Zitat von
Klopperhorst
Was für ein Kasper.
Wahrscheinlich hätte er sich bei einer echten Seuche, wie der trockenen Cholera im 19. Jhd., als Arzt erhängt.
Die Leute haben einfach keine Ahnung mehr, was wirkliche Probleme sind und machen einen auf Weltuntergang, wenn ein harmloses neues Erkältungsvirus die Runde macht.
Nochmal zur Wiederholung, ein Auszug aus Thomas Manns Novelle "Tod in Venedig".
Seit mehreren Jahren schon hatte die indische Cholera eine verstärkte Neigung
zur Ausbreitung und Wanderung an den Tag gelegt. Erzeugt aus den
warmen Morästen des Ganges-Deltas, aufgestiegen mit dem mephitischen
Odem jener üppig-untauglichen, von Menschen gemiedenen Urwelt-und Inselwildnis,
in deren Bambusdickichten der Tiger kauert, hatte die Seuche in
ganz Hindustan andauernd und ungewöhnlich heftig gewütet, hatte östlich
nach China, westlich nach Afghanistan und Persien übergegriffen und, den
Hauptstraßen des Karawanenverkehrs folgend, ihre Schrecken bis Astrachan,
ja selbst bis Moskau getragen. Aber während Europa zitterte, das
Gespenst möchte von dort aus und zu Lande seinen Einzug halten, war
es, von syrischen Kauffahrern übers Meer verschleppt, fast gleichzeitig in
mehreren Mittelmeerhäfen aufgetaucht, hatte in Toulon und Malaga sein
Haupt erhoben, in Palermo und Neapel mehrfach seine Maske gezeigt und
schien aus ganz Calabrien und Apulien nicht mehr weichen zu wollen. Der
Norden der Halbinsel war verschont geblieben. Jedoch Mitte Mai dieses
Jahres fand man zu Venedig an ein und demselben Tage die furchtbaren
Vibrionen in den ausgemergelten, schwärzlichen Leichnamen eines Schifferknechtes
und einer Grünwarenhändlerin. Die Fälle wurden verheimlicht.
Aber nach einer Woche waren es deren zehn, waren es zwanzig, dreißig und
zwar in verschiedenen Quartieren. Ein Mann aus der österreichischen Provinz,
der sich zu seinem Vergnügen einige Tage in Venedig aufgehalten, starb,
in sein Heimatstädtchen zurückgekehrt, unter unzweideutigen Anzeichen,
und so kam es, daß die ersten Gerüchte von der Heimsuchung der Lagunenstadt
in deutsche Tagesblätter gelangten. Venedigs Obrigkeit ließ antworten,
daß die Gesundheitsverhältnisse der Stadt nie besser gewesen seien und
traf die notwendigsten Maßregeln zur Bekämpfung. Aber wahrscheinlich
waren Nahrungsmittel infiziert worden. Gemüse, Fleisch oder Milch, denn
geleugnet und vertuscht, fraß das Sterben in der Enge der Gäßchen um sich,
und die vorzeitig eingefallene Sommerhitze, welche das Wasser der Kanäle
laulich erwärmte, war der Verbreitung besonders günstig. Ja, es schien, als
ob die Seuche eine Neubelebung ihrer Kräfte erfahren, als ob die Tenazität
und Fruchtbarkeit ihrer Erreger sich verdoppelt hätte. Fälle der Genesung
waren sehr selten; achtzig vom Hundert der Befallenen starben und zwar auf
entsetzliche Weise, denn das Übel trat mit äußerster Wildheit auf und zeigte
häufig jene gefährlichste Form, welche »die trockene« benannt ist. Hierbei
vermochte der Körper das aus den Blutgefäßen massenhaft abgesonderte
Wasser nicht einmal auszutreiben. Binnen wenigen Stunden verdorrte der
Kranke und erstickte am pechartig zähe gewordenen Blut unter Krämpfen
und heiseren Klagen. Wohl ihm, wenn, was zuweilen geschah, der Ausbruch
nach leichtem Übelbefinden in Gestalt einer tiefen Ohnmacht erfolgte,
aus der er nicht mehr oder kaum noch erwachte.
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