29. August?
Druckbare Version
29. August?
Da ist er aber auch in guter Gesellschaft. Denn gegen den "Führer" des "Auserwählten Volkes" wurde ebenfalls ein internationaler Haftbefehl ausgestellt.
Und ich denke beide werden nicht vollstreckt. Der Eine ist militärisch und wirtschaftlich stark der Andere hat das Kapital und den "Deep-State" als "Schutzmacht".
Jetzt wirds wieder gemütlich in Syrien... Heil USA, heil Israel, heil Türkei
Berichte über Unterdrückung und Gräueltaten
Wie er und seine Gefolgsleute sich das zukünftige Syrien vorstellen, zeigt am besten ein Blick auf die von HTS dominierte „Syrische Heilsregierung“, die Idlib auf brutale Weise regiert. Hier herrscht nun die Scharia. Christen haben nur beschränkte Rechte, Alawiten und Drusen gelten als vom Islam abgefallen und werden verfolgt.
Folter ist üblich und Frauen müssen sich an die strenge islamistische Kleiderordnung halten. In Untersuchungsberichten der UNO und der EU wurden darüber hinaus schwerste Menschenrechtsverbrechen der HTS dokumentiert, darunter Folter, extralegale Hinrichtungen, sowie die systematische gewaltsame Unterdrückung politischer Gegner und Journalisten.[19]
Die in Aleppo einrückenden Dschihadisten gaben den Bewohnern gleich einen Vorgeschmack auf die Zukunft: Weihnachtsdekorationen wurden abgerissen, Alkohol verbannt und die Verschleierung von Frauen erzwungen. [20]
Die überraschende Machtergreifung der Dschihadistischen hat vor allem unter den Minderheiten Syriens ‒ einem Mosaik aus ethnischen und religiösen Gruppen ‒ große Besorgnis ausgelöst. Schließlich waren Alawiten, Christen und andere nicht-sunnitische Gemeinschaften seit 2012 immer wieder Opfer von Angriffen und Gräueltaten der nun unter der HTS-Führung vereinten Gotteskrieger geworden.[21] Tatsächlich mehrten sich auch bald Berichte über Plünderungen und Misshandlungen von Alawiten.
Besonders die Zerstörung eines bedeutenden alawitischen Schreins in Aleppo und die Ermordung dessen fünf Wächter entfachte zornige Massenproteste in Tartus, Latakia, Hama, Homs und weiteren Städten. Sie wurden durch die Ermordung von drei alawitischen Richtern weiter angeheizt.[22]
France 24 berichtete auch von Lynchmorden an Mitarbeitern der Assad-Regierung und die Iraqi Christian Foundation meldete auf X (Twitter), dass Christen in der alten christlichen Stadt Maaloula bedroht und aufgefordert wurden, die Stadt zu verlassen. [23]
Deutscher Handy Anbieter nun in Syrien
Erkundungen vor Ort in Syrien 9.1.2024
von Karin Leukefeld, Damaskus*
(9. Januar 2025) (cm.) In Syrien ist von einem Tag auf den anderen fast alles anders. Eine neue Ordnung? Wohl eher nur eine neue Situation. Jeder macht, was er kann und will. Vor allem aber sind viele Preise, vor allem auch für überlebenswichtige Lebensmittel, massiv gestiegen und für grosse Bevölkerungsschichten ist das Überleben nicht einfach – während clevere Firmen, auch ausländische, bereits mit völlig neuen Angeboten präsent sind. Karin Leukefeld hat uns aus Damaskus einen kleinen Stimmungsbericht zugemailt.
.........................
Der Grenzübergang Masnaa, über den man aus dem Libanon nach Syrien gelangt, ist belagert. Autos parken kreuz und quer, Menschenmassen strömen in das viel zu kleine Abfertigungsgebäude, in dem die Ausreise per Stempel dokumentiert wird. Für Inhaber eines ausländischen Passes verläuft die Abfertigung zügig, dann geht es zu Fuss über die Grenze, vorbei an den Fahrzeugkontrollen bis auf der anderen Seite der Fahrer aus Damaskus winkt und schnell das Gepäck an sich nimmt. Weiter geht es zu Fuss durch die Autoschlangen bis zu dem Auto, das der Fahrer hinter einem Laster geparkt hat.
...........................
