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Vollständige Version anzeigen : Religion



mig2
11.08.2003, 10:27
ein derzeit nicht besonders beliebter mensch hat mal folgendes geschrieben. aus meiner sicht eine ziemlich richtige bestimmung der religion. meinungen?

"Das Fundament der irreligiösen Kritik ist: Der Mensch macht die Religion, die Religion macht nicht den Menschen. Und zwar ist die Religion das Selbstbewußtsein und das Selbstgefühl des Menschen, der sich selbst entweder noch nicht erworben oder schon wieder verloren hat. Aber der Mensch, das ist kein abstraktes, außer der Welt hockendes Wesen. Der Mensch, das ist die Welt des Menschen, Staat, Sozietät. Dieser Staat, diese Sozietät produzieren die Religion, ein verkehrtes Weltbewußtsein, weil sie eine verkehrte Welt sind. Die Religion ist die allgemeine Theorie dieser Welt, ihr enzyklopädisches Kompendium, ihre Logik in populärer Form, ihr spiritualistischer Point-d'honneur [Ehrenpunkt], ihr Enthusiasmus, ihre moralische Sanktion, ihre feierliche Ergänzung, ihr allgemeiner Trost- und Rechtfertigungsgrund. Sie ist die phantastische Verwirklichung des menschlichen Wesens, weil das menschliche Wesen keine wahre Wirklichkeit besitzt. Der Kampf gegen die Religion ist also mittelbar der Kampf gegen jene Welt, deren geistiges Aroma die Religion ist.

Das religiöse Elend ist in einem der Ausdruck des wirklichen Elendes und in einem die Protestation gegen das wirkliche Elend. Die Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüt einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustände ist. Sie ist das Opium des Volks.

Die Aufhebung der Religion als des illusorischen Glücks des Volkes ist die Forderung seines wirklichen Glücks. Die Forderung, die Illusion über seinen Zustand aufzugeben, ist die Forderung, einen Zustand aufzugeben, der der Illusionen bedarf. Die Kritik der Religion ist also im Keim die Kritik des Jammertales, dessen Heiligenschein die Religion ist.

Die Kritik hat die imaginären Blumen an der Kette zerpflückt, nicht damit der Mensch die phantasielose, trostlose Kette trage, sondern damit er die Kette abwerfe und die lebendige Blume breche. Die Kritik der Religion enttäuscht den Menschen, damit er denke, handle, seine Wirklichkeit gestalte wie ein enttäuschter, zu Verstand gekommener Mensch, damit er sich um sich selbst und damit um seine wirkliche Sonne bewege. Die Religion ist nur die illusorische Sonne, die sich um den Menschen bewegt, solange er sich nicht um sich selbst bewegt."

John Donne
02.09.2003, 21:37
Wie Du Dir vermutlich denken kannst, teile ich diese in Marx Frühschriften geäußerte Religionskritik nicht.

Ich bestreite nicht, daß es wirkliches Elend gibt, auch nicht, daß Religion in der Geschichte zu Zwecken der Vertröstung, Unterdrückung und des Erhalts des status quo mißbraucht wurde.

Die Kette der durch verknöcherten, institutionalisierten Glauben hervorgerufenen Ignoranz ist durch die Aufklärung allerdings hinreichend zerbrochen worden. Man muß nicht das Kind mit dem Bade ausschütten.

Religion verändert Menschen zudem ungemein. Im Gegensatz zu Marx bin ich durchaus der Ansicht, daß das Bewußtsein das Sein bestimmen kann.
Ich halte Religion nicht für ein illusorisches Glück. Religion ist Sinn und Geschmack fürs Unendliche. Beides erwarte ich von Marx nicht.

Zudem behaupte, Glaube berührt ein Feld, daß nicht wie in Marx Versuch eindimensional, also rein rational erfaßt und bearbeitet werden kann.

Gruß
John

lux
04.09.2003, 22:17
ich finde es fatal zu sagen "Religion das Selbstbewußtsein und das Selbstgefühl des Menschen". Gerade das ist meines erachtens sein großer fehler, denn so wird der mensch angreifbar und manipulierbar. und gerade religion als institutionelles Ewiges, als unantarsbares darf den menschen nicht lenken, da religion leider auch sehr flexibel ist. mal ist die erde der mittelpunkt des sonnensystems, ein ander mal kann man ich die seele frei kaufen, etc... wenn religion wirklich in die rolle des lenkenden selbsbewusstseins des menschen treten sollte wird auf der erde krieg herrschen, die eine religion vs die andere, bzw die eine regierung mit ihrer religion gegen die andere, das hat es auch schon in der geschichte vor garnicht allzulanger zeit gegeben.
Meiner meinung nach sollte religion vielmehr eine hilfestellung mit alten prinzipien sein, trost spenden und rat geben. Nicht belehren und vorschreiben. Jedem sollte freiigestellt sein, ob er sich an die religion wendet oder nichtund somit kann jeder für sich entscheiden ob religion seinem leben hilf.

