GERMANY TRADE & INVEST GTAI | 09.10.2023 |
von Susanne Nienaber von Tuerk, Becker, Glynn, Muffly, Chassin & Hosinski LLP) (New York)
Arbeitsrecht USA
Jeder Bundesstaat, aber auch Metropolen wie New York City oder San Francisco, haben eigene Vorschriften, die neben den Bundesgesetzen Anwendung finden.
Rechtsgrundlagen
Die folgende Übersicht der allgemeinen Schutzgesetze beschränkt sich auf Fragen des Individualarbeitsrechts und erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit.
◦ Mehr und mehr Bundesstaaten, wie zum Beispiel Kalifornien, Colorado, Connecticut, Maryland und Washington, aber auch Städte wie New York City schreiben nun gesetzlich vor, dass Stellenausschreibungen auch die zu erwartende Gehaltsskala enthalten. Fragen nach der Höhe des letzten Gehalts sind in mehreren Bundesstaaten, darunter in Kalifornien, nicht erlaubt.
◦ Der
Immigration Reform and Control Act verbietet Arbeitgebern die Beschäftigung von Ausländern, die keine Arbeitserlaubnis haben. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die Identität und die Arbeitserlaubnis eines jeden Bewerbers zu prüfen. Der Bewerber muss in diesem Zusammenhang ein von der Einwanderungsbehörde vorgeschriebenes Formular (I-9) ausfüllen und durch Vorlage bestimmter Dokumente seine Arbeitserlaubnis nachweisen.
◦ Der
Fair Labor Standards Act (FLSA) regelt unter anderem den Mindestlohn, Überstunden und allgemeine Arbeitszeitfragen.
◦ Der
Family and Medical Leave Act (FMLA) verpflichtet Firmen ab einer bestimmten Mitarbeiterzahl, berechtigten Angestellten bis zu zwölf Wochen
unbezahlten Urlaub im Jahr zu gewähren. Dieser
unbezahlte Urlaub kann im Krankheitsfall, nach der Geburt oder Adoption eines Kindes oder für die Pflege von kranken Kindern, Eltern oder Lebenspartnern genommen werden. Einige Bundesstaaten (darunter Arizona, Kalifornien, Connecticut, Maryland, Massachusetts, Minnesota, New Jersey, Oregon, Rhode Island, Washington und Vermont) haben ihren eigenen FMLA mit oft unterschiedlichen Voraussetzungen. Auch Städte wie New York, Seattle, Washington, D.C. und San Francisco sowie Landkreise wie Westchester County, ein Vorort von New York City, verpflichten Firmen oft ab einer bestimmten Mitarbeiterzahl zur Lohnfortzahlung (i) im Krankheitsfall oder (ii) im Fall der Pflege naher Angehöriger. Diese sogenannten
“paid sick days“ beschränken sich in der Regel auf nicht mehr als
fünf Arbeitstage im Jahr.
...
◦
Occupational Safety and Health Act (OSHA): Unabhängig von der Betriebsgröße ist der Arbeitgeber für einen sicheren Arbeitsplatz und die Einhaltung von Sicherheitsmaßnahmen gemäß OSHA verantwortlich.
◦
Workers Compensation Insurance: Aufgrund einzelstaatlicher Gesetze, mit der Ausnahme von Texas, sind Arbeitgeber grundsätzlich verpflichtet, eine Unfallversicherung zugunsten ihrer Arbeitnehmer abzuschließen.
◦ Der
Employee Retirement Income Security Act von 1974 enthält Vorschriften zur Gruppenkrankenversicherung und betrieblichen Altersversorgung, zu der aber
keine gesetzliche Verpflichtung besteht.
◦
Patient Protection and Affordable Care Act von 2010 ("Obamacare“): Seit dem 1. Januar 2016 müssen Unternehmen, die mehr als 50 Vollzeitangestellte beschäftigen, entweder mindestens 95 Prozent dieser Vollzeitangestellten (und deren Kindern, nicht aber den Ehepartnern) eine
kostengünstige Krankenversicherung ("minimum essential coverage") anbieten oder eine
Strafsteuer bezahlen. Das Verfahren wird als
"play or pay“ bezeichnet. Als Vollzeitangestellte gelten in der Regel Mitarbeiter, die mindestens
30 Stunden in der Woche oder
130 Stunden im Monat arbeiten. Die betroffenen Unternehmen unterliegen in diesem Zusammenhang auch Mitteilungspflichten gegenüber der US-Steuerbehörde
"Internal Revenue Service" (IRS)
◦
Consolidated Omnibus Budget Reconciliation Act (COBRA): Angestellte, denen gekündigt wurde oder die freiwillig das Unternehmen verlassen, haben die Möglichkeit, auf eigene Kosten die vom Arbeitgeber angebotene Gruppenkrankenversicherung beizubehalten.
◦
Worker Adjustment and Retraining Notification Act (WARN): Es besteht eine
Mitteilungspflicht des Arbeitgebers im Fall der Betriebsschließung (bei mehr als 100 Angestellten) oder der Entlassung von einem Drittel der Belegschaft bestehend aus mindestens 50 Angestellten. Die Angestellten müssen mindestens
60 Tage vor der
Schließung beziehungsweise
Entlassung davon in Kenntnis gesetzt werden.
