Zitat:
Am 1. September marschierten deutsche Truppen in Polen ein. Trotzdem gab Mussolini nicht auf. Am Vormittag des 2. September schickt er folgende Nachricht nach Berlin:
"Zur Information läßt Italien, dabei jede Entscheidung dem Führer überlassend, wissen, daß es seiner Regierung noch immer möglich ist, das Prinzip einer Konferenz mit Frankreich, England und Polen auf folgender Basis zu akzeptieren:
1. Waffenstillstand, der sie Armeen in ihrer aktuellen Position beläßt.
2. Einberufung der Konferenz innerhalb von 2-3 Tagen
3. Lösung der deutsch-polnischen Streitfrage auf Grundlage der aktuellen Lage, was Deutschland sicher begünstigen wird.
Heute ist es vor allem Frankreich, das sich dem Vorschlag des Duce anschließt.
Man bemerkt, daß Mussolini in dieser Nachricht loyalerweise den Vorschlag Englands aufgreift, den es vorbrachte, um die Konferenz zum Scheitern zu bringen.
Dennoch akzeptiert Hitler diese Konferenz. Alles, was er wünscht, daß zwei diplomatische Noten Frankreichs und Englands, die ihm am Vortage zugegangen sind, und in denen er aufgefordert wurde, seine Aktion gegen Polen einszustellen, keine Ultimaten sind, und die deutsche Regierung bis zum nächsten Tag Zeit hat, darauf zu antworten.
Dank der französischen und englischen Botschafter, die in sein Büro gekommen sind, erfuhr der italienische Botschafter sofort, daß die beiden diplomatischen Noten keine Ultimaten sind. Am Mittag des 2. September ist noch nichts verloren: ein Waffenstillstand, gefolgt von Verhandlungen, ist noch immer möglich.
Unverzüglich in's Bild gesetzt ruft der französische Außenminister seinen britischen Amtskollegen Lord Halifax an, um eine Antwort zu verfassen, die von Deutschland akzeptiert wird.
Zwei Tage vorher forderte Großbritannien die Demobilisation, in der Hoffnung, diese Forderung würde das italienische Projekt zum Scheitern bringen.
Doch Hitler hatte einen Waffenstillstand akzeptiert und seine Zustimmung zu dieser Konferenz gegeben. Somit war es nötig, eine neue Forderung zu formulieren, die diesesmal vom Reichskanzler nicht akzeptiert werden konnte. Diese Forderung wurde von Lord Halifax während eines Telephongesprächs mit Georges Bonnet formuliert und von letzterem niedergeschrieben.
Hier, was der britische Außenminister erklärt: " Graf Ciano hat mir gesagt, daß das Projekt der Konferenz auf der Grundlage eines Waffenstillstands realisiert werden muß und unverzüglich. Ich habe Graf Ciano geantwortet, daß meine Regierung es für notwendig halte, daß sich die deutschen Truppen vorher aus Polen zurückziehen und es schwierig sei, sich eine Konferenz unter den gegenwärtigen Bedingungen vorzustellen. Graf Ciano sagte mir, eine solche Vorbedingung sei für Herrn Hitler inakzeptabel, und dieser bestenfalls einen Waffenstillstand akzeptieren würde, bei dem die Truppen in ihren gegenwärtigen Stellungen verbleiben würden. Danach könne die Konferenz anberaumt werden"
Ciano hatte recht. Die neue britische Forderung war in in der Geschichte der Diplomatie ein nie dagewesener Präzedenzfall. Wenn ein Streit zwischen zwei Ländern in einen bewaffneten Konflikt ausartet, und Verhandlungen wieder Platz greifen können, bleibt jede Armee in ihren Positionen.
Wenige Minuten nach diesem Gespräch klingelt das Telephon erneut. Charles Corbin ist am Apparat. Er bestätigt die englische Forderung nach einem Rückzug der Truppen. Er informiert unseren Außenminister, daß die britische Regierung "sich fragt, ob Reichskanzler Hitler, um seine Macht über das polnische Territorium zu vergrößern, seine Antwort auf die französisch-englische Note vom Vortag nicht absichtlich verschieben würde?
Die Engländer sagten: "Sobald er die seiner Ansicht nach notwendigen Positionen besetzt hat, wird sich Hitler an die Länder wenden und erklären, daß er den Krieg mit Polen nicht fortsetzen will, sobald er Danzig und den Korridor hat, den deutschen Minderheiten Schutz gewährt und in der Lage ist, einen großzügigen Frieden auf Grundlage der Bedingungen zu machen, die er am 31. August angedeutet hat."
Lord Halifax meint, es sei unmöglich, die gegenwärtige Situation sich fortsetzen zu lasssen.
Deshalb hat er am 1. September vorgeschlagen, daß unsere Repräsentanten in Berlin ohne jedes Zögern die Reichsregierung in Kenntnis setzen, daß unsere Regierung sich mit Deutschland als im Kriegszustand betrachtet, wenn ihren Forderungen nicht entsprochen werde oder sie innerhalb weniger Stunden keine Antwort erhalte. Lord Halifax faßte sogar eine Erklärung in's Auge, in der die Botschafter kundgeben, daß sich Frankreich und England ab sofort als mit dem Reich im Krieg befindlich betrachten. Man muß auch darauf gefaßt sein, daß der Kanzler Hitler, um Zeit zu gewinnen, eine Erklärung wie die oben erwähnte abgibt:
Dieser Hypothese folgend ist die britische Regierung der Ansicht, daß es nicht möglich ist, Verhandlungen aufzunehmen, bevor Polen nicht von deutschen Truppen befreit wurde.
Diese Passage ist entscheidend, denn sie beweist, daß man in den hohen englischen Sphären die These nicht glaubte, wonach Hitler Polen zerschlagen wollte: man wußte im Gegenteil, daß der deutsche Kanzler ehrlich war, als er einzig und allein Danzig und den Korridor forderte. Diese Mitteilung zeigt auch, daß England eine Begrenzung des Konflikts fürchtete. Was London wollte, was eine allgemeine Explosion.
Damit wurde die durch das italienische Angebot erzeugte Friedenshoffnung immer kleiner. Sie verminderte sich umso mehr, als um 15 Uhr die polnische Antwort bezüglich der Friedenskonferenz im Aupenministerium eintraf. Sie war negativ. Oberst Beck, Chef der polnischen Diplomatie, erklärte:
"Wir sind mitten im Krieg, infolge einer nicht provozierten Aggression. Die Frage, die sich stellt, ist nicht die einer Konferenz, sondern einer gemeinsamen Aktion, die von den Alliierten geführt werden muß, um dagegen zu widerstehen. Im übrigen habe ich von keiner Seite her etwas von dem italienischen Projekt gehört."
Im Wissen, daß sich Polen seit Monaten jeder Verständigung mit Deutschland verweigerte, war diese Aussage logisch.