John Donne
05.09.2003, 12:20
Original von lux
Meiner meinung nach sollte religion vielmehr eine hilfestellung mit alten prinzipien sein, trost spenden und rat geben. Nicht belehren und vorschreiben. Jedem sollte freiigestellt sein, ob er sich an die religion wendet oder nichtund somit kann jeder für sich entscheiden ob religion seinem leben hilf.

Gerade der erste Satz gibt ganz meine Meinung wieder. Der zweite betrifft zwei Punkte: Religionsfreiheit, die in der Bundesrepublik als verwirklicht ansehe, und die allgemeingesellschaftliche Einstellung zu Religion. Viele bestreiten ja, daß das moderne wissenschaftliche Weltbild überhaupt noch Platz für Religion läßt. Ich sage, Wissenschaft und Religion existieren in fast völlig unterschiedliche Räumen des Menschseins; ich sehe also keine Widerspruch.

Gruß
John

Ruediger
08.09.2003, 17:58
Wie soll man seinem Gott dienen? Was bedeutet es z.B. Christ zu sein? Wie soll man sich als Christ verhalten? Wenn ich nur dann Christ sein kann, wenn ich nach den Wahnsinns Regeln des Moses leben soll, dann lehne ich es ab ein Christ zu sein. Ich würde nie die Tochter eines Priesters verbrennen. Auch dann nicht, wenn sie sich als Dirne entehrt hat. Und schon gar nicht, wenn es als fragliches Gesetz in einer Uralten Überlieferung steht. Christ wird man nur, wenn man die von Gott verlangte Weisheit anstrebt. Aber nicht wenn man sich verhält wie ein programmierbarer Computer. Wenn Gott blindgläubige Wesen gewollt hätte, hätte er sich Androiden bauen können.
Ich denke, dass in Zukunft der Glaube und die Religion durch Gleichgültigkeit, und andererseits durch Fanatismus, ersetzt wird. Da man aber aus der Geschichte lernen sollte, ist die Gleichgültigkeit auch kein gutes Mittel in die Zukunft zu planen. Daher halte ich es für wichtig, dass jeder sich Gedanken über die Religiöse Vergangenheit der Menschheit machen soll. Das erscheint mir allerdings eher als eine Lebensaufgabe. Aber ich möchte ohnehin das Leben als Lernfase ansehen, in dem man seine Weisheit schulen sollte. Das Leben ist allerdings zu kurz, um wirklich Weisheit zu erlangen. Am Ende stehen die meisten Menschen ziemlich unbelehrt da. Ich habe meine Gedanken veröffentlicht, weil ich es für falsch halte, wenn jeder sein eigenes Süppchen kocht. Werfe ich einen Stein in einen See, breiten sich Wellen aus. Behalte ich ihn in der Hand, passiert gar nichts.
Es wird sich wohl kaum etwas ändern im Jahr der Bibel. Diejenigen, die sich für den Inhalt interessiert haben, hatten auch vorher in der Bibel gelesen. Es ist das schwierigste Buch das ich je in Händen hielt. So viele sinnlose Drohungen, auch gegen Unschuldige. So viel Gewalt die im Namen Gottes von Menschen aus ging und geht. Die Bibel ist auch das Buch, aus dem man Weisheit lernen kann. Vorausgesetzt, man lernt den Inhalt nicht auswendig, sondern man liest ihn intensiv.
Die Bibel ist nicht das Wort Gottes. Man kann es aber darin finden. Aber Vorsicht; es steht auch Satans Wort darin. Wer das immer noch nicht glauben will, der unterschätzt Ihn wohl gewaltig. Und wer Ihn unterschätzt, der fällt Ihm leicht zum Opfer.
Man sollte die religiösen Bücher beherrschen. Man sollte aber aufhören sich von ihnen beherrschen zu lassen.
Eine friedliche Zukunft kann nur auf Weisheit aufgebaut werden. Fangen wir an die Bibel mit Weisheit, und nicht mit gläubigem Fanatismus, zu lesen.
Ich schau in die Augen eines kleinen Kindes. Es weiß noch nichts von unserer Welt. Aber bald schon wird es von seinen Mitmenschen erfahren, wer die Feinde sind. Es wird erfahren wer die “Ungläubigen“ sind. Es wird die „Fehlerlosigkeit“ der Kultur erfahren in die es geboren wurde. Und es wird die „Fehler“ der anderen Völker erfahren. Die eigenen Fehler wird es nicht erkennen, weil die Lehrer des Kindes sie schon nicht erkannt haben. Das ist überall in der Welt das Gleiche. Die Fehler unserer Welt werden kontinuierlich an unsere Kinder weiter gegeben; egal wo man hin schaut, und egal um was es sich handelt. Gute wie schlechte Eigenschaften werden weiter gegeben.
Glaube heißt nicht, alles fanatisch zu glauben was geschrieben steht. Glaube heißt den Weg zu Gott mit Weisheit zu suchen.
Weise Menschen haben viele schöne Zitate hinterlassen, aber nur Weise Menschen haben diese wahrgenommen.
Zitat:
Gelegentlich stolpern die Menschen über eine Wahrheit. Aber sie richten sich auf und gehen weiter, als sei nichts geschehen. Winston Churchill
britischer Staatsmann (1874 - 1965)

