VERHINDERTER NEONAZI-ANSCHLAG
Oktoberfest unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen
Nach dem vereitelten Anschlag von Neonazis auf das jüdische Zentrum in München werden auch beim Oktoberfest die Sicherheitsvorkehrungen stark erhöht. Nach Informationen der Bundesanwaltschaft planten die festgenommenen Rechtsradikalen möglicherweise mehrere Anschläge.
Neonazi-Szene: Sprengstoff-Fund in München
Frankfurt am Main/München - Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) kündigte am Freitag an, das Oktoberfest werde "auf höchstem Sicherheitsniveau" stattfinden. Die Video-Überwachung werde stark verschärft. 1980 hatte ein Neonazi auf dem Volksfest einen Bombenanschlag verübt, bei dem 13 Menschen starben. Die "Wiesn" beginnt am 21. September. Zuvor hatte die Sprecherin des Generalbundesanwalts in Karlsruhe, Frauke-Katrin Scheuten, erklärt: "Es gibt Hinweise, dass die Beschuldigten verschiedene Anschlagsziele im Visier hatten." Sie bestätigte auch den Verdacht, wonach die Gruppe ein Attentat am 9. November auf das neue jüdische Gemeindezentrum in München geplant hatte.
Bundesinnenminister Otto Schily sagte, der vereitelte Anschlag zeige, dass von Rechtsextremisten weiterhin Bedrohung ausgehe. "Ich sehe mich in meiner Einschätzung bestätigt, dass wir die Gefahr aus dem rechtsextremistischen Bereich äußerst ernst nehmen müssen." Gleichzeitig warnte er, aus den Anschlagsplänen ein "subjektives Bedrohungsgefühl" entstehen zu lassen. Zu Spekulationen, es hätte auch einen Anschlag auf das Münchner Oktoberfest geben können, wies Schily zurück. Nach seiner Kenntnis habe es keine Planungen in dieser Richtung gegeben.
Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde, Charlotte Knobloch, sagte, ihr sei von verlässlichen Quellen bestätigt worden, dass der für den 9. November geplante und vereitelte Anschlag Menschen gelten sollte. "Es sollten keine Gebäude oder die Baustelle getroffen werden, sondern Menschen", sagte Knobloch in München. Auch Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) sagte: "Der Anschlag sollte allen gelten, die sich für Toleranz einsetzen." Knobloch räumte jedoch ein, dass sie bisher keine Bestätigung von Generalbundesanwalt Kay Nehm habe. In einem Telefonat habe der Chefermittler betont, es sei bislang nicht klar, wie der Anschlag auf das jüdische Gemeindezentrum genau ablaufen sollte.
Bayerns Innenminister Günther Beckstein hatte in der ZDF-Sendung "heute nacht" bestätigt, dass Neonazis einen Anschlag auf die Baustelle der neuen Münchner Hauptsynagoge geplant haben. Diese Erkenntnis habe sich unter anderem aus der Menge an Sprengstoff und Waffen ergeben, die man bei den tatverdächtigen Mitgliedern der rechtsextremen Gruppierung "Kameradschaft Süd" gefunden habe.
Zu der Grundsteinlegung, die am 9. November stattfinden sollte, wurde auch Bundespräsident Johannes Rau erwartet. Als weitere Gäste waren auch der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber und Oberbürgermeister Ude geladen. Ob es bei dem geplanten Termin bleibt, ist nach Angaben einer Sprecherin der Jüdischen Kultusgemeinde München derzeit ungewiss. Dass Generalbundesanwalt Kay Nehm die Ermittlungen auf das Polizeipräsidium München übertragen habe, begrüßte Beckstein. Dies belege dessen "hohes Vertrauen" in die Arbeit der bayerischen Sicherheitsbehörden.
Die Münchner Polizei hatte bei einer Razzia insgesamt fast 14 Kilogramm Sprengstoff - darunter 1,7, Kilogramm TNT - gefunden. Für eine Explosion hätte die Sprengmasse nur noch mit einem Zünder versehen werden müssen. Die festgenommenen Neonazis gruppieren sich nach Polizeiangaben um den zuletzt in München lebenden Martin Wiese. Gegen den 27-jährigen Führer der rechtsextremen "Kameradschaft Süd" und drei weitere Männer aus München wurde wegen Verdachts der Vorbereitung eines Sprengstoffverbrechens Haftbefehl erlassen. In Wieses Wohnung stellte die Polizei zwei Pistolen, Sturmhauben und Propagandamaterial sicher. Der aus Mecklenburg-Vorpommern stammende Neonazi habe möglicherweise noch einen Sprengstoffexperten gesucht, hieß es in Ermittlerkreisen.
Jüdin Knobloch: