Zitat von
OneDownOne2Go
Tut mir leid, dir zu widersprechen. Ich wünschte, du hättest - unter realpolitischen Gesichtspunkten - Recht. Faktisch kommt es aber nicht darauf an, was die Ukrainer wollen, was gut für die Ukraine wäre, und schon gar nicht darauf, wie eine saubere, demokratisch legitimierte Lösung dieses Konflikts aussehen müsste.
Deren Schicksal wird, wie auch lange das Schicksal Deutschlands, davon bestimmt, an der Nahtstelle zwischen zwei Großmächten zu liegen. Die ursprüngliche politische Destabilisierung der Ukraine hatte ihre Ursache im, na, nennen wir es mal "intensiven Werben" der EU um Einfluss in der Ukraine, in Kombination mit einer unglaublichen Taktlosigkeit, zum Beispiel vom IWF. Was viele gerne vergessen ist, dass die Ukraine eine demokratisch gewählte Regierung hatte, bevor diese im Rahmen eines Vorgangs, den man nur Putsch nennen kann, beseitigt wurde. Was danach kam und noch kommt, ist direkte Folge dieser Geschehnisse, und das schließt Russlands aktuelle Haltung ein. Keine Seite - die europäische so wenig, wie die russische oder die amerikanische - hat zu irgend einem Zeitpunkt nach diesem Putsch eine deeskalative Startegie verfolgt, und keine Seite hat wirklich danach gefragt, was die Menschen in der Ukraine wollen.
Verfolgt man unsere Medien, wollen die Ukrainer offenbar dringend in die EU und in die NATO, verfolgt man russische Medien, will zumindest die Hälfte der Ukrainer sich lieber an Russland anschließen, der Rest sind Verräter und bezahlte Agitatoren, und die amerikanischen Medien - zumindest die, die wissen, wo die Ukraine liegt - lesen sich und hören sich an, als sei der kalte Krieg zurück - und Schuld trägt natürlich alleine Putin.
Du sagst, es kann nur dann eine Lösung geben, wenn zuvor die Situation in der Ostukraine stabilisiert ist, das geht aber nur mit militärischen Mitteln*, und es wäre das erste Mal, dass ein Konflikt auf diese Weise wirklich gelöst wird. Sicher, die Besetzung öffentlicher Gebäude und die Abriegelung ganzer Städte kann militärisch** beendet werden, die Opfer die das kosten wird, werden aber jeden Weg endgültig verstellen, die territoriale Einheit der Ukraine zu erhalten. Am Ende steht dann, was sich schon jetzt abzeichnet, ein failed state, der über große - und lebenswichtige - Teile seines Territoriums nur mit Gewaltmitteln Kontrolle ausüben kann.
Wir haben am Beispiel Yugoslawien gesehen, dass nicht zusammen bleibt, was nicht zusammen bleiben will, im Unterschied zu diesem Konflikt, der lokal begrenzt geblieben ist, birgt aber eine Eskalation in der Ukraine das Potenzial, sich auszubreiten. Wenn wir Pech haben, dann bis zu uns. Und das hat nichts mit Putin zu tun, es ist gänzlich gleich, wer im Kreml sitzt, so lange er russische Interessen verfolgt, so lange wird er den Anspruch auf russischen Einfluss in der Ukraine nicht aufgeben.