Viele Grüße, Rüdiger
_________________
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http://de.groups.yahoo.com/group/Zitate/

Michael
08.09.2003, 18:11
Opium des Volkes!
Der Satz stimmt absolut!
Ich glaube selber an Götter - das Gefühl, das man nach seinem Tod nicht alleine da steht und nicht einfach tot ist, macht es viel einfacher mit dem Tod umzugehen.
Überhaupt die Vorstellung, das es ein höheres Wesen gibt, das sich um einen kümmert ist doch großartig.
Ich nehme das Opium, es macht mich glücklich, aber ich achte darauf das ich nicht zuviel nehme und mache mir immer wieder bewusst, das es nur Opium ist.

Da sich das Alles wahrscheinlich (ganz sicher) paradox und unsinnig anhört will ich es nochmal kurz erklären:

Die Vorstellung das es einen Gott gibt ist einfach gut und ich kann mir manchmal vormachen das es ihn gibt und manchmal klar machen, das es ihn nicht gibt - verdammt ist das schwer zu beschreiben.
Das muss sich doch absolut dämlich anhören...
Naja ich poste es jetzt trotzdem - falls mir ne bessere Beschreibung einfällt...

Parteigründer
17.09.2003, 15:07
Original von Michael:
Opium des Volkes!
Der Satz stimmt absolut!
Ich glaube selber an Götter - das Gefühl, das man nach seinem Tod nicht alleine da steht und nicht einfach tot ist, macht es viel einfacher mit dem Tod umzugehen.
Überhaupt die Vorstellung, das es ein höheres Wesen gibt, das sich um einen kümmert ist doch großartig.
Ich nehme das Opium, es macht mich glücklich, aber ich achte darauf das ich nicht zuviel nehme und mache mir immer wieder bewusst, das es nur Opium ist.

Wie kann man an etwas glauben, an was man nicht glaubt? Sich einreden? Man sollte immer wissen, daß Religion nur eine Wegbeschreibung sein kann, je vager, desto besser. Die Frage, gibt es einen Gott, viele Götter, Wiedergeburt { meiner Ansicht nach durch gedankenexperimente widerlegbar :( } oder nichts und wieder nichts, kann einen sicher umtreiben. Dabei heißt es doch noch nicht, wenn es Gott gibt, daß es ein Leben nach dem Tod gibt. Vielleicht hat Gott für uns ja nur ein paar Jahre übrig. Zum anderen, was ist mit all den abgetriebenen Kindern, was tut ein Phötus im Himmel? Blasphemie? Nein, ich suche nur nach einer Antwort. Wie kann man sie auch finden, ohne sich solche Fragen zu stellen, ohne vorschnell darauf sich selbst eine Lösung einzureden. 20 % aller klinisch Toten reden hinterher von Nahtoderfahrungen, ob es stimmt, wer weiß. Dogmen sind gefährlich, das ist sicher die einzige Antwort, die man sicher geben kann.

mordor
19.09.2003, 18:46
Viel zu kompliziert.

Alle großen Dinge sind einfach, sonst könnten sie nicht existieren. Wenn sie kompliziert erscheinen, dann deshalb, weil sie dazu gemacht wurden, um Verwirrung über die Geister zu bringen.

