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HDP, PKK und der Friedensprozess – Eine Chronologie des Versagens
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Während der Staat, durch diese Maßnahmen wieder das Vetrauen der kurdischstämmigen Bevölkerung zurückgewann, genoss die AK-Partei für ihre kurdenfreundliche Politik rekordverdächtige Zustimmungswerte aus den kurdisch geprägten Wahlkreisen. Durchschnittlich zwischen 50-70 Prozent. Das Kalkül mit demokratischen Reformen und wirtschaftlichem Aufbau dem PKK-Terror den Boden unter den Füßen zu entziehen, ging zunächst auf.
Das fehlende Propagandamaterial der Terrororganisation, die sich zuvor aus der „Opferrolle“ nährte, führte dazu, dass die PKK sich mit der Bedeutungslosigkeit konfrontiert sah. Sie wurde durch die politischen Schritte der türkischen Regierung zum Frieden gedrängt. Die alten „Feindbilder“ taugten angesichts der neuen Lage nicht mehr. Anschläge auf Soldaten würden sich negativ auf die PKK auswirken. Doch mit dem Bürgerkrieg in Syrien und dem Schreckgespent IS, sollte sich dies nun schlagartig ändern. Dem demokratisch erzwungenen Frieden wurde innerhalb von nur wenigen Monaten ein Ende bereitet.
IS haucht der PKK wieder Leben ein
Denn mit dem IS wurde die, von der Mitte der türkischen Gesellschaft heraus angestoßene und in mühevoller, politischer Arbeit errungene, Friedensinitiative in den Schoß internationaler Interessenskreise katapultiert. Die PKK konnte sich und ihren Kampf um die von ihnen beanspruchten Gebiete in Nordsyrien (Rojawa), als das vermarkten, was es nicht ist: einen «allgemeinen Kampf gegen den IS». Mehr noch, sie konnte ihren Kampf um Kobane, nicht zuletzt mithilfe „Heldenbilder“ westlicher Medien, als ein Symbol des Widerstandes gegen den IS vermarkten. Anders als die moderaten Rebellen in Syrien, ging es dem PKK-Ableger PYD jedoch nur darum, ihr Filetstück aus Restsyrien zu verteidigen. Es ging um die Grenzen eines beanspruchten PKK-Staates, fern von einem selbstlosen Freiheitskampf gegen den IS.
Dies beweist auch der erfolgreichste Schachzug der PKK, in dessen Folge sie mithilfe ihrer internationalen Partner die Türkei in ein Dilemma trieb. Als die regierende AK-Partei eine Parlamentsentscheidung für eine militärische Intervention in Nordsyrien beantragte, war es ausgerechnet der politische Arm der PKK, der «gegen eine türkische Intervention in Kobane» stimmte. Und dass, obwohl die PKK in Nordsyrien in Bedrängnis war. Was sich irrational anhört, war jedoch ein klar durchkalkulierter Plan der PKK. Eine Niederlage gegen den IS hätte man revidieren können, türkische Bodensoldaten würden jedoch das Ende für einen geplanten PKK-Staat in Nordsyrien bedeuten.
Die PKK wollte die Kontrolle über Kobane durch bewaffnete PKK-Kämpfer aus der Türkei sicherstellen. Durch jene Kräfte also, die jahrelang türkische Sicherheitskräfte mit Anschlägen aus dem Hinterhalt bedrohten. Terroristen, die zuvor auf türkische Soldaten gezielt haben, vor Augen türkischer Sicherheitskräfte nach Syrien ziehen zu lassen, käme jedoch für den türkischen Staat einer Kapitulation vor dem Terror gleich. Die PKK war keine gefühlte Bedrohung aus einer tausende Kilometer entfernten Region, sondern eine seit Jahrzehnten im Herzen der Türkei Anschläge verübende Bande, deren Terror mehr als 40.000 Menschen das Leben kostete. Die Türkei entschied sich für die einzige Lösung, die sie der türkischen Öffentlichkeit vermitteln konnte und ließ nur Soldaten der regulären nordirakischen Kurdenverwaltung über die Türkei nach Syrien ziehen.
