Wo sollen die Schiffe denn das Flüssiggas hinbringen und wer wandelt das in Erdgas um? Wie kommt das Erdgas dann zu den Firmen, wenn die Rohre von Gazprom nicht genutzt werden dürfen`?
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Teil 4
Doch die Romanows wachten über die Einheit des Reiches. Die Assimilationspolitik ging so weit, daß Zar Alexander III. im Jahr 1876 die Verwendung der ukrainischen Schriftsprache per Ukas untersagte. Unter deutscher und österreichischer Obhut entstand zwar nach der russischen Niederlage im Ersten Welt-krieg ein kurzlebiger ukrainischer Ständestaat, der an die Kosaken-Tradition anzuknüpfen suchte. Doch im Januar 1919 setzte die Rote Armee diesem Versuch ein Ende. Im Zuge der stalinistischen Nationalitätenpolitik wurde 1922 die Bildung der Sozialistischen Sowjetrepublik Ukraine angeordnet. Im engen Rahmen der allmächtigen Kommunistischen Partei entstand ein fiktiver Föderationsstaat, dem gewisse folkloristische Zugeständnisse gemacht wurden, ja nach dem Zweiten Weltkrieg im Rahmen einer verstärkten sowjetischen Einflußnahme sogar ein Sitz in den Vereinten Nationen eingeräumt wurde.
Nikita Chruschtschow, selbst aus dieser Region gebürtig, beglückte die Ukrainische SSR dann Mitte der fünfziger Jahre mit einem Danaer-Geschenk besonderer Art. Er unterstellte die Halbinsel Krim der theoretischen Autorität Kiews. Er konnte nicht ahnen, daß die Sowjetmacht sich schon 35 Jahre später auflösen und nunmehr am Schwarzen Meer ein Nationalitätenkonflikt entstehen würde. Auf der Krim sind die Russen eindeutig in der Mehrzahl. Die gespannte Lage dort wurde durch die massive Rückkehr von Krimtataren zusätzlich kompliziert. Marschall Stalin hatte diese türkisch-islamische Völkerschaft, die das alte Zarenreich viel nachhaltiger bedrängt hatte als die Wolga-Khanate von Kazan und Astrakhan, unter schrecklichen Umständen nach Zentralasien deportiert, weil sie mit der deutschen Wehrmacht sympathisiert und scharenweise unter dem Hakenkreuz gedient hatten.
Die Tataren der Krim sind sich weiterhin bewußt, daß sie – bis zur Vernichtung ihres Khanats durch Katharina II. – als kämpferische, treue Vasallen des Sultans und Kalifen von Istanbul die christlichen Moskowiter immer wieder das Fürchten gelehrt hatten. Am späten Nachmittag haben wir uns zum orthodoxen Gottes-dienst in der Wladimir-Kathedrale eingefunden. Die Kirchenspaltung, die von langer Hand vorbereitet war, hat hier Gestalt angenommen. Der Metropolit Filaret hat den Titel eines »Patriarchen der Kiewer Rus« usurpiert. Er hat sich aus der Autorität des Moskauer Patriarchats Alexejs II. gelöst und die nationale Abspaltung der Ukraine durch ein religiöses Schisma untermauert. Daneben gibt es noch eine kleine autokephale Gemeinde, deren »Patriarch« zu Sowjetzeiten die überwiegend zaristischen Emigranten betreute. Als Neunzigjähriger ist er aus Amerika in seine Heimat zurückgekehrt.
Die Orange-Revolution hat nicht verhindern können, daß sich etwa zwei Drittel der prawoslawischen Gläubigen der Ukraine weiter nach Moskau orientieren. Mit der Zeit könnte sich das ändern, wenn Filaret, der mich trotz weißem Bart und prächtiger Krone nicht sonderlich beeindruckt, durch einen charismatischen Nachfolger abgelöst würde. Zur Zeit haben die beiden sich befehdenden Prälaten von Moskau und Kiew wenigstens eines gemeinsam: Sie übten ihre Seelsorge unter den Kommunisten in enger Zusammenarbeit mit dem KGB aus. Aber wer möchte hier den ersten Stein werfen?
Entgegen allen Erwartungen hat es die wirklichen kirchlichen Widerstandskämpfer gegen die bolschewistische Gottlosigkeit am härtesten getroffen. Ich bin dieses Mal nicht nach Lemberg gereist, aber jeder versichert mir, daß Ost-Galizien zum Armen-haus der Ukraine, ja des ganzen ehemaligen Sowjet-Europas geworden ist. Seit meinem Aufenthalt im Frühjahr 1992 hat sich – allen Aussagen zufolge – in Lemberg kein Wandel zum Besseren eingestellt. Die Habsburger Monarchie hatte an diesem stets gefährdeten Außenposten eine prachtvolle architektonische Leistung hinterlassen. Ein halbes Jahrhundert systematischer Vernachlässigung durch die russisch-sowjetische Verwaltung hat schwere, vielleicht irreparable Schäden verursacht.