Der syrische Anbieter MTN ist verschwunden, stattdessen gibt es einen neuen, unbekannten Anbieter namens «Cellcom». Das SMS-Signal kündigt eine neue Nachricht an. Darin weist der deutsche Vertragspartner darauf hin, dass man in einem neuen Land angekommen sei.
https://schweizer-standpunkt.ch/news...in-syrien.html
Richtig, ihr Kommunisten habt es ja nie geschafft, wenn ihr die Macht in einem Staat übernommen hattet!
Es waren immer nur "von Kommunisten regierte" Ausbeuterstaaten!
Trotzdem:
ihr Kommunisten habt noch nie eine Frau zum "Chef" eines von euch beherrschten Staates gemacht !
Nach über 60 Jahren des Verbots hat der Oberste Freimaurerrat der Logen der Großsyrischen Levante eine Erklärung veröffentlicht,
in der er erklärt, dass die syrischen Freimaurer wieder aktiv sind.
Es kann dem Wissens- und Erkenntnisgewinn nicht schaden sich einen Rueckblick auf Syrien im Jahr 2013 zu goennen.
Teil A:
Zitat:
APuZ 8 / 2013 von Muriel Asseburg
Syrien: ziviler Protest, Aufstand, Bürgerkrieg und Zukunftsaussichten
In Syrien kam die Protestbewegung im Vergleich zu Tunesien, Libyen und Ägypten zunächst nur langsam in Fahrt. Ersten Aufrufen auf Facebook zu einem „Tag des Zorns“ folgte im Februar 2011 nur eine Handvoll Menschen. Auch bei den nachfolgenden Protestaktionen fanden sich zunächst nur Wenige ein, so etwa am 15. März – der seither als Beginn des Aufstands gilt –, als eine kleine Gruppe in Damaskus Reformen forderte. Dennoch prägten sie die Slogans und den Geist der folgenden Protestwelle, als sie „Gott, Syrien und Freiheit“ (in Abwandlung des Regime-Leitspruchs „Gott, Syrien und Baschar“), „friedlich, friedlich“, und „das syrische Volk ist eins“ skandierten. Zum Fanal wurde erst die Verhaftung von 15 Kindern und Jugendlichen in der Provinzstadt Deraa im Südwesten des Landes, die, inspiriert von den Protesten in Tunesien und Ägypten, regimekritische Parolen an eine Mauer gemalt hatten. Nicht nur wurden die jungen Menschen in Haft gefoltert, auch wurden die Demonstrierenden, die ihre Freilassung forderten, vom Gouverneur des Bezirks verhöhnt und kamen unter Beschuss durch die Sicherheitskräfte. Am 18. März 2011 wurden in Deraa fünf friedliche Demonstranten erschossen und Hunderte verletzt. In den folgenden Tagen gingen nicht nur in Deraa, sondern auchin anderen Städten und Dörfern Männer, Frauen und Kinder auf die Straße, um sich solidarisch zu zeigen und gegen Polizeiwillkür, die Notstandsgesetzgebung, Korruption und Vetternwirtschaft zu demonstrieren.
Entstehen einer zivilen Protestbewegung
Wie zuvor in Nordafrika trieben auch in Syrien ein erhebliches Maß an Unmut über die zunehmende soziale Ungerechtigkeit und mangelnde Perspektiven für die junge Bevölkerung die Proteste an. 1 Denn trotz der beachtlichen ökonomischen Wachstumsraten, die Syrien in den vergangenen Jahren verzeichnen konnte, blieb insbesondere die Jugendarbeitslosigkeit hoch. Der Umbau der Wirtschaft und der teilweise Abbau des Staatssektors hatten die soziale Schere auseinanderklaffen lassen. Die Armut hatte – vor allem in den ländlichen Gebieten – deutlich zugenommen, Binnenmigration infolge von Dürre die sozialen Missstände weiter verschärft. Dazu kamen die massive Selbstbereicherung im Umkreis der Herrscherfamilie und die Vetternwirtschaft, die Politik und Ökonomie durchzogen. Vor diesem Hintergrund richtete sich der Zorn der Protestierenden insbesondere auch gegen den Cousin des Präsidenten, Rami Makhlouf, der von der Privatisierung von Staatsbetrieben und der Monopolisierung von Lizenzen im Telekommunikationsbereich besonders profitiert hatte. Zudem galt Syrien als einer der repressivsten Staaten in der Region.
