Deutschlandfunk / 22.02.2022
Russland-Ukraine-Konflikt
Warum wirft Putin der NATO vor, Absprachen gebrochen zu haben?
Russlands Präsident
Wladimir Putin warnte mehrfach vor einer Aufnahme der Ukraine in die NATO und fordert das
Ende der
Osterweiterung des
Verteidigungsbündnisses.
Wie genau steht es um die Osterweitung und warum wirft Putin dem Westen Täuschung vor?
In seiner
Fernsehansprache am 21.2.2022, in der er die selbsternannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk als unabhängige Staaten anerkannt hat, sagte Putin:
Der Kreml sei nur bereit, den Dialog mit dem Westen fortzuführen, wenn auf eine Stationierung von Raketenabwehrsystemen verzichtet werde und sich die NATO auf die Positionen von 1997 zurückziehe.
Wie genau steht es um die sogenannte
Osterweitung und warum wirft Putin dem Westen
Täuschung vor?
Der Zwei-plus-vier-Vertrag
Die Ukraine ist am NATO-Beitritt interessiert, doch das Bündnis betont seit Längerem, dass ein Beitritt des Landes nicht auf der Tagesordnung stehe. Trotzdem wirft Putin in diesem Zusammenhang dem Westen vor, mit der
Osterweiterung gegen
Absprachen aus den frühen
1990er-Jahren zu verstoßen. Damals wurde die
Wiedervereinigung Deutschlands mit den USA, der damaligen Sowjetunion, Frankreich und Großbritannien
verhandelt und am
12. September 1990 mit dem
Zwei-plus-vier-Vertrag beschlossen.
Erhalten sind
Gesprächsprotokolle der
Verhandlungen laut derer damalige Politiker – der US-amerikanischen Außenminister
James Baker, Bundeskanzler
Helmut Kohl und der deutsche Außenminister
Hans-Dietrich Genscher –
zusagten, dass es
keine Erweiterung der
NATO nach
Osten geben werde.
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Karte der NATO-Mitglieder und Grenzen der Sowjetunion bis 1991 (picture alliance/dpa-infografik / Deutschlandfunk / Andrea Kampmann)
Der Wiener Historiker Wolfgang Müller erklärte im Dlf: Zwar habe es solche Zusagen gegeben, aber in Bezug auf Deutschland. Im Artikel 5 des Zwei-plus-vier-Vertrages wurden diese auch festgehalten. Demnach sollte und gab es dann auch keine Stationierung ausländischer Streitkräfte oder Atomwaffen in der ehemaligen DDR. Allerdings habe der damalige deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher darüber hinaus
angedeutet, dass eine solche Zusage des Aufnahmeverzichts weiterer Staaten in die NATO sich auch auf
Osteuropa beziehen könnte, erklärt Müller.
Diese Position hätte Anfang der 1990er-Jahre generell dem Meinungsbild innerhalb der NATO entsprochen. Auch der damalige Generalsekretär Manfred Wörner hatte unter anderem im Mai 1991 diese Position gegenüber einer russischen Delegation geäußert. Die
Zusagen, auf die sich nun der russische Präsident bezieht, seien aber in einem relativ kurzen Zeitraum 1990/91 gegeben worden und seien
rechtlich nicht verbindlich, betonte der Historiker Müller.
„Es waren die Aussagen, die Politiker damals nach ihrem besten Wissen und Gewissen getätigt haben.“
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Der Kalte Krieg
Die Ablehnung Russlands gegenüber der
NATO-Osterweiterung wurzelt im
Kalten Krieg, in dem der
Warschauer Pakt bis
1991 unter der Führung der Sowjetunion das
Gegenstück zu den USA und ihren NATO-Verbündeten bildete. Die
Osterweiterung begann mit Beitrittsgespräch
1997, während Boris Jelzin Präsident Russlands war, und veränderte den Einflussbereich Russlands. Mit
Polen, Tschechien und
Ungarn traten
1999 schließlich die ersten Staaten aus dem ehemaligen
Warschauer Pakt der NATO bei. Bis
2020 folgten weitere
elf Staaten.
Im Jahr
1955 unterzeichneten die kommunistischen Staaten Osteuropas in Warschau den „Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand“. Das Militärbündnis sollte ein
Gegengewicht zur
1949 gegründeten
NATO sein.
1991 löste sich die Warschauer Vertragsorganisation auf.
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