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München. Gehen sie davon aus, dass mir Erkenntnisse vorliegen, dass es nicht so war . . . Ist diese Bemerkung Rechtsanwalt Wolfgang Stahl nur herausgerutscht oder wollte er das so sagen? Der Verteidiger von Beate Zschäpe wirft diesen Satz verärgert Bundesanwalt Herbert Diemer hin.
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Dieser hatte Stahl am Mittwochvormittag im Münchner NSU-Prozess bei der Befragung eines Zeugen unterbrochen. Diemer war dazwischen gegangen, weil er die Fragen des Anwalts für unzulässig hält.Er wiederhole bereits vom Vorsitzenden Richter Manfred Götzl gestellte Fragen, so sein Vorwurf. Das wäre tatsächlich unzulässig.
Stahl aber erklärt, dass er weitere Details erfragen wollte. Die Situation im Gericht wirkte bis dahin eher entspannt. Ein 27-jähriger Experte für Bootsmotoren aus der Gegend des sächsischen Zwickaus schildert, wie im März 2011 bei ihm von einem Pärchen ein kleiner Motor angeliefert wurde. Der Zeuge erinnert sich an das Auto, einen Kompaktwagen, an den Motor, weil dieser nicht so häufig repariert werde und an die Frau: Es soll Beate Zschäpe gewesen sein.Und genau das interessiert den Verteidiger. Wie sei der Zeuge darauf gekommen.
Letztlich will Stahl wissen, ob der 27-Jährige womöglich erst von der Polizei drauf gebracht wurde. Der Zeuge selber hat zu Beginn seiner Befragung allerdings gesagt, dass er, nachdem sich die Polizei auch bei ihm gemeldet hatte, unter dem Namen E. im Internet gesucht und tatsächlich ein Foto der Frau gefunden habe, die den defekten Motor vorbei gebracht hatte.
Stahl wollte nun noch einmal genau wissen, wie die Situation in der Werkstatt war, als der reparierte Motor wieder abgeholt wurde. Auf die Fragen des Verteidigers räumt der Zeuge ein, dass er sich nicht mehr daran erinnern könne. Dann erfolgt die Intervention des Bundesanwalts und die Bemerkung von
Stahl, dass ihm Erkenntnisse vorliegen würden, dass es nicht so gewesen sein könnte wie es der Zeuge zuvor geschildert hatte.
Das war das Stichwort für Richter Manfred Götzl. Einen Tag vor seinem 60. Geburtstag sitzt er dem Staatsschutzsenat am Oberlandesgericht genauso vor wie all die Monate seit Mai, seit der NSU-Prozess eröffnet wurde.
Götzl geht dazwischen. "Das sehe ich als Beeinflussung des Zeugen. Bitte fragen sie direkt", blafft er in die Richtung von Wolfgang Stahl. "Ich sehe das als sehr problematische Aussage", fügt er noch an.
Kurz danach wird der Zeuge aus dem Saal geschickt. "Bitte legen sie uns diese Erkenntnisse vor", fordert
Götzl den Verteidiger nun auf. "Es gibt verschiedene Möglichkeiten, an die man denken könnte", fügt der Richter an. "Herr Vorsitzender, sie müssen es mir selber überlassen, wann ich Erkenntnisse vortrage", weist der Verteidiger das Ansinnen zurück. Er weist darauf hin, dass ihm diese Bemerkung "so rausgerutscht" sei, als er unterbrochen wurde. Danach stellt er aber noch klar, dass "die Strafprozessordnung keine Befragung der Verteidigung" vorsehe.
Auch nach 68 Prozesstagen geht es im Oberlandesgericht in München jeden Tag wieder um die Lufthoheit in dem Terrorprozess. Jede Aussage kann für die Angeklagten belastend sein, könnte entscheidend für das Urteil werden. Entsprechend massiv versuchen Verteidiger und Nebenkläger jede Möglichkeit zu nutzen, um Belege für die Schuld oder Unschuld der Angeklagten zu nutzen.
Götzl hat das Verfahren gut im Griff und versucht es straff zu führen. Anwälte, die sich aus seiner Sicht nicht an die Strafprozessordnung halten, werden dann auch schon einmal abgekanzelt. Streit und Debatten um unzulässige Fragen entzünden sich an fast jedem Verhandlungstag. Allerdings wurde der Vorwurf der Zeugenbeeinflussung erstmals so direkt erhoben.
Der Motortechniker hatte vor dieser Auseinandersetzung dem Gericht unter anderem erzählt, dass er sich nach dem Auftritt des Pärchens in seiner Werkstatt mit seinem Kollegen unterhalten habe und sie sich einig waren, die Frau nicht haben zu wollen. Da hatte Götzl nachgehakt, wieso? Es sei so gewesen, dass die Frau alles gesagt hat und der Mann nur wenig zu sagen hatte, erklärt der Zeuge.
Auch bei der Begegnung in der Schiffsmotorwerkstatt soll Beate Zschäpe nach Aussage des Zeugen den Namen E. benutzt haben. Mit André E. gibt es einen Mitangeklagten in diesem Prozess, dem unter anderem Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen wird. Die Bundesanwaltschaft wirft Zschäpe vor, als eine ihrer Tarnidentitäten den Namen der Ehefrau Susann E. verwendet zu haben. Bereits am Montag war das Gericht diesem Vorwurf nachgegangen, weil der Verdacht besteht, dass Zschäpe im Januar 2007 mit diesem Tarnnamen sogar bei der Polizei in Zwickau eine Aussage gemacht hat.
... und das Geburtsdatum nicht wusste und falsch angab. :cool: