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Thema: Mythos Lohnnebenkosten

  1. #1
    Keynesianer Benutzerbild von Kalmit
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    Mythos Lohnnebenkosten

    Ver.di hat einmal nachgerechnet was eine Verringerung der Sozialversicherungsbeiträge um 10 (!) Prozent brächte: Bei Kosten für eine Handwerkerstunde von 43 Euro spart der Arbeitgeber gerade mal 60 Cent . (WL)

    „Zu hohe Lohnnebenkosten sind schuld an der hohen Arbeitslosigkeit“, „die Massenarbeitslosigkeit ist entstanden, weil der Sozialstaat zu teuer ist“, „die Deutschen sind sich gegenseitig zu teuer geworden, deswegen können sie sich keinen Handwerker mehr leisten“, „die deutsche Krankheit sind die zu hohen Sozialkosten“, solche oder ähnlich Sätze werden uns von den Sinns, den Miegels, den Dettlings, von den Sachverständigen und von Politikern täglich vorgebetet. Keiner dieser Vorkämpfer für eine Senkung der Lohnnebenkosten und damit für eine Privatisierung der Sozialsysteme nennt dabei Fakten und sagt, dass z.B. bei der Volkswagen AG der Personalaufwand etwa 17% des Gesamtaufwendungen des Konzerns ausmacht und dieser teilt sich auf in 14% Löhne und Gehälter und 3% Sozialabgaben. Siehe Denkfehler 22: "Die Lohnnebenkosten sind zu hoch".

    Keiner dieser Ayatholas schaut einmal in die Unternehmensstatistik der Deutschen Bundesbank, danach belief sich im Jahr 2001 der Personalaufwand (Löhne, Gehälter, soziale Abgaben und freiwillige soziale Aufwendungen) aller deutscher Unternehmen, also aller Kapitalgesellschaften, Personengesellschaften und Einzelunternehmen, auf 17,4 Prozent des Umsatzes dieser Unternehmen. Selbst wenn man einmal unterstellt, dass - maximal gerechnet - 20 Prozent der Löhne und Gehälter als Sozialbeiträge gezahlt werden, dann entspricht das – hoch gegriffen - einer Umsatzquote von etwa 3,5 Prozent. (Die anderen rd. 20 Prozent Sozialabgaben zahlen ja die Arbeitnehmer selbst.) Gelänge es tatsächlich, diesen Beitragsanteil der Unternehmen zu den Sozialabgaben von 20 Prozent auf 18 Prozent, also um zwei Prozentpunkte zu reduzieren, was schon eine stolze reformerische Leistung wäre, dann schlüge das mit 0,35 Prozentpunkten des Umsatzes bzw. der Kostenrechnung zu Buche, was also makroökonomisch kaum mehr messbar wäre. Siehe Kritisches Tagebuch vom 19.04.2005.

    Keiner der Hohepriester für die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit durch Senkung der Lohnnebenkosten begründet, warum etwa die Aufwertung des Dollars gegenüber dem Euro um bis zu 30% die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft offenbar weniger tangiert als dies der relativ kleine Kostenfaktor Sozialabgaben angeblich tut.

    Keiner spricht darüber, dass die Sozialkosten vor allem auch deshalb „unbezahlbar“ geworden sind, weil mit der deutschen Einheit versicherungsfremde Leistungen in dreistelliger Milliardenhöhe aus den Sozialkassen finanziert wurden. (Das DIW hat dafür seit der Einigung einen Betrag von über 300 Milliarden Euro addiert.)

    Keiner findet es der Erwähnung wert, dass die Lohnnebenkosten, genauer die Beiträge für die sozialen Sicherungssysteme vor allem auch deshalb angestiegen sind, weil die Zahl der Beitragszahler durch Arbeitslosigkeit und die Leistungsfähigkeit der Beitragspflichtigen (also die Beitragssätze) durch Lohnsenkungen (oder zu gering ansteigende Löhne), durch Billig- und Niedrigstlohn-Jobs gesunken ist.

    Keiner stellt die Erwägung an, dass ja mit der Abschaffung der paritätischen Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme, die Kosten der sozialen Sicherung ja nicht automatisch gesenkt würden, sondern künftig nur komplett aus dem Netto-Einkommen der Beschäftigten finanziert werden müssten und dadurch für die Binnennachfrage noch weiter geschwächt würde. Dass die Sozialkosten sogar eher steigen dürften, wenn die davon entlastete Arbeitgeberseite kein (politisches und wirtschaftliches) Interesse mehr an Kostendämpfung hätte, bleibt völlig außer Betracht.