Zwar war es unter Baschar al-Assad, der 2000 die Macht von seinem Vater übernommen hatte, durchaus zu einer gewissen politischen Öffnung gekommen. Doch der politische Raum blieb eng begrenzt: Nach wie vor gab es keine kompetitiven Wahlen und keine Versammlungs- oder Vereinigungsfreiheit. Nach wie vor verschwanden Oppositionelle regelmäßig im Gefängnis, war die Muslimbruderschaft verboten und die Mitgliedschaft mit dem Tode bedroht. Nach wie vor wurden ganze Volksgruppen – allen voran die Kurden – diskriminiert und blieben die von ihnen bewohnten Regionen im Nordosten des Landes entwicklungspolitisch vernachlässigt.
Obwohl das Regime die Proteste durch eine Kombination aus vagen Reformversprechen 2 und massivem Gewalteinsatz einzudämmen suchte, breiteten sich diese, ausgehend von der Peripherie, innerhalb weniger Wochen über das ganze Land aus. Am Karfreitag 2011 gingen landesweit bereits mehrere Hunderttausend auf die Straße; über Hundert starben, als das Regime Scharfschützen einsetzte. Zur Unterdrückung der Proteste griff das Regime zunehmend auch auf das Militär zurück. Die Belagerung von Städten, Massenverhaftungen und Folter sollten die zivile Protestbewegung gewaltsam ersticken. Dies gelang jedoch nur vorübergehend. Denn wenn die Truppen abgezogen wurden, gingen die Menschen erneut auf die Straße. In der Hauptstadt Damaskus und der Wirtschaftsmetropole Aleppo konnte das Regime allerdings über einen langen Zeitraum erfolgreich größere Protestaktionen weitgehend unterbinden. Die Intensität der Proteste nahm insgesamt jedoch weiter zu – und in Reaktion auf den Einsatz von Gewalt veränderten sich die Forderungen der Protestierenden: Im Juli 2011 forderten landesweit bereits mehr als eine Million Bürgerinnen und Bürger auf Demonstrationen den Rücktritt des Präsidenten. 3
Was der Protestbewegung in Syrien, im Vergleich etwa zu der in Ägypten, fehlte, war das psychologische Moment der identitätsbildenden gemeinsamen Erfahrung der Massenmobilisierung auf dem Tahrir-Platz. Das Regime verhinderte durch Straßensperren und Medienzensur effektiv, dass sich die einzelnen Demonstrationen verbanden und den öffentlichen Raum in der Hauptstadt eroberten. Was die syrische Protestbewegung kennzeichnete, war gerade ihr dezentraler Charakter – sie war durch eine Vielzahl kleiner, lokaler, oft sehr kreativer Aktionen geprägt, die sich unter anderem über den Präsidenten und seine Entourage lustig machten 4 – sowie der soziale Hintergrund der Protestierenden, unter denen die marginalisierte Landbevölkerung und Arbeiterinnen und Arbeiter dominierten.
Im August 2011 schließlich wurde im türkischen Exil der Syrische Nationalrat (SNR) gegründet, der als Sprecher der Opposition auftreten und – analog zum Nationalen Übergangsrat in Libyen – als Ansprechpartner für die internationale Gemeinschaft fungieren und Unterstützung für die Opposition generieren sollte. Dies gelang allerdings nur bedingt. Ausschlaggebend war dafür einerseits die Ausgangslage in Syrien, die sich grundlegend von der in Libyen unterschied, und andererseits, dass der SNR von unterschiedlichen Seiten in die Kritik geriet – wegen interner Machtkämpfe, der Dominanz der Muslimbrüder beziehungsweise der Exilopposition, der als ungenügend erachteten Vertretung von Minderheiten, mangelnder Transparenz und Ineffektivität oder seiner Unterstützung der Militarisierung des Aufstands. Diverse Bemühungen, die syrische Opposition zu einen, scheiterten. Erst auf massiven amerikanischen Druck hin wurde in Doha im November 2012 mit der Nationalen Koalition der syrischen Revolutions- und Oppositionskräfte (kurz: Syrische Nationale Koalition) ein breiter aufgestelltes Oppositionsbündnis etabliert, in dem insbesondere die interne Opposition stärker vertreten ist. 5
Eskalation der Gewalt
Bemerkenswerterweise blieben die Demonstrationen über Monate hinweg friedlich oder zumindest gewaltarm. Der Einsatz des Militärs zur Unterdrückung der Proteste leitete diesbezüglich jedoch eine Wende ein. Aufgrund des Schießbefehls gegen die Demonstrierenden sahen sich syrische Soldaten, darunter auch Wehrpflichtige, in Gewissenskonflikten, denen sie zunehmend mit Desertion oder Überlaufen zur Opposition begegneten. Eine Gruppe von Deserteuren um Riad al-Asaad gründete schließlich Ende Juli 2011 im türkischen Exil die Freie Syrische Armee (FSA), der sich rasch weitere Überläufer und Zivilisten anschlossen. Während die FSA ihre Aufgabe zunächst im Wesentlichen darin sah, Demonstrationen und Beerdigungsprozessionen zu schützen, wurde bald von ihr erwartet, ganze Stadtviertel, in denen protestiert worden war, gegen Racheakte der Armee und der vom Regime eingesetzten paramilitärischen Milizen, der sogenannten Shabiha, zu verteidigen. In Folge kam es zu einem bewaffneten Machtkampf zwischen den Rebellen der FSA und den Regimekräften, der sich rasch zuspitzte.
