Ein Artikel des großartigen Rainer Rupp alias "Topas"!!
Datteln lügen nicht
Berichte über mysteriöse Umstände der Festnahme Saddams in Irak mehren sich
Die Gefangennahme Saddam Husseins sei nur eine weitere Inszenierung der Bush-Regierung gewesen, behauptete am Mittwoch der demokratische US-Kongreßabgeordnete Jim McDermott. McDermott hatte bereits im letzten Jahr Präsident Bush vorgeworfen, um seinen Krieg gegen Irak zu rechtfertigen, sei er auch bereit, das amerikanische Volk zu belügen. Da sich jede Behauptung der Bush-Regierung über irakische Massenvernichtungswaffen inzwischen als Lüge und/oder Inszenierung herausgestellt habe, vermutet der kämpferische Congressman McDermott auch hinter der Festnahme Saddam Husseins nur eine weitere Manipulation. Die Bush-Regierung habe schon lange gewußt, wo sich Saddam befand, aber mit dem Zugriff gewartet, um maximales Kapital daraus zu schlagen.
In den letzten Wochen war es für Bush innenpolitisch immer enger geworden. Nicht nur der demokratische Präsidentschaftskandidat Howard Dean wirft Bush inzwischen vor, über die Terrorangriffe am 11. September im voraus Bescheid gewußt zu haben, auch der Vorsitzende der vom US-Kongreß eingesetzten Unabhängigen Kommission zur Untersuchung des 11. September, Thomas Kean, erklärte am Mittwoch öffentlich, daß die Terrorangriffe hätten verhindert werden können. Aus dem Bericht der Kommission ginge »ziemlich deutlich hervor«, was von der Bush-Regierung »nicht getan wurde und was hätte getan werden sollen«, formulierte Kean seine scharfe Anklage in Richtung des Präsidenten. Kean ist ehemaliger Gouverneur von New Jersey und selbst ein politisches Schwergewicht der Republikaner. Seine Vorwürfe können daher nicht als parteipolitische Stimmungsmache im beginnenden Wahlkampf abgetan werden. Für die im kommenden Monat angesetzten öffentlichen Anhörungen im Kongreß hat Kean »bedeutende Enthüllungen« versprochen, die auf die Bush-Regierung zurückfallen würden.
Von den bisher schwersten Vorwürfen gegen Bush durch einen republikanischen Parteifreund haben die Einwohner der USA bisher wenig erfahren. Die Schlagzeilen der Medien wurden weiterhin von der Gefangennahme Saddam Husseins und deren Auswirkungen bestimmt. Der Vorwurf McDermotts, bei der Gefangennahme handele es sich um eine politische Inszenierung, kann daher nicht einfach als »pure Phantasie« (so Bush-Freund und Kongreßabgeordneter Dicks) beiseite geschoben werden. Tatsache ist, daß unter der Bush-Administration nichts so ist, wie es sich dem Auge darstellt. Von der erfundenen Kriegsheldin Jessica Lynch über Bushs Landung auf einem Flugzeugträger am 1. Mai zur Verkündung des »Kriegsendes« bis hin zum falschen Truthahn beim Erntedankfest in Bagdad, als der US-Präsident breit grinsend eine »perfekt gebratene« Truthahnattrappe in die TV-Kameras hielt. Es scheint jedenfalls nicht verwunderlich, daß bei soviel Glaubwürdigkeit des Oberkommandierenden der US-Armee die Spekulationen ins Kraut schießen.
So behauptete z. B. eine pakistanische Zeitung am Dienstag, daß Saddam Hussein den Amerikanern bereits am 20. November ins Netz gegangen sei. Präsident Bush habe seine Beute bei seinem Besuch in Bagdad am 27. November inspiziert, nachdem Hussein am 23. November einen Selbstmordversuch unternommen habe. Zweifel über den Zeitpunkt der Verhaftung von Saddam Hussein wollen sich auch in der irakischen Bevölkerung nicht legen. Durch die von den US-Besatzern verbreiteten Bilder werden sie zusätzlich genährt. Auf Aufnahmen, die US-Soldaten vor dem Erdloch zeigen, in dem sich Saddam Hussein verborgen gehalten haben soll, hängt an einer Palme gut sichtbar eine große Traube Datteln. Die Dattelernte sei jedoch im Dezember längst vorbei, heißt es in Bagdad. »Vielleicht haben sie Saddam schon seit August dort in dem Loch gefangen gehalten«, wird – laut Bericht der jW-Korrespondentin in der irakischen Hauptstadt – jetzt spekuliert. Ebenfalls am Dienstag berichtete eine Zeitung aus Katar, daß der israelische Ministerpräsident Scharon heimlich nach Bagdad gekommen sei, um dort Saddam Hussein zu sehen.
Alles Märchen aus Tausend-und-einer-Nacht? Selbst die kühl kalkulierende ehemalige US-Außenministerin Madeleine Albright traut der Bush-Regierung noch mehr Zynismus zu, als ihr selbst nachgesagt wird. In einem Fernsehinterview auf Fox News Channel behauptete sie am Mittwoch, daß Präsident Bush genau wisse, wo sich Osama bin Laden versteckt, und mit dem Zugriff auf den politisch richtigen Moment – kurz vor den Wahlen – warte. Laut einer repräsentativen Umfrage unmittelbar nach der Gefangennahme Saddams hat sich die Zustimmungsrate der amerikanischen Bevölkerung zu Präsident Bush nach einer Periode kontinuierlichen Absinkens von 52 Prozent sprunghaft auf 58 Prozent verbessert. Waren es vor der Festnahme Saddams noch 47 Prozent der Amerikaner, welche die Außenpolitik Bushs ablehnten – das bisher schlechteste Ergebnis in Bushs Amtszeit – so waren es danach nur noch 38 Prozent.
Am Mittwoch erklärte Präsident Bush im US-Fernsehen zu Bin Laden: »Wir sind ihm auf der Spur.«