"Zehn Tage nach der Pilling-Mail, am 4. April 2006, wurde der 39-jährige Mehmet Kubasik in seinem Kiosk in Dortmund erschossen. Zwölf Tage später, am 6. April, Halit Yozgat in seinem Internet-Café in Kassel. An jenem Tag telefonierte V-Mannführer Temme zwei Mal mit seinem V-Mann Benjamin Gärtner alias „Gemüse“. Der hatte ihn zunächst für einen kurzen Austausch kontaktiert. Länger unterhielt man sich am Nachmittag, 50 Minuten vor dem Mord. Worüber? Wozu taugten die Mitteilungen? Bei der Vernehmung im Bundeskriminalamt erinnerte sich Temme nicht an das Gespräch. Im Ausschuss des Bundestages tat er dies. Es ist das Glatteis, auf das gerät, wer sporadisch lügt. Oder willkürlich „vergisst“.
Mit Gärtner, behaupten die Nebenkläger, soll Temme jeweils telefoniert haben, als am 8.6.2005 in Nürnberg und am 14.6.2005 in München zwei Morde an Migranten begangen wurden. Es waren, so schrieb die „Welt am Sonntag“, „die Nummern 6 und 7 der Mordserie, und jedes Mal sei der V-Mann Gärtner zur Tatzeit in der Stadt“ gewesen, in der der Mord verübt wurde."
http://archiv.faustkultur.de/2192-0-...l#.Y11b0ENByUk
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Die Nebenkläger wollen beweisen, dass der Geheimdienstbeamte Temme nicht zufällig am Tatort war, sondern bereits vor dem Mord „konkrete Kenntnisse von der geplanten Tat, der Tatzeit, dem Tatopfer und den Tätern hatte“. Nicht nur das: „Sie wollen anhand abgehörter Telefonate belegen, dass der Hessische Verfassungsschutz davon gewusst hat und alles tat, die Polizei bei ihren Ermittlungen zu behindern und abzulenken“, schreibt Die Welt.
Der wichtigste Beweis dafür sei ein Telefonat von Temme mit dem ihn betreuenden Geheimschutzbeauftragten des Verfassungsschutzes Hess. Dieser soll zu Temme wörtlich gesagt haben: „Ich sage ja jedem: Wenn er weiß, dass irgendwo so was passiert, bitte nicht vorbeifahren.“
Im Beweisantrag der Anwälte heißt es dazu: „Es besteht also Konsens zwischen den Telefonierenden, dass Temme schon vor der Tat wusste, ‚dass ... so etwas passiert‘ und entgegen den Anweisungen trotzdem ‚vorbeigefahren‘ ist. Diese Äußerung des Zeugen Hess bleibt durch den Beschuldigten Temme unwidersprochen.“
Dann habe Hess dem Kollegen Temme einen guten Rat gegeben: „So nah wie möglich an der Wahrheit bleiben.“ Wohlgemerkt: Nicht die ganze Wahrheit sagen. Anschließend habe er ihn auch noch auf Fragen der Ermittler vorbereitet. Er solle „sich noch mal überlegen“, wann er von der NSU-Mordserie erfahren habe.
Einem anderen Kollegen aus dem Geheimdienst versicherte Temme: „Wenn der ganze Spaß rum ist, dann kann ich dir das mal erzählen, das ist am Telefon ein bisschen schlecht. Auch wegen dem ganzen anderen Drumrum, von wegen, dass ja auch niemand außerhalb auch nur irgendwas darüber erfahren darf.“
Was verheimlichen Temme und der Verfassungsschutz? Aus den Ermittlungsakten, die jetzt erst von den Nebenklägern ausgewertet werden konnten, ergibt sich eine außerordentlich große Nähe von Temmes V-Mann mit den NSU-Morden. Dieser Kontaktmann in der rechten Szene war ein Skinhead namens Benjamin Gärtner. Er hatte Kontakte zu Neonazis in Ostdeutschland, in Dortmund, Kassel und natürlich Heilbronn.
Am Tag des Mordes an Halil Yozgat telefonierte Temme mit Gärtner zweimal, das letzte Mal nur eine Stunde vor dem Mord, was Temme gegenüber der Polizei 2006 verschwieg. Ein Alibi hat Gärtner für die Tatzeit nicht. Die Ermittler fanden anhand von Temmes Kalender und Telefondaten auch heraus, dass er auch an zwei weiteren Mordtagen mit Gärtner telefoniert hatte: am 9. Juni 2005 in Nürnberg und sechs Tage später in München.