Die Trennung vom Westen hat Russland in die Arme Chinas getrieben – so wird es weitergehen
Von Wassili Kaschin(Russischer Militärexperte)
Der Westen hat Russland aufgrund dessen Vorgehen in der Ukraine mit enormen Sanktionen belegt. Wie könnte Moskau längerfristig darauf reagieren? Eine engere Zusammenarbeit mit Peking scheint der plausibelste Ausweg zu sein, aber mit welchen Folgen?
Russlands Militäroperation in der Ukraine und das darauf folgende Wirtschaftsembargo des Westens gegen Moskau sind der größte Umbruch in der Weltpolitik mindestens seit dem Ende des Kalten Krieges. Die Folge wird eine völlige Neuordnung der außenwirtschaftlichen Beziehungen und des Wirtschaftsmodells des Landes sein sowie das Abgleiten Russlands und der USA in eine langwierige militärisch-politische Konfrontation in Osteuropa.
Infolgedessen wird sich China, das in dieser Krise am Rande steht und zur Zurückhaltung aufruft, als das einzige Zentrum der Weltmacht erweisen, das langfristig von der ukrainischen Katastrophe profitieren wird. Es ist möglich, dass die Ereignisse in der Ukraine den Erfolg Chinas in der Konfrontation mit den USA vorbestimmen werden.
Chinas Position zur Ukraine-Krise
Die chinesische Position zur Ukraine-Krise wurde in einem Telefongespräch zwischen dem chinesischen Außenminister Wang Yi und einigen seiner europäischen Kollegen in aller Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht. Sie lässt sich kurz und bündig auf fünf Punkte zusammenfassen:
- China hält es für notwendig, die Souveränität und territoriale Integrität aller Länder zu schützen und zu respektieren.
- China tritt für eine gemeinsame, nachhaltige und umfassende Sicherheit ein. Die Sicherheit einiger Länder kann nicht auf Kosten anderer Länder durch die Stärkung oder Erweiterung von Militärblöcken erhöht werden. Angesichts der fünf Erweiterungswellen der NATO müssen die legitimen Sicherheitsforderungen Russlands ernst genommen und angemessen berücksichtigt werden.
- China beobachtet die Situation in der Ukraine sehr genau, und was dort geschieht, ist nicht das, was es gerne sehen würde. Die Parteien sollten Zurückhaltung üben, eine Eskalation vermeiden und eine humanitäre Krise und den Tod von Zivilisten verhindern.
- China unterstützt alle diplomatischen Bemühungen, die zu einer friedlichen Lösung der Krise in der Ukraine führen. China begrüßt den direkten Dialog zwischen Russland und der Ukraine. Die ukrainische Frage hat einen komplexen historischen Kontext. Die Ukraine sollte eine Brücke zwischen Ost und West sein, nicht eine Konfrontationslinie zwischen Großmächten. China unterstützt auch den EU-Russland-Dialog über europäische Sicherheit.
- Der UN-Sicherheitsrat sollte eine konstruktive Rolle bei der Lösung der Krise in der Ukraine spielen und Maßnahmen vermeiden, die die Widersprüche verschärfen könnten.
China bedauert daher die Tragödie, die sich abspielt, und begrüßt alle Verhandlungen, die zum Frieden führen. Dies ist die traditionelle chinesische Rhetorik für Konflikte und Krisen, an denen China nicht beteiligt ist. Peking vermeidet jegliche Kritik an Russland, kritisiert den Westen jedoch unverhohlen für die NATO-Erweiterung und seine mangelnde Bereitschaft, auf russische Sicherheitsbedenken einzugehen.