    Fast alle aber halten wiederum eine Erhöhung der Mehrwertsteuer für einen möglichen Weg, die Sozialkosten statt über Lohnnebenkosten aus dem allgemeinen Steueraufkommen zu finanzieren. Übersehen wird dabei allerdings, dass die Mehrwertsteuer genauso wie die Lohnnebenkosten in die Kosten für eine Handwerkerstunde beim Verbraucher eingeht. Was die Arbeitgeber also bei den Lohnnebenkosten einsparen, muss gegebenenfalls bei einer Erhöhung der Mehrwertsteuer zu den Kosten einer Handwerkerstunde wieder als Steueranteil hinzugerechnet werden.

    Was unsere heiligen Krieger gegen den Sozialstaat geflissentlich verschweigen, ist, dass sich an der Gesamtbelastung überhaupt nichts ändert. Wenn man Sozialbeiträge durch Steuern finanziert, verschiebt man nur etwas innerhalb dieser Abgabenquoten. Die Frage ist dann nur zu wessen Lasten oder zu wessen Gunsten man die Gesamtbelastung verschiebt. Bei einer ständig weitergehenden Senkung der Unternehmensbesteuerung und der Spitzensteuersätze und bei einer Verschiebung der Steuerlast auf die indirekten Steuern ist ziemlich klar, auf wen die Belastung verschoben wird: Auf den Konsumenten und vor allem auf diejenigen, bei denen der größte Teil des Einkommens in den Konsum geht – auf die kleinen Einkommensbezieher eben.

    Das alles verbirgt sich hinter dem Mythos der Lohnnebenkosten, wenn er denn entzaubert würde.

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  2. #2
    Last Line Of Defense Benutzerbild von sunbeam
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    Daumen hoch!

    Zitat Zitat von Modena 360
    Der Autor des Beitrages scheint davon auszugehen, daß »Sozial«beiträge ein Naturgesetz seien. Dem ist mitnichten so.

    Unser »Sozial«system ist schlicht und ergreifend nicht mehr finanzierbar. Deswegen muß es abgeschafft werden.

    Wer etwas haben will, soll es sich erarbeiten. Was könnte daran falsch sein?
    Korrekt! Vollkaskomentalität eben!
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  3. #3
    Keynesianer Benutzerbild von Kalmit
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    ...neoliberales modena360-BLABLABLA..., anstatt auf die Argumente des Verfassers einzugehen :rolleyes: Aber so schnell wie die Reaktion kam, kann man den Artikel kaum gelesen haben...
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  4. #4
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    Standard Beitrag gelöscht

    ....

  5. #5
    Keynesianer Benutzerbild von Kalmit
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    Der Autor geht halt zurecht davon aus, dass asoziale, neoliberale Menschen wie du deutlich in der Minderheit sind - der Überwiegende Teil der Bevölkerung will den Erhalt des Sozialstaats - und nur wenige wie du fordern dessen vollständige Abschaffung! Da musst du dich halt mit abfinden oder auswandern...
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  6. #6
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    Daumen runter!

    Zitat Zitat von Kalmit
    Der Autor geht halt zurecht davon aus, dass asoziale, neoliberale Menschen wie du deutlich in der Minderheit sind - der Überwiegende Teil der Bevölkerung will den Erhalt des Sozialstaats - und nur wenige wie du fordern dessen vollständige Abschaffung! Da musst du dich halt mit abfinden oder auswandern...

    Die Menschen wollen für ihre ehrliche, gute Arbeit einen vernünftigen Verdienst, den Begriff Sozialstaat als Argument zu bringen, ist schwach.

  7. #7
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    Hätte deutsche Betonlinke wie der Autor des Eingangsartikels nicht in den letzten 20 Jahren eine Reform des Sozialstaates verhindert, hätten wir heute vielleicht eine um 5% geringere Arbeitslosenquote und der Sozialstaat würde nicht so scharf attackiert.

