Zitat:
22.08.2014 / Thema / Seite 10Inhalt
»Unverständlicher Krieg«
Dokumentation. Interview der Ukrainskaja Prawda mit Generaloberst Wladimir Ruban von den Ukrainischen Streitkräften über die Lage in der Ostukraine
Am 20. August wurde in der *Ukrainskaja Prawda ein Interview der Journalistin *Jekaterina Sergazkowa mit Wladimir Ruban veröffentlicht. Ruban hat als Generaloberst den gleichen militärischen Rang wie der Verteidigungsminister. Seine Worte haben also einiges Gewicht. Das Kiewer Regime ernannte ihn zum Beauftragten für den Austausch von Gefangenen im Bürgerkrieg. jW dokumentiert das Gespräch in voller Länge. (jW)
...
Können Sie sagen, wo es zur Zeit am gefährlichsten ist? Wo am härtesten gefoltert wird?
Solche Unterscheidungen nach »viehisch« und »weniger viehisch« oder »am gefährlichsten« sind Unsinn. Wir arbeiten seit drei Monaten, und die Haftbedingungen sind im Prinzip überall gleich. Es gibt seltene Fälle von Übergriffen, aber die gibt es immer und in allen Kriegen. Dem einen gehen die Nerven durch, der andere ist vielleicht sowieso psychisch daneben. Jemand will Gefangene erschießen und läuft mit der MP herum, ein anderer will eine Handgranate in den Raum mit den Gefangenen werfen, um sich an ihnen zu rächen. Das sind in der Regel Leute mit niedrigem moralischen Niveau, ungebildet, die das große Wort führen. Oder die durch ihren psychischen Zustand oder nach Alkoholgenuß auf solche Ideen kommen.
Was sind das für Menschen, mit denen Sie verhandeln? Was für einen Charakter haben sie? Wofür tun sie das? Wahrscheinlich haben Sie sich ein Bild von ihnen machen können.
Und zu welchem Zweck macht die ukrainische Armee Gefangene? Was sind das für Menschen in der ukrainischen Armee und in den Freiwilligenbataillonen?
Das heißt, für Sie sind die einen wie die anderen?
Für Sie nicht? Sind für Sie sechs Millionen Bewohner der Region um Donezk und Lugansk plötzlich zu Feinden geworden?
Nein, friedliche Anwohner sind keine Feinde.
Und die 15000, die bewaffnet sind – sind das für Sie Feinde?
Alles in allem schon. Das sind schließlich Leute, die Leben und Gesundheit friedlicher Bürger bedrohen.
Jede Armee bedroht Leben und Gesundheit friedlicher Bürger. Dafür gibt es sie. Offiziere, die die Militärakademie abgeschlossen haben, sind professionelle Mörder, oder ist Ihnen das neu? Haben Sie das nicht gewußt? Das sind keine Leute, die auf Paraden Flaggen tragen, das sind Leute, die im Schützengraben andere Menschen umbringen. Das ist der Inhalt ihrer Ausbildung, so wie ich von meiner Ausbildung Jagdflieger bin. So ein schönes Wort, klingt so harmlos. Nehmen Sie das Wort »Flieger« weg, und es bleibt Jagd. Was ist mein Job? Zu jagen und zu töten.
Für mich sind diese Menschen dort keine Feinde. Ihnen fällt das leicht, sie aus Ihrer Position als Feinde zu betrachten. Aber ich kenne diese Leute seit langem. Unter ihnen sind Offiziere, Afghanistan-Veteranen, mit denen wir gemeinsam gegen (den geputschten Präsidenten Wiktor; jW) Janukowitsch protestiert haben. Dort gibt es Leute, mit denen wir auf dem Maidan gestanden haben. Auf dem Euromaidan. Aber wir haben ihn nicht so genannt.
Was meinen Sie mit »dort«?
Auf der anderen Seite. Die mit den Georgsbändchen, in den Volksrepubliken Donezk und Lugansk.
Diese Leute haben also mit Ihnen auf dem Maidan gestanden?
Ja, und jetzt kämpfen sie gegen die ukrainische Armee. Es gibt jetzt zwei Seiten.
Aber warum tun sie das?
Und warum hat der »Rechte Sektor« »das« auf dem Maidan getan? Oder warum haben die Leute auf dem Maidan gestanden?
Wenn sie auf demselben Maidan waren, warum stellen sie sich jetzt gegen dieselben Menschen, mit denen sie Seite an Seite gestanden haben?
Weil die Leute, die auf dem Maidan waren, sich mit der Absetzung Janukowitschs zufriedengegeben haben. Weiter ist bisher keine einzige Forderung von damals erfüllt worden. Und die Leute im Donbass haben entschieden, bis zum Schluß zu kämpfen. Ihnen hat es nicht gereicht, daß Janukowitsch weg war, sie wollen reale Veränderungen im Land. Die meisten Punkte, die sie fordern, sind dieselben, die auch auf dem Maidan vorgetragen wurden.
Das sieht aber ganz anders aus.
Dafür muß man sich bei den Journalisten bedanken und bei all den anderen, die sie als Terroristen verschrien haben. Auch diejenigen, die sich den Begriff »Antiterroroperation« haben einfallen lassen, statt »Krieg« zu sagen.