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USA drängen China, Russland zu verurteilen
Chinesische Beamte bezeichnen das Vorgehen Russlands in der Ukraine nicht als "Invasion". Die chinesischen Staatsmedien veröffentlichen kein Material, das Moskau und seinen Präsidenten in einem negativen Licht erscheinen lässt. In der chinesischen Blogosphäre stoßen Wladimir Putin sowie seine Handlungen und seine Rhetorik im Zusammenhang mit der Ukraine-Operation auf breite Zustimmung bei nationalistisch gesinnten Menschen, die Parallelen zwischen dieser Situation und Chinas Beziehung zu Taiwan ziehen.
Trotz weit verbreiteter Spekulationen, dass China als einziger verbliebener wichtiger Handelspartner Russlands Druck auf Moskau ausüben könnte, damit es so schnell wie möglich ein Friedensabkommen unterzeichnet, gibt es keinen Hinweis darauf, dass Peking dies auch nur in Erwägung gezogen hat.
Die chinesische Position in der Krise ist die einer freundlichen Neutralität gegenüber Russland. Vertreter des Außenministeriums und der chinesischen Bankenaufsichtsbehörde haben wiederholt betont, dass sie die Beziehungen zu Russland inmitten der Krise uneingeschränkt aufrechterhalten wollen.
China hat sich bei den Abstimmungen im UN-Sicherheitsrat zur Ukraine-Krise der Stimme enthalten. Es unterstützte die russischen Vetos nicht. Aber das hatte es auch während der Krim-Krise getan. China kann grundsätzlich keine Präzedenzfälle für die Änderung des Status von Gebieten auf der Grundlage von Volksabstimmungen anerkennen (wie im Falle der Krim, der Volksrepubliken Lugansk und Donezk), da dies die Taiwan-Frage berühren würde. Es sei auch darauf hingewiesen, dass Russland die chinesische Position im Territorialstreit mit Indien ebenso wenig anerkennt oder unterstützt wie Chinas Ansprüche im Südchinesischen Meer und im Ostchinesischen Meer.
Die Erklärungen der USA über "Gespräche" mit China über die Ukraine und sogar die teilweise Berücksichtigung der US-Sanktionen durch China sind realitätsfern. Dies ist nicht das erste Mal, dass eine solche Situation auftritt. Im Jahr 2014 hatte US-Präsident Barack Obama, die Chinesen davon zu überzeugen versucht, kein Abkommen mit Russland über den Bau der Pipeline "Power of Siberia" zu schließen, das jedoch im Mai desselben Jahres unterzeichnet wurde.
Wirtschaftliche Zusammenarbeit
Wie in früheren Phasen der Ukraine-Krise müssen chinesische Unternehmen und Banken, die auf dem Weltmarkt tätig sind, die möglichen negativen Auswirkungen der Sanktionen der USA und der EU auf sie berücksichtigen. In dieser Hinsicht unterscheiden sie sich nicht von Unternehmen in anderen Ländern, auch wenn die Chinesen größere Angst davor haben, von US-Strafmaßnahmen betroffen zu sein, was zu dem Problem einer breiteren Auslegung der Sanktionen führt.
Unabhängig von der Haltung der chinesischen Regierung haben sich Sanktionen daher immer in gewisser Weise negativ auf die russisch-chinesische Zusammenarbeit ausgewirkt. Darüber hinaus wird sich die Schockwirkung der Unterbrechung der üblichen Zahlungsmechanismen, Produktionsketten und der Logistik in den kommenden Monaten unweigerlich bemerkbar machen. Die Unternehmen werden neue Wege finden müssen, um Geschäfte zu machen.
Gleichzeitig haben die Parteien bisher erhebliche Anstrengungen unternommen, um eine sichere Infrastruktur für den bilateralen Handel zu schaffen, und diese Bemühungen wurden bis vor kurzem fortgesetzt. Im Jahr 2020 betrug der Anteil des Rubels am bilateralen Handel sieben Prozent, der des Yuan 17 Prozent. Peking ist bestrebt, seine Währung zu internationalisieren, und sie kann für Zahlungen zwischen nicht in China ansässigen Personen verwendet werden.
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