hier ein sehr aufschlußreiches interview über die kommunistische diktatur in china:


"Die KP bereitet einen Krieg gegen Taiwan vor"
Dissident Wei Jingsheng warnt vor der Gefahr durch Peking

Wei Jingsheng, 55, wurde 1978 bekannt, als er in einer Wandzeitung in Peking Demokratie forderte. Insgesamt saß er 17 Jahre in Gefängnissen und Arbeitslagern. Seit 1997 lebt er in den USA

Berlin - Regelmäßig vor dem 4. Juni häufen sich in China Festnahmen von Regimekritikern, Intellektuellen und Journalisten. Gestern wurde bekannt, daß die Staatssicherheit einen Wissenschaftler der Chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften, den Soziologen Lu Jianhua, und den Assistenten des Verwaltungsdirektors der Akademie, Chen Hui, festnahm, offenbar wegen Geheimnisverrats. Vor kurzem wurde der Journalist China Cheong aus Singapur festgenommen. Das zeigt, daß sich die Kommunistische Partei (KP) weiter schwertut im Umgang mit dem 4. Juni. Vor 16 Jahren beendeten Panzer gewaltsam die Demokratiebewegung auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking. Im Kern habe sich das System nicht geändert, sagt Chinas bekanntester Dissident, Wei Jingsheng, im Gespräch mit Kirstin Wenk.

Berliner Morgenpost: Wie werden Sie den 4. Juni begehen?

Wei Jingsheng: Ich nehme an einer Reihe von Veranstaltungen dazu in Berlin teil. Dieses Jahr ist anders als die vorigen Jahre: Politische Organisationen begehen gemeinsam mit Religionsgemeinschaften und Taiwanern den Jahrestag. Wir haben uns gegen die Unterdrückung durch die KP zusammengeschlossen.

Ist China durch die Reformpolitik demokratischer geworden?

Seit zwei Jahren ist Hu Jintao an der Macht. Vereinfacht gesagt greift er auf Mao Tse-tungs Methoden zurück: mehr Propaganda, strengere Zensur der Medien und stärkere Unterdrückung bürgerlicher Rechte. Das ist ein Rückschritt gegenüber der Zeit von Deng Xiaoping und Jiang Zemin.

Die KP muß doch den Weg der Reformen weitergehen, um das Wirtschaftswachstum zu erhalten.

Hu Jintao will, daß die Wirtschaft wächst, aber er will keine Pluralisierung der Gesellschaft. Natürlich ist beides nicht voneinander zu trennen. Das Volk genießt immer mehr Freiheiten und läßt sich immer weniger gefallen. Deshalb wird das System früher oder später zusammenbrechen. Dafür gibt es bereits viele Anzeichen: immer mehr Aufstände, Demonstrationen und Streiks. Immer weniger Chinesen glauben den Lügen der Partei. Das ist erfreulich.

Aufstände finden häufig auf dem Land statt. Sind die Bauern Motor der Veränderung?

Wer auf politische Veränderungen durch die sogenannte Mittelklasse in den Städten hofft, kann lange warten. Sie umfaßt nur relativ wenige Personen. Die Partei würde nie erlauben, daß sie eine unabhängige Basis erringt. Ferner geht es diesen Leuten eher gut. Sie verlangen gar nicht nach Veränderung. Das gilt für Unternehmer wie für Intellektuelle. Die Partei hat die meisten von ihnen gekauft.

Können politische Reformen von der Partei ausgehen?

Die innerparteilichen Widersprüche wachsen. Jene, die mehr Liberalisierung fordern, sind leider in der Minderheit. Anders als bei der Demokratiebewegung 1989 hofft heute kaum noch jemand in China auf politische Reformen durch die Partei. Als Mittel, um von den Problemen in der Partei und im Land abzulenken, könnte die KP sogar einen Krieg beginnen.

Krieg mit wem?

Mit Taiwan natürlich. Seit Jahren bereitet die KP die Voraussetzungen für einen solchen Krieg vor. Dazu zählt, die Allianz zwischen Europa und den USA zu zerstören. China will nicht, daß Europa sich einmischt, wenn die USA Taiwan verteidigen. Der Irak-Krieg, den viele Europäer nicht mittrugen, bietet dafür eine günstige Gelegenheit. Hu Jintao versucht das auszunutzen. Deshalb will China, daß die EU das Waffenembargo aufhebt, um so die USA zu verärgern. China braucht die europäischen Waffen nicht. Sie haben genug aus Rußland. Pekings tatsächliches Ziel ist es, den atlantischen Graben zu vertiefen.

Überschätzen Sie nicht die Gefahr durch die KP?

Nein, die KP und ihre Gefährlichkeit werden völlig unterschätzt.
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