Die Rebellen gingen von defensiven zu offensiven Operationen über und brachten in Städten wie Homs, Hama und Deir ez-Zor ganze Stadtviertel unter ihre Kontrolle. Das Regime reagierte mit einer Ausweitung der Gewaltanwendung und dem massiven Beschuss dieser Viertel durch schwere Artillerie. Im Hochsommer 2012 starteten die Rebellen der FSA Operationen in Damaskus und Aleppo. Das Regime begann nunmehr auch die Luftwaffe einzusetzen und Stadtviertel in der Hand von Rebellen mit Raketen und Kampfjets zu bombardieren. Sowohl das syrische Regime als auch die Rebellen sahen sich zunehmend nicht mehr nur in einer Auseinandersetzung um die politische Macht, sondern im Kampf um ihr physisches Überleben. Temporäre, lokale Waffenruhen ermöglichten der Bevölkerung vor Ort in Einzelfällen eine kurze Ruhepause und erlaubten die Verpflegung von Verwundeten, stoppten die Eskalation aber nicht. Auch alle internationalen Vermittlungsbemühungen, etwa durch die Sondergesandten von UN und Arabischer Liga, Kofi Annan (Februar bis August 2012) und Lakhdar Brahimi (seit September 2012), sowie die Beobachtermissionen der Arabischen Liga (Ende Dezember 2011 bis Ende Januar 2012) und der UN (April bis August 2012) waren diesbezüglich (bislang) erfolglos.
...
(PDF Dossier)
https://www.swp-berlin.org/publicati...ASS_Syrien.pdf
Teil B:
Zitat:
APuZ 8 / 2013 von Muriel Asseburg
Syrien: ziviler Protest, Aufstand, Bürgerkrieg und Zukunftsaussichten
Rebellen auf dem Vormarsch
Im Spätherbst 2012 konnten die Rebellen zunehmend militärische Erfolge verzeichnen. Das Regime hat sich aus Teilen des Staatsgebiets zurückgezogen. Unterschiedliche Rebellengruppen kontrollieren seitdem Dörfer, kleinere Städte und ländliche Gebiete im Südwesten und Südosten des Landes sowie entlang der libanesischen und der türkischen Grenze. Teile der kurdischen Gebieteim Norden und Nordosten Syriens werden von der aus der PKK (Partiya Karkeren Kurdistan, Arbeiterpartei Kurdistans) hervorgegangenen Partei der Demokratischen Einheit (Partiya Yekitiya Demokrat, PYD) kontrolliert. FSA beziehungsweise PYD kontrollieren auch einzelne Übergänge an der Grenze zur Türkei. Bislang ist es den Rebellen allerdings nicht gelungen, größere zusammenhängende Gebiete oder eine der bedeutenden Städte vollständig und dauerhaft unter ihre Kontrolle zu bringen. 6 Zudem können die Aufständischen die Zivilbevölkerung in den sogenannten befreiten Gebieten nicht effektiv gegen Angriffe der regulären Armee, insbesondere der Luftwaffe und den Beschuss durch Raketen, schützen. Auch stellt der Staat in den umkämpften Gebieten kaum noch öffentliche Dienstleistungen (Krankenhäuser, Schulwesen, Müllbeseitigung und Ähnliches) zur Verfügung. Auf lokaler Ebene findet daher notwendigerweise ein beträchtliches Maß an Selbstorganisation statt, bei der die Lokalen Koordinationskomitees, zivile Verwaltungsräte und Rebellen – je nach Stadt unterschiedlich eng und erfolgreich – kooperieren, um ein Mindestmaß an Versorgung zu gewährleisten, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten und Recht zu sprechen. 7
