Die Zahl der Todesopfer durch die Corona-Pandemie ist in Italien besonders hoch. Woran liegt das?
99 Prozent der Todesfälle mit Vorerkrankungen
Nach einer am Dienstag veröffentlichen Erhebung des nationalen italienischen Gesundheitsamts (
ISS), die auf der Untersuchung von 2000 Todesfällen beruht, litten mehr als 99 Prozent der Verstorbenen an einer oder mehreren Vorerkrankungen. Nur bei drei Personen – das entspricht 0,8 Prozent der Untersuchten – seien vor der Infektion mit dem Coronavirus keine Vorerkrankungen bekannt gewesen. 48,5 Prozent der Todesopfer litten unter drei Vorerkrankungen, bei 25,6 Prozent wurden zwei Erkrankungen und bei 25,1 Prozent eine Vorerkrankung festgestellt. Bei mehr als drei Viertel der Untersuchten wurde Bluthochdruck festgestellt. Bei gut einem Drittel wurde zuvor Diabetes und bei einem weiteren Drittel eine Herzkrankheit diagnostiziert.
Das Durchschnittsalter der nach einer Coronavirus-Infektion Verstorbenen lag der Studie zufolge bei 79,5 Jahren. Am gefährdetsten ist die Alterskohorte zwischen 80 und 90 Jahren. Bis zum 17. März wurden insgesamt nur 17 Personen unter 50 Jahren unter den Todesopfern registriert. Rund 70 Prozent der Todesopfer waren Männer. Bei den Todesopfern unter 40 Jahren handelte es sich sogar ausschließlich um Männer mit schwerwiegenden Vorerkrankungen – etwa Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Nierenleiden oder Diabetes.
Warum sterben vor allem ältere Männer?
Nach Erkenntnissen des ISS vergingen von dem Augenblick, da die Patienten über erste Symptome klagten, bis zum Zeitpunkt der Verlegung in die Klinik wegen sehr hohen Fiebers oder schwerer Atemnot durchschnittlich vier Tage. Nach weiteren durchschnittlich vier Tagen Betreuung auf der Intensivstation mit künstlicher Beatmung starben die Patienten. Warum vor allem ältere Menschen – und unter diesen überwiegend Männer – an der Coronavirus-Infektion sterben, ist unklar.
Am Donnerstag teilte Alberto Villani, Präsident des italienischen Kinderarztverbandes, bei der täglichen Pressekonferenz des Zivilschutzes mit, dass bisher rund 300 Kinder positiv auf den Erreger getestet worden seien. In keinem Fall habe es einen schweren Krankheitsverlauf gegeben. „Das Coronavirus an sich ist kein pädiatrisches Problem“, sagte Villani. Aber Kinder und Jugendliche ohne Krankheitssymptome könnten besonders häufig das Virus übertragen – wenn sie Oma und Opa besuchen oder von diesen betreut werden.
Möglicherweise tragen das hohe Durchschnittsalter der italienischen Bevölkerung von 46,3 Jahren sowie der Umstand, dass 35 Prozent der 60 Millionen Einwohner älter als 65 Jahre sind, zur offenkundig überdurchschnittlich hohen Mortalitätsrate in Italien bei.
Denn im Verhältnis zur Zahl der nachweislich mit dem Coronavirus Infizierten von rund 41.000 ergibt sich in Italien der sehr hohe Anteil eines tödlichen Krankheitsverlaufs von mehr als acht Prozent. In China wurde eine Sterblichkeitsrate von vier Prozent, in Südkorea von einem Prozent und in Deutschland bisher von nur 0,3 Prozent ermittelt.
Allerdings wird ein seriöser Vergleich der Infektions- und Todesfälle durch die Tatsache erschwert, dass überall nach unterschiedlichen Kriterien die Todesursache ermittelt und auch nach verschiedenen Vorgaben in der jeweiligen Bevölkerung Tests auf eine mögliche Coronavirus-Erkrankung vorgenommen werden. Wissenschaftler der GIMBE-Stiftung in Bologna nehmen an, dass die Zahl der tatsächlich Infizierten in Italien eher dreimal so hoch ist als offiziell ermittelt, weil zu wenig Personen auf eine mögliche Infektion getestet würden. Andererseits werden in Italien alle Todesfälle der Lungenkrankheit Covid-19 zugerechnet, wenn das Coronavirus neben (multiplen) Vorerkrankungen festgestellt wurde. In anderen Ländern werden solche Todesfälle nicht regelmäßig Covid-19 zugeschrieben.