFür mich keine Überraschung
Vor mir liegt der Prozessbericht von Annette Ramelsberger.
Das darin beschriebene Aussageverhalten des ursprünglich als Hauptbelastungszeugen vorgesehenen Zeugen Carsten S. war für die Vertreter der Anklagebehörde eine herbe Enttäuschung. Er schildert ein Zusammentreffen mit dem Zwickauer Trio, aus welchem unzweideutig hervor geht, dass Beate Zschäpe,
eben nicht wie die Staatsanwaltschaft behauptet, in alle Aktivitäten der beiden Uwes eingeweiht war.
Und nicht nur das, Sie durfte offensichtlich von etwaigen strafrechtlich relevanten Aktionen, die über die notwendigen Maßnahmen zur Aufrechterhaltung des Lebens in der Illegalität hinaus gingen, nichts wissen.
Beate Zschäpe wird von ihm eindeutig vom Verdacht der Mitwisserschaft und der daraus abgeleiteten Mittäterschaft entlastet. Für die Prozessbeobachterin Annette Ramelsberger kam die Entlastung der Hauptangeklagten durch den Kronzeugen Carsten S. „überraschend.“ Für mich nicht.
(Siehe meinen Aufsatz „Das zu erwartende Aussageverhalten der Belastungszeugen“)
Welcher Beweiswert seiner Aussage insgesamt zugebilligt werden kann, wird sich vielleicht noch erweisen, wenn es darum geht, zu ergründen, von wem er die Ceska mirabilis erhalten hat? Und ob am Ende bewiesen werden kann, ob er überhaupt jemals eine Pistole in der Hand gehalten hat? Vermutlich wird er spätestens bei diesem Beweisthema zu mauern beginnen.
Das Gericht wird sich natürlich weigern, die eindeutige Entlastung der Beate Zschäpe zum Anlass zu nehmen, sie sofort aus der Haft zu entlassen, wie es geboten wäre. Doch am Ende wird man die entlastenden Bekundungen des Zeugen Carsten S. nicht ignorieren können.
Im Gegensatz zu Beate Zschäpe soll der Zeuge aber den Angeklagten Ralf Wohlleben schwer belastet haben.
Das sehe ich nicht so.
Und zwar deshalb nicht, weil die Aussage in sich nicht schlüssig und somit auch nicht glaubwürdig ist.
Carsten S. will ein Telefongespräch mit gehört oder geschildert bekommen haben, das zwischen Wohlleben und dem NSU geführt worden sein soll. Wer am anderen Ende der Leitung gewesen sein soll, hat er nicht gesagt.
Die Aussage ist deshalb nicht schlüssig, weil S. in seiner ersten gerichtlichen Einvernahme gesagt hat, er sei von Wohlleben beauftragt worden, eine Waffe für das Trio zu besorgen und sei auch mit der Überbringung beauftragt worden,
weil Wohlleben davon ausging, behördlich genau überwacht zu werden.
Und dann soll Wohlleben so einfach mit Angehörigen der NSU-Zelle per Telefon in Kontakt getreten sein? Und noch dazu schwere Straftaten telefonisch erörtert haben?
Das kann nur glauben, wer es partout glauben will.