Deutschlandfunk | 07.05.2004 Archiv
Vor 50 Jahren: Kapitulation der Festung Dien Bien Phu
Contre le Viet, contre l’ennemi...
Der 73-jährige
Karlfried Schneider kann sich noch gut erinnern, obwohl inzwischen mehr als ein
halbes Jahrhundert vergangen ist: Das Schönste war, wo mir nach
Dien Bien Phu hereinkamen, erst Mal die Bunker bauen. Da hat man sich ja weiter gar nichts Schlechtes dabei gedacht. Und wir haben Bunker gebaut und haben gut gegessen, haben unseren Spaß gehabt, und dann kam am
13.3.1954 so gegen Abend,
fünf Uhr, strenges
Ausgangsverbot.
Und da ahnte ich schon nichts Gutes. Und dann ging’s auch schon los: Peng, peng, peng, peng... – und dann haben wir durchgehalten, bis die Nacht um zwei, drei... Und da war unser Posten gefallen! Und das war der
erste Posten, der von Dien Bien Phu überhaupt verloren ging.
Karlfried Schneider – ehemaliger
Soldat in der
französischen Fremdenlegion – ist wieder einmal zum monatlichen Veteranen-Treff gekommen, zur so genannten „Amicale“, in einer Gaststätte in Frechen bei Köln. Er gehört schon zu den Ältesten der knapp zwei Dutzend Ex-Legionäre – und: er ist inzwischen der einzige von ihnen, der noch in Dien Bien Phu selbst
dabei war.
Den
Endkampf um diese
französische Dschungelfestung im
Nordwesten Vietnams hat allerdings auch er
nicht mehr persönlich erlebt. Als die
Besatzung nach
57 Tagen Belagerung – genau heute vor 50 Jahren, am
7. Mai 1954 – kapitulierte, da war Schneider schon
Gefangener der
Viet Minh, der
vietnamesischen Befreiungsarmee unter der
Führung des später legendären
Ho Chi Minh.
Schneider – und mit ihm noch fast
10.000 Soldaten, darunter
Fremdenlegionäre, Angehörige der
französischen Kolonialarmee und deren
Hilfstruppen aus
Indochina, aber auch aus
Nordafrika – sie alle waren Opfer einer
militärischen Fehleinschätzung geworden, wie sich
Peter Scholl-Latour erinnert, damals ein junger
Kriegsreporter:
Ich war zu jenem Zeitpunkt in Hanoi. Dort war ein Presse-Camp. Wir fuhren also täglich ins Reisfeld hinaus, rund um Hanoi, im Delta des Roten Flusses. Aber von
Dien Bien Phu war das natürlich eine ganze Strecke entfernt. Und das war wohl auch der
Untergang dieser Festung, dass sie
völlig isoliert war.
Sie war
genommen worden durch einen Fallschirmabsprung in einem Tal, das an der
Grenze nach
Laos lag. Und die
Absicht des
französischen Kommandos war, dass dort die
Hauptstreitkraft der
Nordvietnamesen angreifen und sich gewissermaßen die Zähne ausbeißen würde. Die
Franzosen haben diese
Entscheidungsschlacht gesucht. Und sie haben sie
verloren!
Der Versuch Frankreichs, französischer Eliten, nach 1945 an die alte Vorkriegs-„Glorie“, an den Ruhm der Nation anzuknüpfen, seine Kolonialmacht zu reaktivieren, endete im Fiasko. – Eine Art Stalingrad also für die französische Armee? – Der Berliner Historiker und Vietnam-Experte Martin Grossheim will Parallelen zu der vernichtenden Niederlage der Deutschen Wehrmacht gegen die sowjetische Rote Armee knapp zehn Jahre zuvor nicht von der Hand weisen:
Na, ja – diesen Vergleich kann man schon anstellen. Der wird auch angestellt. Französische Veteranen selbst feiern diese Schlacht in Dien Bien Phu gewissermaßen als die
verlustreichste und
heldenhafteste Schlacht des
französischen Expeditionskorps.
Wir haben eingesehen, dass Dien Bien Phu
nicht mehr zu halten war, nachdem unser Verteidigungs-Stützpunkt
‚Eliane 2‘ in der Nacht vom 6. auf den 7. Mai gefallen war. Er wurde in der letzten Nacht von
frischen Truppen, die sich
heldenhaft geschlagen haben,
gehalten – unter dem Befehl von
Hauptmann Pouget. Sie wurden von
Norden her
überrollt. Gegen Morgen hatte ich
keine Funkverbindung mehr mit
Hauptmann Pouget.
So später der knappe Kommentar des letzten Festungs-Kommandanten, des Generals
Christan de Castries, der die
Kapitulation vollzog und sich danach ebenfalls in die Gefangenschaft der Vietminh begab. – Dennoch:
Ein Helden-Mythos war geboren und hielt sich bis weit in die 70er Jahre hinein...
„Dien Bien Phu“
https://www.deutschlandfunk.de/vor-5...n-phu-100.html