Der urbanistische Übergang vollzog sich einst überaus harmonisch vom festlichen Barock der Jesuitenkirchen zu den verspielten Jugendstilfassaden der großbürgerlichen Jahrhundertwende um 1900. Die historische Stadtmauer ähnelte den Burganlagen von Nürnberg. In der Nähe des Marktes stießen wir auf italienische Renaissance-Architektur, deren elegante Linienführung mir bereits aus Krakau bekannt war. Der ockergelbe Grundton der Häuserfronten – mit rosaroten und pistaziengrünen Varianten – hatte auf wunderbare Weise dem Verfall und der Witterung widerstanden. Dieses Relikt aus dem österreichischen Kaiser-reich zeugte von zäher Pionierleistung, von einem imperialen Repräsentationswillen, von einer multikulturellen Toleranz, die man der lässigen, früh erschlafften k.u.k.-Administration gar nicht zugetraut hätte.
An jenem Sonntag schüttete der Regen in Sturzbächen auf das Kopfsteinpflaster. Knallrote Straßenbahnen mit Museumswert knirschten auf ausgefahrenen Schienen. Nirgendwo entdeckten wir Feiertagsstimmung. Die Menschen waren ärmlich gekleidet, wirkten gedrückt, traurig und irgendwie verschlagen. Die kommunistische Unterdrückung hatte sich mit äußerster Konsequenz ausgetobt, das Volk blieb davon gezeichnet, hatte nur in trotziger Abkapselung überdauert. Dieser einst so kosmopolitischen Metropole war jedes internationale Flair abhanden gekommen. Die örtliche Bourgeoisie und Intelligenz österreichischer und polnischer Herkunft war systematisch ausgerottet oder vertrieben worden. Die Juden, die zu Zeiten der Doppelmonarchie und der polnischen Piłsudski-Republik die Stadt Lemberg entscheidend prägten, sind dem Holocaust zum Opfer gefallen.
Am folgenden Morgen hatte unser Begleiter Juri uns zu einer Jesuitenkirche geführt, die sich nach der Wiederzulassung der griechisch-katholischen Glaubensrichtung stolz zum Felsen Petri bekennt. Das Gotteshaus war auch am Wochentag gefüllt. Im Kirchenschiff warfen sich die Frauen vor den Heiligenbildern auf den Boden und bekreuzigten sich fast ebenso häufig wie ihre orthodoxen Feinde in Christo. In Ost-Galizien, so referierte Juri, bilden die Ukrainer mit achtzig Prozent eine eindeutige und nationalbewußte Bevölkerungsmehrheit. Wiederum achtzig Prozent von ihnen gehören der mit Rom unierten griechisch-katholischen Konfession an, die im Geiste des 2. Vatikanischen Konzils das Ukrainische als Kirchensprache eingeführt hat.
Immerhin sei es den Uniaten gelungen, den Byzantinern 1400 Gotteshäuser zu entreißen. Die heftigste Gegnerschaft wurde nicht mit den Russisch-Orthodoxen ausgetragen, die nur fünfzig Kirchen für sich verbuchen konnten, sondern mit den Anhängern der ukrainischen Autokephalie, die über 600 Sakralstätten verfügt. Der religiöse Konflikt artete oft in Gewalt aus. Es kam zu Schlägereien, und die Stimmung war bis zum äußersten gereizt.
Die Sankt-Georgs-Kathedrale war aufwendig renoviert wor-den. Der neue, grelle Farbanstrich wirkte etwas kitschig. In unmittelbarer Nachbarschaft fanden wir die Residenz des Metropoliten der griechisch-katholischen Kirche in der Westuk-raine. Von seinen Gläubigen wurde Kardinal Iwan Miroslaw Lubatschewski, der zu jener Zeit amtierte, als »Unser Patriarch« bezeichnet und in dieser Eigenschaft hoch verehrt. Bei den liturgischen Feierlichkeiten setzte sich der Vertreter des Papstes in Lemberg eine byzantinisch anmutende, reich dekorierte Goldkrone aufs Haupt; auch die Liturgie war dem griechischen Ritual treu geblieben.