Doch weder der Umstand, dass die türkische Regierung die komplette kurdische Bevölkerung von Kobane, fast 200 000 Menschen, innerhalb nur weniger Tage in türkischen Flüchtlingslagern einquartierte, ihr Ernährung und gesundheitliche Versorgung garantierte, noch die Tatsache, dass sich ausgerechnet die PKK gegen eine mögliche Intervention türkischer Truppen gegen den IS stellte, fand kaum Beachtung in den internationalen Medien.
Sogar die großzügige Lösung der Türkei, anstatt PKK-Terroristen, kurdische Kämpfer aus dem Nordirak durchzulassen, sorgte für negative Schlagzeilen in internationalen Medien. «Türkei sei gegen Kurden und für den IS», weil sie nicht Kämpfer der PKK durchließ, hieß es in vielen Meldungen und Kommentaren. Mit Blick auf die 40.000 Todesopfer durch den PKK-Terror, sei diese Aktion eine enorme Verachtung türkischer Sicherheitsinteressen, so die laute Kritik aus der Türkei gegen die tendenziöse Berichterstattung.
HDPs kurz gedachte Strategie geht auf
Vermeintlich rehabilitiert, als Teil der internationalen Koalition und mit einer breiten internationalen Medienunterstützung, vollzog die HDP, der politische Arm der PKK, einen weiteren folgenreichen Strategiewechsel. Die sich nun in einer besseren Ausgangslage wähnende HDP, sprach fortan in einer polarisierenden Sprache von der türkischen Regierung als „Feind der Kurden“ und untergrub so den mühselig erarbeiteten Friedensprozess mit aggressiven Vorstößen. Auch die, nach einem verheerenden Aufruf des HDP-Vorsitzenden Selahattin Demirtaş im Oktober 2014, von PKK-Lynchmobs getöteten 52 Menschen, konnten die aggressive Polemik des HDP-Lagers nicht mäßigen. Viele begannen nun der HDP gezielte Eskalationsversuche und Hetze vorzuwerfen.
Die nun mit Nachdruck verfolgte Strategie der PKK, der türkischen Regierung eine IS-Unterstützung und Kurdenfeindlichkeit anzulasten und sich als Partner gegen den IS zu positionieren, wurde in folgenden Monaten weiter durch internationale Medien unterstützt, die bereitwillig die Vorwürfe der PKK übernahmen. Während PKK-Anschläge und türkische Positionen weiterhin kein Echo in den Medien fanden, platzierten Nachrichtenagenturen die von der PKK verbreiteten Vorwürfe in fast allen Beiträgen über die Türkei. Linke Zeitungen übernahmen teilweise kommentarlos, bis auf den letzten Satz, komplette Pressemeldungen der Terrororganisation PKK und fungierten als Verkündungsblatt der Terrororganisation.
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PKK kündigt Waffenstillstand auf
Analog zu der sich in das Abseits manövrierenden Politik ihres politischen Armes, hat sich die PKK am 11. Juli endgültig vom Friedensprozess verabschiedet. Die PKK-Unterorganisation «KCK» verkündete an diesem Tag die Beendigung des Waffenstillstandes. Vier Tage später, am 15. Juli, erklärte KCK-Führungsmitglied Bese Hozat im PKK-nahen Blatt „Özgür Gündem“, dass eine „neue Phase, „des revolutionären, bewaffneten Volkskrieges“ begonnen habe. Wieder vier Tage später, am 19. Juli, rief Co-Vorsitzender der KCK in linksextremen Medien das gesamte kurdische Volk zur Selbstbewaffnung und Schaffung entsprechender Strukturen auf.
Nur einen Tag nach dem Aufruf der PKK sich zu bewaffnen, am 20. Juli, verübte ein dem IS zugerechneter Attentäter einen Terroranschlag in Suruç bei dem 32 sozialistische Jugendliche aus der ganzen Türkei starben. Wie vor den Wahlen bei Anschlägen gegen HDP-Mitgliedern geschehen, warf die PKK, der KCK-Führungsmitglied Mustafa Karasu und die HDP zeitgleich der AK-Partei vor, für den Terroanschlag in Suruç verantwortlich zu sein.
