Zitat von
FranzKonz
Jein. De facto mag die Ukraine so zur Kolonie der USA werden, de jure eben nicht. Auch ein Putin kann sich nicht über jede Schwelle hinwegsetzen und damit ohne großen Schaden davon kommen. So, wie er bisher reagierte, will er das auch nicht.
Genau genommen hatte er die Ukraine nie, auch den Osten nicht. Allerdings sieht Russland die NATO als potentielles Feindbündnis, und so verhält sich die NATO gegenüber Russland auch. Die diversen Raketenschildprogramme von SDI bis NMD sowie die Kündigung des ABM-Vertrags durch die Amerikaner zeigen deutlich, dass diese Bedrohung durchaus real ist, zumal gerade die Amerikaner überall auf der Welt als Brandstifter unterwegs sind.
Die immer kürzer werdenden Vorwarnzeiten für einen massiven Angriff mit Kernwaffen durch die NATO sieht Putin heute wie seinerzeit Kennedy die Stationierung russischer Kernwaffen auf Kuba als existentielle Bedrohung. Das "Gleichgewicht des Schreckens" ist damit empfindlich gestört.
Aber auch die europäischen NATO-Mitglieder tun sich mit der Verkürzung der Vorwarnzeiten für Russland keinen Gefallen. Die Gefahr eines Atomkriegs in Europa steigt mit der verkürzten Reaktionszeit der Russen. Panikreaktionen (z.B. auf Grund technischer Störungen in Radarsystemen) werden durch verkürzte Vorwarnzeiten wahrscheinlicher.
Dazu muss die innenpolitische Sicht in Russland betrachtet werden. Putin ist keineswegs ein uneingeschränkter Alleinherrscher von Gottes Gnaden, auch wenn die Westpresse das gern so darstellt. Es gibt in Russland eine starke rechte Opposition. Dazu gehören unter anderem die Herren Borodaj und Girkin, die den Aufstand in der Ostukraine maßgeblich mitgestaltet haben. Putin nimmt dieser rechten Opposition den Wind aus den Segeln, indem er nach außen Stärke zeigt. Ob das die einzige Motivation Putins ist, den Aufstand in der Ostukraine zu tolerieren und mindestens durch Lebensmittellieferungen zu unterstützen, kann ich nicht mit Gewissheit sagen. Tatsache ist, das die ganze Region historisch zu Russland und nicht zur Ukraine gehörte, ebenso wie die Krim.
Israel und die USA kann man an dieser Stelle getrost außen vor lassen. Es geht um Europa, und sowohl Kiew als auch Moskau gehören nun einmal zu Europa, ob es allen anderen nun passt oder nicht. Wer Europapolitik machen will, muss Russland einbeziehen. Europäische Politik kann gegen Russland nicht funktionieren.
Das passt alles ins Bild: Die Amerikaner wollen ihren Einflußbereich erweitern und Russland klein halten. Die Europäer sollen das (gegen eigene Interessen) finanzieren und die Ertragseinbußen aus dem Handel mit Russland hinnehmen.