Zitat:
DR. THOMA: R-i-e-c-k-e.
Herr Zeuge! Welche Stellung hatten Sie im Wirtschaftsstab Ost und im Ostministerium?
RIECKE: Die beiden Stellen hatte ich auf Anordnung Görings. Ich war Leiter der Geschäftsgruppe »Ernährung und Landwirtschaft«.
DR. THOMA: Welche Aufgaben hatten diese Dienststellen?
RIECKE: Die erste Hauptaufgabe dieser Dienststelle war der Wiederaufbau der russischen Landwirtschaft, die zweite Aufgabe war die Nutzbarmachung der Überschußgebiete des Südens für die Wehrmacht und Ernährung.
DR. THOMA: Welche Stellen waren zur Verwaltung in den besetzten Ostgebieten eingesetzt?
RIECKE: Neben dem Auslands-Ministerium bestanden noch eine Reihe Sonderaufgaben. Sonderaufgabe Göring für die Landwirtschaft, Himmler für die Polizei, Sauckel für die Arbeitskräftebeschaffung.
[645] DR. THOMA: Wem unterstand die Landwirtschaft?
RIECKE: Die Landwirtschaft unterstand mit der gesamten Wirtschaft Göring. Er gab seine Weisungen unmittelbar oder über die Staatssekretäre Körner und Backe.
DR. THOMA: War das Ablieferungs-Soll für die Landwirtschaft höher als das Ablieferungs-Soll während der Sowjetverwaltung?
RIECKE: Das Ablieferungs-Soll war den früheren russischen Ablieferungen angepaßt. Die tatsächliche Ablieferung war im ersten Jahr niedriger als in der russischen Zeit, in den nächsten Jahren bei den Ackererzeugnissen ebenfalls niedriger, bei den tierischen Produkten war sie höher.
DR. THOMA: Waren die tatsächlichen Ablieferungen entsprechend Görings Anordnungen?
RIECKE: Nein, Göring hatte wesentlich höhere Erwartungen.
DR. THOMA: Hat Deutschland landwirtschaftliche Maschinen, Sensen und so weiter in die besetzten Ostgebiete geschafft und in welcher Anzahl?
RIECKE: Es ist ein umfangreiches landwirtschaftliches Maschinenprogramm unter dem Namen Ost-Acker-Programm in Deutschland aufgestellt worden, wobei für Kriegsverhältnisse in erheblichem Umfang landwirtschaftliche Maschinen und Geräte in die besetzten russischen Gebiete geliefert wurden. Die Ursache dafür war die Wegschaffung und starke Zerstörung von Maschinen und Geräten bei der Räumung durch die Russen.
DR. THOMA: Am 5. Februar 1942 erging eine Agrarordnung. Welcher Gesichtspunkt lag dieser zugrunde?
RIECKE: Das Hauptziel der Agrarordnung war, die Bevölkerung zur freiwilligen Mitarbeit zu bekommen. Zunächst war vorgesehen, die Kollektivwirtschaft aufrechtzuerhalten. Das stellte sich jedoch als unmöglich heraus, da, wie gesagt, ein Teil des Großgerätes, namentlich Traktoren, nicht mehr vorhanden war. Andererseits war es auch nicht möglich, wie es die Bevölkerung zum Teil wünschte, zu Bauernbetrieben überzugehen, weil auch das Kleingerät weitgehendst fehlte. Es kam deshalb die Kompromißlösung der sogenannten Landbaugenossenschaft zustande, bei denen den russischen Bauern ein Landanteil zur Bewirtschaftung zugewiesen wurde, aber ein Teil der Arbeiten noch in gemeinschaftlicher Form weiter durchgeführt wurde.
DR. THOMA: Wie war die Wirkung?
RIECKE: Die Wirkung der Agrarordnung war im großen und ganzen günstig. Der Umfang und die Quantität der Ackerbestellung nahm wieder zu. Ein besonders gutes Beispiel für die Auswirkungen [646] waren die Verhältnisse im sogenannten Kessel von Charkow, im Frühjahr 1942, wo bereits die zur Landbaugenossenschaft umgestellten Betriebe mehr als 70 % der Frühjahrsbestellung fertiggestellt hatten, während die nicht umgestellten Kollektivwirtschaften nur 30 % etwa zustandegebracht hatten.
DR. THOMA: Am 3. Juni 1943 wurde die sogenannte Eigentums-Deklaration erlassen. Was waren die Grundsätze hierfür?
RIECKE: Das grundsätzliche Ziel der Eigentums-Deklaration war, die durch die Agrarordnung den russischen Bauern zugewiesenen Landanteile in das Eigentum zu überführen.
DR. THOMA: Wie wurde die Gemüseversorgung der großen Städte, zum Beispiel in der Ukraine, geregelt?
RIECKE: Es wurde in der Umgebung der großen Städte in erheblichem Umfang Gartenland der arbeitenden Bevölkerung zugeteilt.
DR. THOMA: Nun einige Fragen zu Lettland:
Hat die Deutsche Regierung in Lettland das Land der lettischen Bauern beschlagnahmt?
RIECKE: Nein, im Gegenteil. Die von den Russen während der Besatzungszeit ausgesprochene Verstaatlichung wurde wieder aufgehoben. Das zu Siedlungszwecken von den Bauernhöfen abgetrennte Land wurde den ursprünglichen Besitzern zurückgegeben. Um es mit einem Satz zu sagen: Es wurde der Zustand vor der russischen Besetzung wiederhergestellt.
OBERST POKROWSKY: Ich bitte um Entschuldigung. Beim besten Willen kann ich nicht verstehen, in welchem auch nur geringsten Zusammenhang diese Fragen mit der Sache des Angeklagten Rosenberg stehen sollen. Ich glaube, daß die weiteren Fragen des Verteidigers, wenn sie derselben Art sind, nicht gestattet werden sollten.
VORSITZENDER: Dr. Thoma, Sie sollten zeigen, daß die Dinge, über die der Zeuge aussagt, etwas mit dem Angeklagten Rosenberg zu tun haben.
DR. THOMA: Zunächst will ich mal mit dieser Frage die sowjetische Behauptung zurückweisen, daß nach der Besetzung den Baronen ihr Land zurückgegeben worden ist. Ich verweise auf die Sowjetanklage, Dokument USSR-41, das ich gestern dem Gericht vorgelegt habe. Zweitens will ich damit beweisen, daß das dortige Gebiet in ordnungsmäßiger Weise verwaltet werden sollte, und zwar in einer solchen Weise, daß die Bevölkerung freiwillig mitarbeitete, und drittens will ich damit beweisen, daß während der [647] ganzen deutschen Besetzung kein Ukrainer und kein Sowjetangehöriger gehungert hat, weil entsprechend landwirtschaftlich gearbeitet wurde.
Das kann ich aber nur von einem Fachmann erfahren und ich glaube, ich habe nur noch einige Fragen, und bin dann mit diesem Beweisthema fertig.