Die Eskalation der Gewalt hat massive Auswirkungen für die Zivilbevölkerung mit sich gebracht. Die Kriegsschäden sind immens. Die industrielle und landwirtschaftliche Produktion ist in Folge von Sanktionen und Kämpfen nahezu völlig zusammengebrochen. Das Regime hat die militärischen Erfolge der Rebellen mit einer Politik der verbrannten Erde beantwortet. Ganze Landstriche in den Gouvernoraten Latakia, Idlib, Hama und Deraa sind so weitgehend entvölkert, ganze Stadtviertel, unter anderem in den südlichen und östlichen Vororten von Damaskus, in Aleppo, Homs und Deir ezZor, dem Erdboden gleichgemacht worden. Der Zugang zu den umkämpften Gebieten ist für humanitäre Organisation stark eingeschränkt. Die UN bezifferte die Zahl der Todesopfer Ende 2012 mit 60000. 8 Hinzu kommen Zehntausende von Verhafteten und Vermissten. Auch die Zahl der syrischen Flüchtlinge hat dramatische Ausmaße angenommen. Mitte Januar 2013 gab die UN die Zahl der registrierten (beziehungsweise unterstützten) syrischen Flüchtlinge bereits mit über 600 000 an. Dabei halten sich die meisten Flüchtlinge in den vier Nachbarländern Türkei, Libanon, Jordanien und Irak sowie zunehmend auch in Ägypten auf. 9 Die Zahl der Binnenflüchtlinge wird von den UN auf etwa zwei Millionen geschätzt, dürfte aber mittlerweile weit darüber liegen.
Radikalisierung und Konfessionalisierung
Die Aktivistinnen und Aktivisten, die die Werte der Revolution weiterhin hochhalten und ein demokratisches, ungeteiltes Syrien fordern, sind durch die Eskalation der Gewalt zunehmend marginalisiert worden. Denn diese hat zur Radikalisierung der Aufständischen und der Bevölkerung beigetragen. Immer stärker wird die Realität durch den bewaffneten Kampf bestimmt. Dabei war die FSA zunächst alles andere als eine Armee, sondern lediglich ein loser Zusammenschluss unterschiedlicher Rebellengruppen, unter denen sich auch kriminelle Banden fanden sowie salafistische und dschihadistische Gruppierungen.
Mit der Zeit organisierten sich die Rebellen in lokalen Militärräten und regionalen Brigaden, verstärkten die Koordination ihrer Operationen und konnten durch Angriffe auf Militärbasen ihre Ausrüstung erheblich verbessern. Im Dezember 2012 trafen sich schließlich rund 500 Abgesandte lokaler FSA-Einheiten im türkischen Antalya, um eine zentrale Kommandostruktur unter dem Dach eines Obersten Militärrats zu schaffen und damit die militärischen Entscheidungshierar-chien in fünf Operationsgebieten zu präzisieren. 10 Dennoch verfügen die Rebellen bis heute nicht über effektive zentralisierte Befehlshierarchien. Eine beträchtliche Zahl vor allem der islamistisch geprägten Brigaden weigern sich vielmehr, sich der FSA zu unterstellen. Stattdessen führen diese Gruppierungen ihre Operationen auf eigene Rechnung durch, mitunter auch gegen ausdrückliche Anweisung der FSA-Führung. So ist es zunehmend auch auf Seiten der Aufständischen zu Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen gekommen, obwohl sich führende FSA-Vertreter auf einen Ehrenkodex verpflichtet haben.
Zudem ist der Anteil der Kämpfer mit salafistischer beziehungsweise dschihadistischer Orientierung angestiegen. Auch sind zunehmend ausländische Kämpfer nach Syrien eingesickert. 11 Zwar dürfte die Zahl solcher Kämpfer bislang eher bei Hunderten als bei Tausenden liegen, dennoch ist dieser Trend besorgniserregend.
