Taliban überrannten Afghanistan ohne Gegenwehr
Die gekaufte Kapitulation
16.08.2021 - 11:45 Uhr
In weniger als ZWEI WOCHEN haben die Taliban Provinz für Provinz in Afghanistan unter ihre Schreckensherrschaft gebracht. Um 21.45 Uhr erklärten die Terroristen im Präsidentenpalast in Kabul ihren Sieg. Afghanistan wird zum „Islamischen Emirat Afghanistan“ - ein neuer Terrorstaat.
Das atemberaubende Tempo, mit dem die Taliban das Land überrollte und am Sonntagabend schließlich den Präsidentenpalast in der Hauptstadt Kabul ohne Widerstand einnahmen, überraschte Politik und Militär in Washington und in anderen westlichen Hauptstädten.
Folge: Rette sich, wer kann!
Am Flughafen Kabul spielen sich chaotische Evakuierungsszenen ab, ausländische Staaten wollen ihr Personal nur noch so schnell es geht aus dem Land fliegen. Auch die Bundesregierung schickt mehrere A400M, um Menschen zu evakuieren.
20 Jahre Militär-Ausbildung aus dem Ausland, Milliarden an Steuerzahlergeld – alles futsch!
Wie begann der Kollaps?
Nicht auf dem Schlachtfeld, sondern mit einer Serie von Deals, die die Taliban in Dörfern mit niedrig-rangigen Vertretern der afghanischen Regierung aushandelten.
Sie wurden oft als „Waffenstillstände“ beschrieben, waren aber in Wahrheit erkaufte Kapitulationen, wie eine Analyse aus der
„Washington Post“ erklärt. Die US-Zeitung hat mit Dutzenden afghanischen Soldaten und Polizisten gesprochen, die alle sagten: Die Taliban haben die lokalen Führer nach und nach einfach gekauft.
Sie boten Geld dafür an, dass die lokalen Verantwortlichen ihre Waffen abgeben, wie die US-Zeitung einen afghanischen Offizier und einen US-Beamten anonym zitieren.
Diese Praxis, die auf kleinster lokaler Ebene ihren Lauf nahm, breitete sich in den vergangenen anderthalb Jahren zunächst auf Bezirks- und schließlich auf Provinz-Ebene aus.
Was hatte diese Korruption ausgelöst?
Das Doha-Abkommen vom Februar 2020. In der katarischen Hauptstadt hatten die USA und die Taliban über einen Abzug der US-Truppen verhandelt.
Unmittelbare Folge: Unsicherheit, die den Taliban zugutekam. Vielen afghanischen Regierungskräften wurde sofort klar, dass sie sich auf dem Schlachtfeld nicht mehr viel länger auf das US-Militär in der Luft und am Boden verlassen konnten.
„Dieses Dokument haben wir alle als das Ende angesehen. Jeder hat dann nur noch auf sich selbst aufgepasst“, zitiert die „Washington Post“ einen afghanischen Offiziellen. Die Veränderung sei noch am selben Tag zu spüren gewesen. Ab da habe jeder nur noch auf sich selbst aufgepasst.
Biden trat Kapitulations-Lawine los
Richtig ins Rollen kam die Kapitulations-Lawine im April 2021. Da verkündete US-Präsident Joe Biden (78) den bedingungslosen Rückzug aus Afghanistan im Sommer.
„Einige wollten nur das Geld“, sagt ein afghanischer Soldat der Spezialkräfte, der anonym bleiben wollte. Andere hätten aber einfach auf der Siegerseite stehen wollen, als sicher feststand, dass die USA sich zurückziehen und die Taliban wieder die Macht übernehmen würden.
Warum waren die Polizisten so leicht käuflich?
Weiteres Problem: Die Taliban hatten leichtes Spiel bei der Bestechung: Denn viele afghanische Streitkräfte wurden seit Monaten nicht bezahlt, wie mehrere Polizei-Offiziere der „Washington Post“ erklärten. Allein in Kandahar hätten Polizisten seit sechs bis neun Monaten kein Gehalt bekommen.
So waren die Taliban-Gelder einfach verlockender. Und: „Ohne die USA musste niemand fürchten, bei der Korruption erwischt zu werden“, wie ein Polizist erklärt. „Dies hat die Verräter aus unseren eigenen Armee-Reihen hervorgebracht“.
Das sagen afghanische Soldaten und Polizisten
▶︎Ein Offizier der Spezialkräfte, der in Kandahar stationiert war, erzählt, wie er den Befehl seines Kommandeurs bekam, einen Grenzposten aufzugeben. „Wir wollen kämpfen! Wenn wir kapitulieren, werden die Taliban uns töten.“
Sein Kommandeur habe aber befohlen, keinen einzigen Schuss zu feuern. Der Grenzposten wurde aufgegeben, der Offizier floh. „Ich schäme mich dafür“, sagt der Offizier. „Wäre ich aber nicht geflohen, hätte mich meine eigene Regierung an die Taliban verkauft.“
▶︎Die wiederholten Rückzüge in den letzten drei Monaten hätten seinen Stolz verletzt, hatte ein Polizei-Kommandeur namens Bacha (34) in der Gegend um Kandahar schon Anfang des Monats gesagt, wie die „Washington Post“ weiter berichtet. Zur völligen Verzweiflung treibe ihn aber, dass er kein Gehalt bekomme. Einem Reporter sagte er: „Das letzte Mal, als Sie hier waren, haben die Taliban 150 Dollar für jeden angeboten, der sich ihnen anschließt. Wissen Sie, wie viel sie jetzt bieten?“ fragte er. Viele seiner Männer lehnten sich vor, um die Antwort zu erfahren.
https://www.bild.de/politik/ausland/...e.bild.desktop