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Lässt Moskau Assad fallen?
USA, Türkei und Saudis mischen neben Russland in Syrien mit
Es war ein seltener Moment der Einigkeit in New York: Weder Russland noch China legten ein Veto gegen den harschen Text der neuen UN-Resolution ein, mit dem die Fassbombenangriffe des Regimes von Präsident Baschar al-Assad auf die Zivilbevölkerung in einer von Rebellen besetzten Stadt bei Damaskus verurteilt wird, bei denen 100 Zivilisten starben und Hunderte verletzt wurden.
Zwar hat der Assad-Verbündeter Russland über 20 Tonnen Hilfsgüter nach Syrien geschickt, doch sollen sich die Anzeichen dafür mehren, dass der Kreml von Assad abrücke. Noch versuchen Moskaus Diplomaten, die Assad-Gegner Türkei und Saudi-Arabien davon zu überzeugen, dass der Kampf gegen den IS wichtiger sei als der Sturz Assads, aber Russland fürchtet auch die Heerscharen von IS-Dschihadisten aus Zentralasien und dem Kaukasus, die eines Tages aus Syrien und dem Irak in ihre Heimat zurückkehren könnten. Eine Delegation der syrischen Opposition verkündete nach ihrem Besuch in Moskau, der Kreml sei bereit, Assad für eine Friedenslösung fallen zu lassen. Außenminister Sergej Law-row dementierte verärgert, aber amerikanische und türkische Diplomaten kolportieren diese Meldung weiter. Assads Regime steht auf wackligen Füßen, eine Situation, die den Gegnern in die Hände spielt. Die syrische Armee ist inzwischen in die Defensive geraten, weil ihr die Rekruten ausgehen. Von Norden greift die islamistische „Eroberungsarmee“ an, deren militärisches Rückgrat Al-Kaida ist. Von Osten rückt der IS vor, im Süden wirken gemäßigte Rebellenverbände an der Grenze zu Jordanien.
Die Syrienfrage belastet derweil die Beziehungen zwischen Russland und Saudi-Arabien. Der zweite Russlandbesuch eines saudischen Regierungsvertreters sollte ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Beziehungen zwischen beiden Ländern sein, aber am künftigen Schicksal Assads scheiden sich die Geister. Der saudische Außenminister signalisierte, dass er für Assad keinen Platz in der Zukunft Syriens sehe, weil Riad in Assad den Verantwortlichen für den Vormarsch des IS vermutet. Moskau hingegen ist überzeugt, dass nur Assad den IS-Vormarsch stoppen könne.
Während Lawrow betonte, Russland und Saudi-Arabien stimmten in vielen Fragen überein, droht die Syrien-Frage die erst jüngst angekündigten gemeinsamen Projekte zum Scheitern zu bringen. Riad will zehn Milliarden Dollar in diverse russische Branchen wie Landwirtschaft, Gesundheitswesen, Einzelhandel, Verkehr und Immobilien investieren. Auch im Bereich der friedlichen Nutzung der Atomenergie wollten Russland und Saudi-Arabien zusammenarbeiten. Bislang verlief die Entwicklung der Beziehungen im militärtechnischen Bereich seit 2008 schleppend. Trotz Verhandlungen kauften die Saudis Militärerzeugnisse bei den US-Amerikanern, die nun verstärkt auf die Türkei als Partner im Kampf gegen den IS setzen.
Manuela Rosenthal-Kappi
© Preußische Allgemeine Zeitung Ausgabe 35/15 vom 29.08.2015