Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden: Das Kopftuch an Schulen darf nicht pauschal verboten werden, NRW muss sein Schulgesetz überarbeiten. Ist das richtig? Das sagen die Medien.
• "Die öffentliche Schule ist keine religiöse Erziehungsanstalt", mahnt Reinhard Müller in der "Frankfurter Allgemeinen". Auch Kippa, Nonnenhabit oder eben Kopftücher müssten für staatliche Lehrkräfte tabu sein. Natürlich müsse man das Grundrecht des Einzelnen auf Religionsfreiheit im Blick haben - aber eben nicht nur. Fortan würden nämlich Kinder in einer vom Staat geschaffenen Lage ohne Ausweichmöglichkeit dem Einfluss einer Religion ausgesetzt - so wie es das Bundesverfassungsgericht beim Kruzifix im Klassenzimmer kritisiert hat.
• Das Bundesverfassungsgericht habe endlich einen unhaltbaren Zustand beendet – und zugleich einen neuen erzeugt, argumentiert Heide Ostreich auf "taz.de". Der Ungleichbehandlung der Religionen sei eine Absage erteilt, aber gleichzeitig die Schultüren für einen Kulturkampf geöffnet. Denn nur solange der Schulfrieden nicht gestört sei gelte die Erlaubnis ein Kopftuch zu tragen. Nun könnten alle, die es wollen, den Schulfrieden stören, indem sie Lehrerinnen mit Kopftuch anfeinden. "Pegida wird jubeln."
• "Mit der Aufhebung des Pauschalverbots für Kopftücher an Schulen hat das Bundesverfassungsgericht richtig entschieden", schreibt Heribert Prantl auf "sueddeutsche.de". Das Kopftuch sei ein kleines Bekenntnis, nicht aggressiv oder bedrohlich. Im Sinne der Gleichbehandlung der Religionen gehe es nicht, dass eine Ordenstracht erlaubt ist, das Kopftuch aber nicht. Wenn eine muslimische Lehrerin, die für diesen Staat und seine Grundordnung einsteht, ein Kopftuch trage sei das eine gute Botschaft. Endlich hätten die Richter das gesagt, was das Grundgesetz gebiete.
• "Eine differenzierte Entscheidung, die im Alltag schwer umzusetzen ist", meint Christof Haverkamp von der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Das nur 60 Gramm schwere Kopftuch sei eben ein Symbol für Vieles: Es könne für Emanzipation stehen, aber auch für Unterdrückung; es könne ein religiöses Symbol sein, aber ebenso politisches. Aber eine komplette Freigabe des Kopftuches an Schulen hätten die Karlsruher Richter mit der Klausel zur "hinreichend konkreten Gefahr" auch keineswegs erteilt. Allerdings werde es schwierig werden, diese Ausnahme in einem praktikablen Gesetz zu erfassen.
• Da Staat und Religion in Deutschland nicht konsequent getrennt seien, müsse man diese Urteil begrüßen, kommentiert Parvin Sadigh auf "Zeit Online". Der Staat ziehe Kirchensteuer ein und in vielen Bundesländern gebe es an Schulen bekennenden Religionsunterricht, katholischen, evangelischen und auch muslimischen. Außerdem: Allein um Schülern mit Migrationshintergrund zeigen, dass sich die Anstrengung lohnt, brauche man mehr Beamte mit Migrationshintergrund. "Manche von ihnen sind gläubige Muslime, und manche der Musliminnen wollen ein Kopftuch tragen. Na und?"
• "Die Entscheidung aus Karlsruhe ist richtig, weil sie eine Entscheidung gegen Panikmache und Hysterie darstellt", betont Walter Bau in der "WAZ". Eine Bedrohung stelle das Kopftuch genau so wenig dar wie der Habit einer katholischen Nonne oder die Kippa eines Juden. Und die Gleichberechtigung der Religionen sei im Grundgesetz garantiert. Auch wenn das Urteil Aufregung provozieren dürfte, sei jetzt vor allem Besonderheit gefragt. Nur so könne die unweigerlich anstehende Kopftuch-Debatte in eine fruchtbare Diskussion über Integration und Toleranz münden.
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