GOLEM |2. März 2023 | eine Analyse von Johannes Hiltscher
CHINA
Weltmeister bei Halbleiterpatenten - aber fast nur im Inland
Chinas Halbleiterbranche wächst, das zeigt auch die Zahl der Patentanmeldungen. Wir haben einen genaueren Blick auf die Zahlen geworfen. Die Volksrepublik China ist
2022 Spitzenreiter bei der
Anmeldung von
Patenten im Bereich
Halbleiter gewesen. Das teilte Mathys & Squire, eine britische Kanzlei für Patentrecht, nach Auswertung von Daten der World Intellectual Property Organization (Wipo) mit. Demnach wurden im Jahr 2022 weltweit
69.190 Patentanträge zu Halbleitern eingereicht.
Weltweit wird weniger patentiert
Mehr als die Hälfte der Anträge kommt aus China: Mit 37.865 stellten Unternehmen aus der Volksrepublik fast 55 Prozent der Anträge. Bei der Gesamtzahl an Patentanmeldungen liegt China bereits seit 2012 vor Japan und den USA. 2021 ging in Chinas Patentämtern fast die Hälfte aller weltweiten Patentanmeldungen ein, in zehn Jahren hat sich die Anzahl der Anträge mehr als verdreifacht.
Dabei zeigt sich allerdings eine kuriose Situation: Während sich in Japan und den USA Anmeldungen einheimischer und ausländischer Personen und Unternehmen in etwa die Waage halten, stammt die Mehrzahl der Anmeldungen in China aus dem Land selbst. Nur knappe 7,3 Prozent der Anmeldungen kommen aus dem Ausland. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass die chinesische Regierung Patentanmeldungen fördert. Bis Mitte 2021 wurden etwa Patentanmeldungen subventioniert. Anmeldungen aus China im Ausland sind ebenfalls deutlich seltener als bei anderen Ländern.
Was bedeuten die Zahlen?
Leider wird aus der kurzen Pressemitteilung von Mathys & Squire nicht klar, welche Datengrundlage verwendet wurde. Auf der Webseite der Wipo ist eine Reihe von Statistiken einsehbar, allerdings stammen die neuesten verfügbaren Zahlen von 2021. Nach Technologie aufgeschlüsselt lassen sich zudem nur erteilte und veröffentlichte Patente anzeigen, nicht die Anzahl der Anmeldungen. Die Zahlen unterscheiden sich, da nach Auskunft der Wipo zwischen Anmeldung und Veröffentlichung in der Regel mehrere Monate liegen und Anmeldungen zurückgezogen werden können.
Zudem sind verschiedene Datenansichten inkonsistent. Sehen wir uns etwa die Patentveröffentlichungen nach Herkunftsland des Anmelders gefiltert an, kommt China 2021 auf 29.879 Veröffentlichungen. Lassen wir die Daten zusätzlich noch nach dem Patentamt, in dem die Anmeldung erfolgte, aufschlüsseln, sind es in Summe nur 26.664. Dennoch zeigt sich auch bei den Halbleitern das gleiche Bild wie bei der Summe der Patentanmeldungen: Der Großteil der Anmeldungen chinesischer Unternehmen erfolgt in China. Doch auch die Zahl internationaler Anmeldungen steigt, 2021 erfolgten fast 14 Prozent der Anmeldungen in den USA. In reinen Zahlen wurden 2021 von
chinesischen Unternehmen in den USA
zwölfmal mehr Patente angemeldet als noch zehn Jahre zuvor.
Weltweit wird weniger patentiert
Zudem ist China neben
Südkorea das einzige Land, in dem in den vergangenen zehn Jahren die Anzahl der im Halbleiterbereich angemeldeten Patente stieg. Und der Anstieg ist dramatisch: 2021 meldeten Personen, Unternehmen und Forschungseinrichtungen aus China
viereinhalbmal so viele Patente an wie noch zehn Jahre zuvor. Hier zeigt sich eindrucksvoll die gewachsene Bedeutung der Halbleiterindustrie im Land.
Allerdings scheint die Wipo die
Volksrepublik und die
Republik China – Letztere ist besser bekannt als Taiwan – nicht zu trennen. Das macht die Interpretation der Zahlen zum Ratespiel, denn laut Mathys & Squire meldete allein die Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC) 4.793 Patente an. Die werden, so teilte uns die Wipo auf Anfrage mit, nach Herkunft des erstgenannten Anmelders verbucht. Da
Taiwan nicht von den Vereinten Nationen anerkannt ist, wird bei Patenten von Anmeldern aus dem Land als Herkunft des Anmelders
"Unbekannt" angegeben. TSMC etwa meldet zwar viele Patente sowohl über die taiwanesische Muttergesellschaft als auch die chinesische Tochter an, in der Statistik werden die allerdings
nicht China zugeschlagen.
Die nackten Zahlen lassen also kaum Schlüsse zu, ob sich Unternehmen aus der Volksrepublik mit den Patenten gegen ihre einheimischen Konkurrenten rüsten oder im internationalen Wettbewerb aufholen. Auch ob die angemeldeten Patente international durchsetzbar wären, geht daraus nicht hervor. Ob sie als Gegengewicht zur Handelsblockade der USA taugen, wie zwei Wissenschaftler kürzlich vorschlugen, ist also ungewiss.
Dennoch wäre es verkehrt, chinesische Halbleiterhersteller zu unterschätzen.
https://www.golem.de/news/china-welt...03-172273.html