Schließlich geht diese Tendenz auch mit einer zunehmenden Konfessionalisierung des Konflikts einher, die durch das Regime ebenso gefördert wird wie durch die externen Sponsoren der Rebellen. Mehr und mehr verfestigt sich die Wahrnehmung eines sunnitischen Aufstands (unterstützt von den sunnitischen Golfmonarchien und der Türkei) gegen ein alawitisches Regime und seine schiitischen Bündnispartner (Iran, Hisbollah, die schiitisch dominierte irakische Regierung) beziehungsweise seine lokalen Unterstützer (als die kollektiv die Alawiten und Christen gesehen werden). Diese Wahrnehmung – verstärkt durch Anschläge in christlichen und alawitischen Wohnbezirken, eine teils extrem konfessionalistische Rhetorik einzelner Rebellengruppen, Massaker in sunnitischen Dörfern oder Vierteln durch Regierungstruppen und die Shabiha sowie bewaffnete Kämpfe zwischen dschihadistischen Rebellen und der PYD – gefährdet das künftige Zusammenleben in der syrischen Mosaikgesellschaft 12 massiv und befördert die Fragmentierung des Landes.
Internationalisierung des Konflikts
Immer offener sind die Konfliktparteien in Syrien auch durch externe Akteure unterstützt worden. Die Auseinandersetzung hat so über den internen Machtkampf hinaus den Charakter eines Stellvertreterkriegs bekommen, in dem internationale, regionale und subnationale Konflikte ausgetragen werden. 13 Auf der einen Seite stützen Russland und China das Assad-Regime durch Handel und Rüstungskooperation beziehungsweise ihre Parteinahme im UN-Sicherheitsrat. Der Iran hilft dem syrischen Regime zudem durch Militärberater, Finanztransfers und Energielieferungen. Auf der anderen Seite erhalten die syrische Opposition und die Rebellen von westlichen Akteuren wie den USA, den Europäern und der Türkei politische und logistische, aus den arabischen Golfstaaten finanzielle und militärische Unterstützung. Aus den instabilen Nachbarländern Irak und Libanon werden – gemäß der Logik konfessioneller Mobilisierung – jeweils unterschiedliche Kräfte im syrischen Konflikt rhetorisch, finanziell und durch Entsendung von Kämpfern unterstützt. Einen der Streitpunkte im internationalen Umgang mit dem Konflikt bildet die Interpretation und Durchsetzung internationaler Normen.
Nicht zuletzt vor dem Hintergrund des eigenen Umgangs mit Demokratiebewegungen und Minderheiten stemmen sich Moskau und Peking gegen das Prinzip der internationalen Schutzverantwortung. Vor allem jedoch heizt der Konflikt um die regionale Rolle des Iran den Bürgerkrieg in Syrien an. Wiederholt haben die Kämpfe in Syrien bereits auf die beiden Nachbarländer Libanon und Irak übergegriffen. Auch Kampfhandlungen an der syrisch-türkischen Grenze bergen Eskalationspotenzial. Die Türkei, die als Gastgeberin des oppositionellen Syrischen Nationalrats und als Operationsbasis der FSA schon früh zur Konfliktpartei wurde, sieht sich heute unmittelbar bedroht. Folglich autorisierte das türkische Parlament im Oktober 2012 militärische Operationen in den Nachbarländern. Im November ersuchte Ankara von seinen Nato-Partnern zudem die Stationierung von Patriot-Abwehrsystemen unweit der syrischen Grenze. 14 Darüber hinaus verursacht die Präsenz von überwiegend sunnitischen Flüchtlingen und Rebellen im Grenzgebiet zu Syrien Probleme mit der dort ansässigen alawitischen Bevölkerung. Vor dem Hintergrund der eigenen ungelösten Kurdenfrage befürchtet Ankara aber vor allem, dass in Syrien (neben dem Nordirak) eine weitere autonome Kurdenregion entstehen könnte. Separatistische Bestrebungen in der eigenen kurdischen Bevölkerung könnten dadurch neuen Auftrieb erhalten – zumal mit dem Bürgerkrieg in Syrien die Anschläge der PKK in der Türkei deutlich zugenommen haben.
...
(PDF Dossier)
https://www.swp-berlin.org/publicati...ASS_Syrien.pdf