◦
Project Labor Agreements: Projektbezogene Tarifverträge sind relevant für Unternehmen, die an öffentlichen Ausschreibungen staatlich geförderter Projekte teilnehmen möchten. Ein Zuschlagskriterium ist in diesem Fall der Abschluss eines projektbezogenen Tarifvertrags mit der einschlägigen Gewerkschaft für die für das Projekt einzustellenden Mitarbeiter, auch wenn die Mitarbeiter des Unternehmens nicht gewerkschaftlich organisiert sind. Project Labor Agreements werden auf Bundes - und Landesebene eingesetzt.
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Vertragsabschluss
Ein Unternehmen schließt in der Praxis nur mit Geschäftsführern oder leitenden Angestellten schriftliche Arbeitsverträge ab. Es herrscht weitgehend
Vertragsfreiheit.
Anstellungsverträge können
formlos, also auch
mündlich geschlossen werden. Die Gesetzgebung in mehr und mehr Einzelstaaten verbietet es heute, während des Einstellungsgesprächs einem Kandidaten Fragen bezüglich einer Vorstrafe oder nach der Höhe des in der Vergangenheit bezogenen Gehalts zu stellen. Oft erhält der neue Mitarbeiter lediglich einen sogenannten "Engagement Letter" oder "Offer Letter", unter Umständen auch eine Vertraulichkeitsvereinbarung. Ein solcher "Offer Letter" beschränkt sich häufig darauf, dass das Anfangsdatum der Anstellung, der "employee-at-will-Status" (siehe auch Abschnitt "Vertragsbeendigung“), die genaue Bezeichnung der zu belegenden Stelle und die Höhe des Gehalts (oft als Monatsgehalt und nicht als Jahresgehalt genannt) festgelegt werden. Die Anstellung ist dann unbefristet.
Dem neuen Mitarbeiter sollte auch eine detaillierte Stellenbeschreibung und eine Kopie des "Employee Manual" beziehungsweise "Employee Handbooks" übergeben werden. Vereinbarungen in den Arbeitsverträgen dürfen nicht gegen Diskriminierungsverbote verstoßen. Eine wie in Deutschland übliche Klausel, dass mit dem Eintritt in das Rentenalter die Beschäftigung automatisch endet, wäre in den USA nicht gesetzeskonform.
Rechte und Pflichten der Vertragsparteien
Die Rechte und Pflichten des Vertragsverhältnisses ergeben sich oft aus dem oben genannten
"Employee Handbook". Es begründet in der Regel
keinen vertraglichen Anspruch und kann deshalb vom Arbeitgeber ohne Zustimmung des Mitarbeiters
jederzeit im Rahmen der gesetzlichen Regelungen
geändert werden. Das "Employee Handbook" beinhaltet wichtige Angaben, wie zum Beispiel die wöchentliche Arbeitszeit, Überstunden, Beförderung, Krankenversicherung und Lohnfortzahlung, betriebliche Altersvorsorge, berufliche Weiterbildung, Feiertagsregelung, Urlaub, Länge der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und die Erstattung von Auslagen. Es gibt den Arbeitnehmern Auskunft über die Führung des Unternehmens und die Regeln am Arbeitsplatz, wie zum Beispiel Antidiskriminierungsregeln, Regeln zur Vertraulichkeit und den Gebrauch von Arbeitsgegenständen.
Nach dem
"Fair Labor Standards Act" (FLSA) ist der Arbeitgeber verpflichtet, jeden Angestellten entweder als "exempt“ oder als "non-exempt“ einzustufen. Hierbei geht es um die Frage, ob der Angestellte den
Schutzvorschriften des
FLSA unterliegt oder
nicht. Besonders wichtig ist diese Unterscheidung, wenn es um die
Bezahlung von
Überstunden geht.
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Vertragsbeendigung
Die weit verbreitete Vorstellung, das Arbeitsrecht der USA sei ausschließlich von einem "hire and fire“-Prinzip geprägt, wird der oft komplizierten Rechtslage nicht gerecht. Juristisch verbirgt sich hinter dem "hire and fire“-Prinzip die oben genannte "employee-at-will“-Doktrin, nach der sowohl der Arbeitnehmer als auch der Arbeitgeber jederzeit das Anstellungsverhältnis mit oder ohne Grund beenden kann. Eine
Abmahnung ist nicht gesetzlich vorgeschrieben. In der Praxis wird aber oft eine
14-tägige Kündigungsfrist eingehalten.
Zu beachten ist jedoch, dass dieses
arbeitgeberfreundliche Prinzip in vielen Fällen durch
Antidiskriminierungsgesetze oder das
Common Law (durch Rechtsprechung entwickelte Rechtsgrundsätze) eingeschränkt wird. Kriterien wie Alter, Geschlecht, Abstammung, Religion, Krankheit, Schwangerschaft, Behinderung, Nationalität, Vorstrafen oder sexuelle Orientierung dürfen bei der Auswahl, Anstellung, Beförderung und Entlassung von Angestellten
nicht herangezogen werden.
Im Staat New York ist jeder Arbeitgeber verpflichtet, einmal im Jahr ein sogenanntes
“Sexual Harassment Training“ für alle Mitarbeiter abzuhalten. Ein ähnliches Gesetz gilt zum Beispiel auch in Kalifornien. In verschiedenen Bundesstaaten haben sich neben dem Diskriminierungsverbot drei Common Law-Ausnahmen zum "employee-at-will“-Prinzip entwickelt: die "Public Policy-", die "Covenant of Good Faith and Fair Dealing-" und die "Implied Contract-Ausnahme", die von den Gerichten recht unterschiedlich ausgelegt werden. In einigen Staaten bedarf die Kündigung der Schriftform.
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https://www.gtai.de/de/trade/usa/wir...tsrecht-614950