Nun versuchte die PKK, sich in eine höhere Eskalationsstufe begebend, erstmalig ihren Vorwurf die Türkei unterstütze den IS, als Rechtfertigung für Mordanschläge zu benutzen. Am 22. Juli erschossen Mitglieder der Terrororganisation zwei junge Polizisten im Schlaf. Die PKK bekannte sich in ihren Medien zu der Tat und rechtfertigte die Morde als „Rache und Bestrafung für Suruç“. Einen Tag später, am 23. Juli in Diyarbakir, wurde wieder ein Polizist von der PKK ermordet. Durch Täuschung eines Verkehrsunfalls geriet der Verkehrspolizist in einen Hinterhalt. Noch am gleichen Tag töteten IS-Terroristen einen türkischen Soldaten, beim Versuch die Grenze zur Türkei zu überqueren.
Spätestens jetzt wurde es für die türkische Regierung fast unmöglich, eine militärische Zurückhaltung zu verantworten. Sie reagierte gegen beide Terrorparteien mit schweren Luftschlägen. Doch trotz der bekannten Chronologie der Vorgänge und der Tatsache, dass die Türkei durch zwei sich bekämpfende Terrorbanden (PKK und IS) in eine bewaffnete Auseinandersetzung hineingezogen wurde, zogen internationale Medien wieder vor auf Grundlage der PKK-Presseerklärungen die Vorgänge zu interpretieren. Die großen Nachrichtenagenturen meldeten: „Türkei hat den Waffenstillstand gebrochen“.
Heftige Reaktion der Türkei überrascht PKK/HDP
Nach der Aufkündigung des Waffenstillstandes und der Proklamation des bewaffneten Kampfes durch die PKK, schon Tage vor dem Terroranschlag in Suruç, nach dem Aufflammen der Gewaltspirale mit Mordanschlägen auf 3 Polizisten, zu denen sich die PKK öffentlich bekannte, sprach Staatspräsident Erdoğan nun offiziell der HDP und der PKK den Willen ab, einen ehrlichen Friedensprozess zu wollen. Die PKK und ihr politischer Arm seien keine Verhandlungspartner mehr. Diese Ansprache von Erdoğan wurde interessanterweise wieder falsch als „Abbruch des Friedensprozesses durch Erdoğan“ verkündet.
Die harsche Reaktion des türkischen Militärs auf das Wiederaufflammen des Terrors überraschte nicht nur die Medien, sondern erwischte auch die PKK-Führung sehr hart. Medien berichteten von über 390 getöteten Terroristen im Rückzugsgebiet und im Führungskommando der PKK im Nordirak. Die Rede ist von weiteren hunderten Verletzten. Zeitgleich begannen Sicherheitskräfte in der Türkei auch massiv gegen Terroranhänger vorzugehen. Über tausend Funktionäre von Terrororganisationen wie dem IS, DHKP/C und der PKK wurden durch Antiterroreinheiten festgenommen. Viele aus Rücksicht auf den Friedensprozess auf Eis liegende Terrorprozesse wurden wieder aufgenommen. Die deutsche Presseagentur bezeichnete die Terrorverdächtigen jedoch als „Oppositionelle“ und meldete „Türkei geht gegen Oppositionelle“ vor. Eine bewusste Falschinformation die zu weiterer Kritik an die Türkei-Berichterstattung der Medien führte.
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Mehr als die Luftschläge, schien jedoch die neue politische Lage die HDP und die PKK überrascht zu haben. Entgegen der eigenen Erwartung, stellten sich USA und die UN hinter die Türkei und sprachen vom Recht der Türkei sich gegen den Terror zu wehren. Die EU verhielt sich gewohnt zurückhaltend und konnte sich nicht klar hinter ihren EU-Beitrittskandidaten stellen. Offener sprachen europäische Medien, die einen „Verrat an Kurden“ witterten und Obama für seine Positionierung gegen den Terror in der Türkei, scharf kritisierten. Im Gegensatz zu der vorherrschenden Stimmung in Europa, analysierte der nordirakische Präsident und Kurdenführer Barsani die Sachlage objektiver und betonte in einem Interview mit dem Focus: „Leider hat die PKK die positiven Vorstöße der türkischen Regierung für den Friedensprozess aus einer neuen Arroganz heraus nicht wahrgenommen“. Barsani forderte die PKK auf den Nordirak zu verlassen.
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