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Abdullah Ali steht auf der Motorhaube auf verlorenem Posten. Es geht ihm so wie der gesamten Rebellenarmee vor Bin Dschawwad: Keiner führt das Kommando. Keiner hört zu. Keiner weiß, was er macht. Kurz: Keiner kann sagen, wie sie den Krieg gewinnen sollen gegen den Machthaber Muammar al-Gaddafi.
Dessen Truppen haben sich rund 30 Kilometer weiter westlich eingegraben, schießen mit weitreichenden "Grad"-Raketenwerfern, rücken geordnet vor. Die Einschläge kommen näher, der Konvoi der Hals über Kopf von der 30 Kilometer entfernten Front fliehenden Rebellen wird schnell länger: Die Regierungstruppen schieben die Rebellen mit den Raketen vor sich her.
Wenige Minuten nach Alis fruchtloser Predigt beginnen auch die todesmutigen Rebellen auf dem Marktplatz von Bin Dschawwad die wilde Flucht: Ein chaotischer Treck aus Jeeps, Pick-up-Trucks, Kleinbussen und Autos setzt sich in Bewegung. Hunderte Männer schreien durcheinander, lose Munition tanzt auf den Ladeflächen, Granaten fallen auf den Asphalt. Zu sehen ist der ungeordnete Rückzug der Aufständischen aus Bin Dschawwad. Ihr Vormarsch auf Gaddafis Hauptstadt Tripolis ist vorerst gestoppt.
Mit Mut alleine ist dieser Krieg nicht zu gewinnen. Der Wüstenort Bin Dschawwad war erst vor drei Tagen von den Aufständischen eingenommen worden. Einen Tag später meldeten die Rebellen triumphierend, sie hätten auch den gut 150 Kilometer weiter westlich gelegenen Gaddafi-Heimatort Sirte erobert. Alles Wunschdenken.
Die Milizionäre des Diktators hatten sie in Hinterhalte gelockt, mit schweren Waffen beschossen. Vor allem aber: Die westlichen Kampfflugzeuge haben bisher nicht wirklich eingegriffen vor Sirte. Sie haben den Rebellen den Weg nicht freigebombt, wie sie es in den weiter östlich gelegenen Orten Adschdabija, Brega und Ras Lanuf getan hatten. Erst nachdem die Jets Gaddafis Bodentruppen ausgeschaltet hatten, konnten die Rebellen vorstoßen.