20Min.ch /
30 JAHRE ISLAMISCHE REPUBLIK
Israel und Iran – mal Freund, mal Feind
Die Beziehungen zwischen Israel und Iran waren nicht immer schlecht. Bis zum Ende des Kalten Krieges halfen sie sich gegenseitig, ihre arabischen Nachbarn in Schach zu halten. Heute ringen sie um die Vormachtstellung im Nahen Osten. Der israelische Staatspräsident Schimon Peres hat seinen iranischen Amtskollegen Mahmud Ahmadinejad unlängst als
«persische Version Hitlers» bezeichnet. Vor 20 Jahren riet derselbe Peres (damals israelischer Aussenminister), Israel und die USA müssten
«umfassende strategische Beziehungen zur Islamischen Republik Iran herstellen».
Was hat Israel zu einer solchen Kehrtwende veranlasst?
Das Verhältnis zwischen Israel und Iran ist kompliziert - und hat eine sehr lange Geschichte. Sie beginnt im Jahr 537 v.Chr., als der persische König Cyrus der Grosse die Juden aus babylonischer Gefangenschaft befreite, ihnen die Rückkehr nach Jerusalem erlaubte und den Wiederaufbau ihres Tempels finanzierte. Von diesem steht heute noch die Klagemauer, die wichtigste religiöse Stätte des Judentums.
Zwei Sonderlinge im arabisch-islamischen Raum
Zahlreiche Juden liessen sich in der Folgezeit im Iran nieder, wo ca. 20 000 ihrer Nachfahren bis heute leben. 651 n.Chr. erlebten sie die Niederlage des persischen Reiches gegen die Araber und die Islamisierung des gesamten Nahen Ostens. Die Juden sind zwar wie die Araber semitischer Abstammung, unterscheiden sich aber von ihnen in ihrer Religion. Und die Iraner übernahmen zwar von den Arabern den Islam, bewahrten aber die persische Sprache und andere Teile ihrer indoeuropäischen Kultur.
In der darauffolgenden Zeit etablierten sich jüdische Minderheiten trotz sporadischer Verfolgungen vielerorts im arabischen Raum. Iran kämpfte gegen mongolische, osmanische und manch andere Invasoren, bevor es im 20. Jahrhundert durch die Entdeckung bedeutender Erdölvorkommen wieder an Einfluss gewann. Schliesslich zwang eine Reihe von Entwicklungen die beiden Sonderlinge, sich wesentlich intensiver miteinander auseinanderzusetzen als bisher: Die Staatsgründung Israels, der Panarabismus und der Kalte Krieg.
Strategie der Peripherie
Israel war seit seiner Staatsgründung 1948 von arabischen Feinden umgeben und gezwungen, sich nach Verbündeten in der Region umzusehen. Premierminister David Ben Gurion entwickelte die sogenannte Peripherie-Strategie: Israel würde nicht-arabische Länder in der Region unterstützen, die in der Lage waren, dem arabischen Einfluss Grenzen zu setzen. Die Wahl fiel nicht von ungefähr auf die
Türkei und
Iran, zwei
nicht-arabische Schwergewichte, deren
geopolitische Ambitionen oft genug mit jenen der Araber
kollidierten.
Für den
Schah von
Iran war dies eine ideale Konstellation: Auch er wollte mit der Unterstützung
Israels ein Gegengewicht zu seinen arabischen Nachbarn schaffen. Ein besonderes Problem stellte Irak dar, den Saddam Hussein mit Unterstützung der Sowjetunion zur militärischen Grossmacht aufgebaut hatte und sowohl Israel als auch Iran bedrohte. Der Titel eines Pamphlets von Saddam Husseins Onkel und Schwiegervater Khairallah Tulfah lautet vielsagend:
«Diese drei hätte Gott nicht schaffen sollen: Perser, Juden und Fliegen».
Israel und Iran brauchten einander in einem feindlich gesinnten, arabischen Umfeld und pflegten enge Beziehungen in militärischen, aber auch wirtschaftlichen und politischen Belangen.
Wende mit Islamischer Revolution
1979 beendete die Islamische Revolution die Herrschaft des Schahs und Ayatollah Khomeini übernahm die Macht im Iran. Anstatt durch die Unterstützung Israels die Araber zu schwächen, bemühte er sich um deren Sympathien, indem er dem Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern eine religiöse Dimension verlieh: Die israelische Besetzung Jerusalems war in dieser neuen Lesart keine Beleidigung der Araber allein sondern aller Moslems.
Iranische Revolutionäre stürmten die diplomatische Vertretung Israels in Teheran und übergaben sie symbolisch Jassir Arafats PLO. Doch noch bevor Israel die Geburt seines neuen Erzfeindes in seiner ganzen Tragweite begriffen hatte, drehte Saddam Hussein 1980 mit seinem Überraschungsangriff auf den Iran die Zeit noch einmal zurück. Was nun folgte ist wohl das bizarrste und widersprüchlichste Kapitel in der Geschichte israelisch-iranischer Beziehungen.
Freund und Feind zugleich
Während die islamischen Fanatiker in Teheran den Rest der Welt in Angst und Schrecken versetzten, schätzte Israel die Konsequenzen eines irakischen Sieges als gefährlicher ein und beschloss, Iran weiter zu unterstützen und mit Waffen zu versorgen – das zu einer Zeit, wo beide Supermächte, Europa und die gesamte arabische Welt (mit der Ausnahme von Syrien) Saddam Hussein unterstützten. Als die israelische Luftwaffe 1981 den irakischen Atomreaktor Osirak bombardierte, hatte sie im Vorfeld iranische Geheimdienstinformationen über dessen genauen Standort erhalten. Auch in der Iran-Contra-Affäre, wo amerikanische Waffen in den Iran geschleust wurden, war Israel involviert.
Ayatollah Khomeini arbeitete derweil weiter an seinem Image als Kämpfer für die Befreiung Palästinas und liess keine Gelegenheit aus, Israel zu kritisieren. Einmal prophezeite er das baldige Verschwinden des jüdischen Staates aus den Geschichtsbüchern, ein Zitat, das 20 Jahre später für Aufregung sorgen sollte. Das war der Modus Vivendi zwischen Israel und der jungen Islamischen Republik Iran: Israel hilft Iran, Saddam Hussein in Schach zu halten. Iran beschränkt sich im Gegenzug darauf, Israel nur verbal anzugreifen. Angesichts der irakischen Gefahr hatten sich die beiden Sonderlinge noch einmal zusammengerauft.
Moment der Wahrheit
Der Krieg zwischen Iran und Irak endete 1988. Die irakische Gefahr wurde drei Jahre später von den Amerikanern mit der Operation Desert Storm neutralisiert, nachdem sich Saddam Hussein mit seinem Einmarsch in Kuwait verspekuliert hatte. Zur gleichen Zeit endete der Kalte Krieg mit dem Untergang der Sowjetunion, wodurch die Araber ihre Schutzmacht endgültig verloren. Als sich der Staub um diese epochalen Ereignisse gelegt hatte, war für Israel und Iran der Moment der Wahrheit gekommen: Den gemeinsamen Freund, die USA, hatte Iran mit der Botschaftsbesetzung 1980 verloren.
Den grossen gemeinsamen Feind, die Sowjetunion, gab es nicht mehr und der kleine, Saddam Husseins Irak, war besiegt. Auf dem grossen geopolitischen Schlachtfeld Naher Osten waren sie alleine übrig geblieben und um dessen Vorherrschaft begannen sie sich nun leidenschaftlich zu streiten.
...
https://www.20min.ch/story/israel-un...d-626559058524