Dem Anschein nach ist nichts regelloser als die Art, auf welche unsere Sprache in den Doppelwörtern das Bestimmwort mit dem Grundworte [Fußnote] verknüpft; und die menschlichen Ehen werden bei den verschiedenen Völkern kaum mannigfaltiger geschlossen als bei uns die grammatischen der Doppelwörter. Das gewöhnlichste Band zwischen zwei Wörtern – was auch bei Menschenehen das gewöhnlichste – ist das bloße Zusammenstellen ohne Weiteres von Trauformel und Band, z. B. Halsband, Brautkranz – dann mit einem s und es, z. B. Staatsmann, Landesherr – sogar bei weiblichem Geschlecht, z. B. Erziehungsfach – ferner in der Einzahl ungeachtet der Mehrzahl, z. B. Fußbad, Schafherde – ferner in der Mehrzahl ungeachtet der Einzahl, z. B. Kindermörderin – ferner mit en und ens, z. B. Frauenkleid, Herzenskummer – ferner mit dem e und er der Mehrzahl, z. B. Mäusegift, Eierschale – ferner mit Wegschneidung des e, z. B. Sachregister – und endlich mit Zusetzung eines s an Bestimmwörter, die sich mit einem zweiten Bestimmwort verlängern, z. B. Nachttraum verlängert Sommernacht s-Traum. So werden demnach, um die meisten Beispiele in einem zusammen zu geben, dem Worte Krone die Bestimmwörter Baum, Kaiser, König, Fürst, Mann, Frau, Herz, Friede, Schlange, Schule, Liebe sämtlich anders verändert angefügt und nur die beiden ersten unverändert gelassen: Baum- und Kaiserkrone; dann Königs-, Fürsten-, Männer-, Frauen-, Herzens-, Schlangen-, Schul- und Liebes-krone.
Aber, Himmel, können wahre Kronenvereine und Verträge auf verschiedenere Weisen geschlossen werden als diese Wortvereine? Wenn man inzwischen bei einer solchen außerordentlichen Mannigfaltigkeit von Leittönen, womit ein Bestimmwort ins Grundwort übergeht und übertönt, bei den Sprachlehrern nach der Regel, welche den jedesmaligen bestimmten Leitton festsetzt, die Frage tut, so haben sie in ihren Büchern (wie z. B. Adelung) gar nicht an die Frage gedacht, sondern nur bloß die einzelnen Beispiele des Gebrauchs aufgeführt, es aber völlig uns und – was noch jämmerlicher ist – dem Ausländer überlassen, durch Sprachübung die dreißigtausend Doppelwörter unserer Sprache unter die verschiedenen Fahnen ihrer Regimenter richtig einzureiben.
http://gutenberg.spiegel.de/buch/ube...lworter-3213/3