Schweiz
"Heiraten verboten" für Menschen ohne Bleiberecht

Heiraten ist in der Schweiz künftig nicht mehr allen binationalen Paaren erlaubt - Großbritannien wegen ähnlicher Bestimmung verurteilt

Mit Jahreswechsel gelten in der Schweiz noch strengere Regeln fürs Heiraten von Zugewanderten: Wer kein Bleiberecht vorweisen kann, darf keine Ehe mehr eingehen.

Schon bisher unterlagen Immigranten aus Nicht-EWR-Staaten dem Generalverdacht, eine Scheinehe zu schließen. In Hinkunft werden nur jene heiraten dürfen, die über gültige Aufenthaltspapiere verfügen. Kann jemand nicht beweisen, dass er oder sie sich legal in der Schweiz aufhält, muss das Standesamt die Trauung verweigern - und die Identität des oder der Betroffenen der zuständigen Einwanderungsbehörde melden. Außerdem erhalten Standesbeamte Zugang zum Zentralen Migrationsinformationssystem (ZEMIS), können sich also über alle Einwanderungs-Details der ehewilligen Person informieren.

Scheinehe-Verdacht

Laut Verfassungsjuristen widerspricht das Gesetz sowohl dem Artikel 12 der Europäischen Menschenrechtskonvention, der das Recht auf freie Eheschließung festschreibt, als auch der Schweizerischen Verfassung. Die Standesämter dürften demnach nur im Einzelfall prüfen, ob der Verdacht einer Scheinehe vorliege, aber nicht bestimmte Gruppen pauschal von der Ehe ausschließen.

Derartige Einzelfallprüfungen gibt es bereits. Seit Anfang 2008 werden Standesbeamte angehalten, Eheschließungen zu verweigern, "wenn die Braut oder der Bräutigam offensichtlich keine Lebensgemeinschaft begründen" und durch die Heirat geltende Einwanderungsgesetze zu umgehen versuchen.

Großbritannien muss zahlen

Angesichts der Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) wird abzuwarten sein, ob das Gesetz längerfristig halten wird. Großbritannien wurde am 14. Dezember verurteilt, weil einem nigerianischen Zuwanderer zwei Jahre lang die Eheschließung mit seiner nordirischen Partnerin verweigert worden war. Das Königreich müsse der betreffenden Familie 24.500 Euro an Schadensersatz zahlen, weil das Recht auf freie Eheschließung und das Recht auf Schutz vor Diskriminierung verletzt worden seien, stellten die EGMR-Richter fest.

In Großbritannien müssen sich Menschen ohne Bleiberechts-Titel ein sogenanntes "Certificate of Approval" besorgen, um eine Ehe eingehen zu können. Dem klagenden, nunmehr verheirateten Paar wurde das Zertifikat jedoch mit der Begründung verweigert, der Ehemann verfüge über keinen ausreichenden Aufenthaltsstatus, da sein Visum mit November 2011 befristet sei.

Gesetz wird geändert

Das sei klar menschenrechtswidrig, urteilte der EGMR: Der Staat habe jeden Einzelfall zu prüfen, und nicht pauschal die Ehebefugnis vom Aufenthaltstitel abhängig zu machen, heißt es in der Begründung der Entscheidung. Großbritannien wird das Gesetz nun abändern, Betroffene müssen künftig kein Zertifikat mehr einholen.

Das Schweizerische Gesetz wurde hingegen vom Bundesrat endgültig abgesegnet, es tritt mit Jahresbeginn 2011 nach langer Debatte in Kraft. Die Rechtsänderung geht auf eine Initiative des Präsidenten der Schweizerischen Volkspartei (SVP), Toni Brunner, im Nationalrat zurück. (mas, derStandard.at, 27.12.2010)

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