Aus der großzügigen Gartenanlage jenseits des italienisch anmutenden Rathausturms drang Blasmusik zu uns herüber. Knapp tausend Menschen aller Altersgruppen hatten sich auf der wunderschönen Allee versammelt. Bei der Kundgebung ging es um die Zukunft der Ukraine. Ein junger Mann in Jeans und Pullover war auf eine üppig ornamentierte Steinbalustrade geklettert. Über ihm und der Menge wehten gelb-blaue Fahnen und auch schwarzrote Banner.
Damit hatte es eine besondere Bewandtnis: Unter dem schwarz-roten Emblem hatten sich die ukrainischen Gefolgsleute des Partisanenführers Stepan Bandera gegen Ende des Zweiten Weltkrieges zusammengeschlossen. Vorübergehend kooperierten sie mit der deutschen Besatzung. Das Verhältnis Banderas zu den Nazi-Behörden des Generalgouvernements, dem Ost-Galizien angeschlossen war, blieb dennoch außerordentlich gespannt. Immer häufiger kam es zu bewaffneten Aktionen gegen die Deutschen. Die heroische Stunde dieser Freischärler schlug, als die Rote Armee aus den Tiefen der ukrainischen Ebene auf Lemberg zumarschierte. Die Partisanen Banderas hätten zuletzt in den Karpatenwäldern wie wilde Tiere gehaust, berichtete mir ein ausgemergelter Veteran.
Jetzt standen die Überlebenden dieses Verzweiflungskampfes erschöpft, aber glücklich am Rande ihrer patriotischen Feier. Die meisten hatten endlose Jahre in den sibirischen Straflagern verbracht und waren von den Entbehrungen gezeichnet. Ein Greis hielt sich am Schaft der schwarz-roten Traditionsfahne fest. Das kleine Häuflein der Unentwegten – auch eine robuste Frau war dabei, die den Heimsuchungen noch am besten getrotzt hatte – trug altmodische, petroleumblaue Uniformen. Ihre Schirmmützen erinnerten an die k.u.k.-Armee. Sie genossen sichtlich ihren späten Sieg über die russischen Bolschewiken und ließen sich gern fotografieren. Kinder in Landestracht verteilten gelb-blaue Anstecknadeln. Für ein paar Rubel waren auch Fotos von Stepan Bandera zu haben. Besonderen Zuspruch fand das Porträt des Nationaldichters Taras Schewtschenko.
Fünfzig Kilometer östlich von Lemberg haben wir das Schloß Oleski Zamok aufgesucht. Der polnische Adelssitz war von der Kommunistischen Partei für ideologische Schulungskurse requiriert worden. Jetzt diente die Burg mit ihren Festungsmauern, ihren Teichanlagen und den immer noch ansehnlichen Spuren eines »jardin à la française« als bescheidenes Ausflugs-ziel. Über der flachen galizischen Landschaft, über dem fruchtbaren schwarzen Ackerboden leuchtete die blasse, milde Frühlingssonne. Wir blickten auf das wuchtige Gemäuer eines früheren Klosters. Rund um den Horizont glänzten die silbernen Kirchturmspitzen der griechisch-unierten Konfession.
Im Burghof blühten erste Knospen auf. Schulklassen wurden in Bussen zu dieser nationalen Gedenkstätte transportiert. In Oleski Zamok hatte kein Geringerer als der Polenkönig Jan Sobieski seinen Stammsitz gehabt, jener legendäre Feldherr, der mit seinem eilends an die Donau geworfenen Reiterheer die osmanische Belagerung der Stadt Wien durchbrach und die Türkenschlacht zugunsten Habsburgs und der Christenheit entschied.
Bin ja nun kein Exbäärte :D
aber ich habe kürzlich mal so einen Physikerkommentar zum Russengasausgleich durch LNG aus USA oder anderen Überseeländern gelesen.
Dazu wären angeblich etwas über 1000 Tanker täglich !!! nötig.
Die Entladezeit soll ca.30 Stunden betragen.
Die Kaimauer müßte dann wohl über 200 Km lang sein.
Leider gibt es aber zurzeit nur 470 LNG-tanker weltweit.
Darum geht es aber nicht. Der allergrößte Teil des Gasverbrauchs wird nicht für Erdgasprodukte benutzt und dieser größte Teil wäre über LNG versorgbar. Was auch immer du sonst zu brauchen meinst, kannst du dir entsprechend anders besorgen, neben dem bisherigen Russland z.B. zukünftig auch aus Norwegen, Östlichen Mittelmeer etc...
Und diese EX Anlagen müssen erst genehmigt und gebaut werden. Wer finanziert diesen Schwachsinn überhaupt? Das wird kein Unternehmen sein, denn das ist finanziell uninteressant...
Und der Staat kann das? Die Versorger bauen ja nicht einmal Gaskraftwerke...weil sie sich nicht rentieren