    Keiner dieser Vorkämpfer für eine Senkung der Lohnnebenkosten und damit für eine Privatisierung der Sozialsysteme nennt dabei Fakten und sagt, dass z.B. bei der Volkswagen AG der Personalaufwand etwa 17% des Gesamtaufwendungen des Konzerns ausmacht und dieser teilt sich auf in 14% Löhne und Gehälter und 3% Sozialabgaben.
    Es ist vollkommen egal, welchen Anteil der Personalaufwand an den Gesamtausgaben des Arbeitgebers hat. Für die konkrete Frage, ob ich eine bestimmte Arbeit 1. von einem deutschen Arbeitnehmer, 2. von einer Maschine oder 3. von einem ausländischen Arbeitnehmer erledigen lasse, spielt das keine Rolle, sondern die Kostendifferenz zwischen diesen Optionen.

    Wenn die Sozialabgaben wie in dem Beispiel 17,6% der gesamten Lohnkosten für den Arbeitgeber ausmachen, dann ist das nicht wenig. Es geht ja auch nicht um eine leichte Senkung, es geht um eine komplette Abschaffung und stattdessen um eine Steuerfinanzierung der Sozialsysteme.

    Das "Gegenargument", daß dadurch die Kosten dieser nicht sinken würden, ist so dümmlich-dreist, daß es schwer fällt, darauf einzugehen: Es geht schlicht darum, daß die Finanzierung der Sozialsysteme nicht mehr die Schaffung von Arbeitsplätzen verhindert!!!!! Würden sie nämlich aus Steuern statt durch Abgaben finanziert, könnte der Arbeitgeber durch die Optionen 2 und 3 gegenüber 1 keine 17,6% Kosten mehr sparen.

  8. #8
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    Ebenfalls dreist und zum Kotzen ist diese alte Leier, daß die Mehrwertsteuer ja so ungerecht "gegen die kleinen Leute" sei. Warum haben dann die Supersozialstaaten Skandinaviens die höchste Mehrwertsteuer weltweit, verdammt nochmal!? Aber die dumpfdeutschen Linken können es ja besser, nicht wahr!?

    Reiche, die viel konsumieren, zahlen mehr MwSt als Arme. Besser noch: MwSt wird in gleicher Höhe auch von Leuten gezahlt, die von Kapitaleinkünften leben, ebenso wie von organisierten Kriminellen.

  9. #9
    Demokrat Benutzerbild von StH
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    Zitat Zitat von Dude
    Die Menschen wollen für ihre ehrliche, gute Arbeit einen vernünftigen Verdienst, den Begriff Sozialstaat als Argument zu bringen, ist schwach.
    Eben, gute Arbeit muß gut bezahlt werden. Und eben das ist nicht mehr gewährleistet, im neoliberalen Die-Arbeit-ist-zu-teuer-Wahn wird seit Jahren, Jahrzehnten Lohnzurückhaltung gepredigt, inzwischen sind wir bei Lohnsenkungen angekommen, gearbeitet wird mehr, die Gewinne steigen einseitig, mit dem Ergebnis, daß einige wenige auf Kosten der Allgemeinheit immer reicher werden. Hier liegt ein eindeutiges Mißverhältnis vor, dem abgeholfen werden muß.
    "Es ist ein Unglück, daß die SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands heißt. Hieße sie (...) Reformistische Partei oder Partei des kleineren Übels oder Hier können Familien Kaffee kochen oder so etwas - vielen Arbeitern hätte der neue Name die Augen geöffnet, und sie wären dahingegangen, wohin sie gehören: zu einer Arbeiterpartei. So aber macht der Laden seine schlechten Geschäfte unter einem ehemals guten Namen."

    Kurt Tucholsky

  10. #10
    Polemiker Benutzerbild von mate
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    man könnte glauben je mehr sich ein mensch aufregt, umso konservativer ist seine politische einstellung.

    moloch, ich weiss nicht, ob du die argumente nicht richtig gelesen, oder sie einfach nicht verstanden hast. in obigem artikel heisst es, dass höhere mehrwertsteuer die aufwendungen der unternehmer erhöht und nicht, dass sie unsozial ist.

    der ferrari kapitalist sollte sich mal überlegen, was mit seinem blinden kind, seiner verunglückten oma oder seinem verrückten bruder wäre, wenn es keinen sozialstaat gäbe? mit ehrlicher guter arbeit in sitte und tradition ausgeführt dürftest du sie alle drei versorgen und es würde dir keiner helfen, auch wenn es nur 0,35% des Umsatzes kosten würde.

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