Zitat von
Bunbury
Man sehe es mir nach, nicht erst 22000 Beiträge zu lesen, ehe ich etwas zum Thema sage.
Mein Eindruck von den 'patriotischen Europäern', gewonnen aus Facebook als der Primärquelle, ferner aus der ungekürzten NDR-Dokumentation und den Stellungnahmen diverser Blogger und Forumsnutzer: Es handelt sich bei Pegida um keine homogene Gruppe, über die man pauschal urteilen könnte.
Das kleinste gemeinsame Vielfache bei dieser Protestbewegung ist ein diffuses Unbehagen, das Gefühl, von "denen da oben" (= einer abgehobenen Kaste selbstherrlich Regierender) nicht mehr vertreten zu werden. Das ist ein Befund, worin sich Rechte und Linke vielleicht noch begegnen können, und er ist nachvollziehbar: Als NATO- und EU-Mitglied, als Mitglied der Euro-Zone und als Teil des Schengen-Raums hat sich Deutschland in vielen Bereichen gebunden; nationales Recht wird durch übernationale Vereinbarungen bedeutungslos; die Politiker haben sich zum Teil selbst entmächtigt und werden zu reinen Vollzugsorganen, und das verstärkt sich noch, wenn die EU zusammen mit den USA und Kanada eine Freihandelszone bildet.
Zu diesem diffusen Gefühl, an der politischen Willensbildung nicht mehr beteiligt zu sein, außer in turnusmäßigen Abständen als Stimmvieh (dessen Instinkte offenbar als sehr niedrig eingestuft werden, wenn man sich die beleidigend dummen Wahlplakate ansieht), kommt der Sinnverlust, den die moderne, großstädtisch geprägte Lebensweise mit sich bringt: Anonymität, Einsamkeit, der Verlust von Traditionen - auch das ein vergleichsweise trivialer soziologischer Befund, der aber nicht dadurch falsch wird, daß er schon ein alter Hut ist.
Woran sich die Geister scheiden, das ist das bei einem sich rapide vergrößernden Teil der Bevölkerung zunehmende Gefühl, durch Menschen "mit Migrationshintergund" einer ganz neuen Art von Kriminalität ausgesetzt zu sein, die es früher nicht gab. Beispiel: Ehrenmorde, Messerattacken, unfaßbare Brutalität. Auf einen am Boden liegenden Menschen einzutreten, und zwar vorsätzlich gegen den Kopf, war bis in die achtziger Jahre hinein undenkbar. Sobald jemand am Boden lag, galt ein Streit als beendet. Heute wird diese Art von Brutalität beschwiegen oder - als Folklore - zu einem Ausdruck südländischer Vitalität verklärt, und wer beim kollektiven Beschweigen resp. Verharmlosen nicht mitmacht, der wird in die rechte Ecke gedrängt. Bei Pegida demonstrierten Menschen, die sich von dieser Taktik nicht mehr haben einschüchtern lassen.
Hinzu kommt die Hilflosigkeit angesichts der Schreckensbilder, die via Internet und TV aus dem Irak, aus Syrien, Nigeria und sonstwoher zu uns kommen: Bilder und Filme von wehrlosen Menschen, die gefoltert, verstümmelt oder auf qualvolle Weise ermordet werden. Zu Zeiten des Vietnam-Kriegs haben solche (im Vergleich zu heute harmlosen) Bilder einen Teil der Bevölkerung auf die Straße getrieben und gegen die US-amerikanische Kriegspolitik demonstrieren lassen. Jetzt ist es ein anderer Teil der Bevölkerung, der sich davon auf die Straße treiben läßt und gegen den gewalttätigen Islamismus demonstriert.
Nur ein Bruchteil dieser Demonstranten steht politisch rechts bzw. ist (neo)nazistischer Umtriebe verdächtig. Vor dem eingeschalteten Reportermikrophon haben sich Pegida-Demonstranten nicht immer als sehr wortmächtig erwiesen; ihre Schlußfolgerungen hatten oft etwas von einem gedanklichen Kurzschluß an sich. Aber es hängt von der Voreingenommenheit eines Journalisten ab, solche Kurzschlüsse bei der abendlichen Berichterstattung in denunziatorischer Absicht vorzuführen - was leider oft genug geschehen ist und wiederum mit der Deutungshoheit zusammenhängt, die das linksliberale Establishment nicht kampflos aufgibt.
Die Einseitigkeit der Berichterstattung, die Taktik, jedes Abweichen von der offiziellen Sprachregelung ("Willkommenskultur", "Bereicherung") als 'rechts' zu brandmarken, haben zur pauschalen Bezeichnung der Mainstream-Medien als 'Lügenpresse" geführt. Aber bei einigen Publikationsorganen - zum Beispiel der FAZ - macht sich eine vorsichtige Absetzbewegung von der Sprachregelung bemerkbar, wenn auch nur sehr ängstlich und vorsichtig.
Das Mindeste wäre für alle Beteiligten wäre, auf Pauschalisierungen (hie Rechte, dort Lügner) zu verzichten, um ins Gespräch zu kommen.