Persönliches Fazit:

1. Religion als Urform ist der Zusammenschluß der Unterdrückten gegen die Herrschaft.

Es wird, neben der Macht, eine zweite Autorität installiert, mit der die Macht zu rechnen hat. Woher nun dieser Grundgedanke kommt ... aus der unmittelbaren Anschauung, daß ein Blitz stärker ist als ein Schwert? Daß niemand Macht hat über den Tod? Wenn man das als psychologisches Phänomen betrachtet, vielleicht interessant, aber unter gesellschaftlichen Aspekten nicht grundlegend wichtig. Wichtig ist der unmittelbare praktische Bezug, daß neben den Fürsten der Priester tritt, in seiner Urform als Beauftragter der Gemeinde.

2. Nach Installation der Priesterkaste besteht die Gefahr der Anbändelung mit der Macht bzw. der Verselbständigung dieser Kaste.

Das Volk, die ursprüngliche Quelle der Religion, tritt zurück zugunsten der neu geschaffenen Kaste. Diese Kaste besteht mit dem Ziel der eigenen Machterhaltung fort, soweit, Stichwort Canossa, daß sie die ursprüngliche Idee fortsetzt, den Fürsten als einzigen Träger der Macht infrage zu stellen. Das Prinzip wirkt, die Ursprünge sind vergessen.

3. Grosso Modo ist der Bestand einer Religion, gleichgültig, wie zweifelhaft sich diese gegenüber ihren Ursprüngen verhält, ein Konstrukt der Gewaltenteilung, durchaus im Sinne der Ur-Religionen.

4. Neuere Entwicklungen/Entartungen.

Der Islam ist in den Fällen keine Entartung, wo er sich in Gestalt des Gottesstaates wiederfindet. Damit ist seinem Anspruch Genüge getan. Dieser Anspruch ist im wesentlichen harmlos, da leicht erkennbar und real. In den westlichen "Zivilisationen" finden sich Bestrebungen, mithilfe einer geheimdienstähnlichen Organisation bzw. Durchdringung der gesellschaftlichen Machtstrukturen die konsequenten Umsetzung des Machterhalts um jeden Preis zu praktizieren. Diese Organisationsform ist die gefährlichste, weil sie ihr Überleben jenseits der Gewaltenteilung konsequent verwirklicht, bzw. den Ursprung vollkommen überwunden hat.

LostBoi
11.12.2003, 20:20
die religion heute ist nicht mehr die religion wie vor 500 jahren....
heute ist es eine reine geldmacherei

pavement
11.12.2003, 20:29
die religion heute ist nicht mehr die religion wie vor 500 jahren....
heute ist es eine reine geldmacherei

da wäre ich vorsichtig - gerade in dieser zeit dürfte der ablasshandel geblüht haben.

ich halte marxens argumentation für ziemlich plausibel, allerdings mit dem zusatz, dass man john donnes´einwand für ernst nehmen sollte; meiner meinung nach ist religion ein produkt des menschen, aber das muss noch lange nicht bedeuten, dass es keinen gott gibt.


Im Gegensatz zu Marx bin ich durchaus der Ansicht, daß das Bewußtsein das Sein bestimmen kann.

ich würde marx nicht so einseitig interpretieren; bei marx gibt es durchaus eine wechselwirkung zwischen bewußtsein und sein, idee und wirklichkeit, wobei natürlich das gesellschaftliche sein bestimmend ist.

LostBoi
11.12.2003, 20:32
Original von pavement

die religion heute ist nicht mehr die religion wie vor 500 jahren....
heute ist es eine reine geldmacherei

da wäre ich vorsichtig - gerade in dieser zeit dürfte der ablasshandel geblüht haben.

ich halte marxens argumentation für ziemlich plausibel, allerdings mit dem zusatz, dass man john donnes´einwand für ernst nehmen sollte; meiner meinung nach ist religion ein produkt des menschen, aber das muss noch lange nicht bedeuten, dass es keinen gott gibt.


Im Gegensatz zu Marx bin ich durchaus der Ansicht, daß das Bewußtsein das Sein bestimmen kann.

ich würde marx nicht so einseitig interpretieren; bei marx gibt es durchaus eine wechselwirkung zwischen bewußtsein und sein, idee und wirklichkeit, wobei natürlich das gesellschaftliche sein bestimmend ist.



klar glaube ich auch dass es irgendwas da draussen gibt.....aber dir kirche schlägt einfach nur finanziellen gewinn aus allem....

pavement
12.12.2003, 00:23
klar glaube ich auch dass es irgendwas da draussen gibt.....aber dir kirche schlägt einfach nur finanziellen gewinn aus allem....

beispiel?

ich mein, man kann sicher viel finden, was an der kirche zu kritisieren ist, aber dass sie aus allem finanziellen gewinn schlägt gehört m.E. nicht dazu.