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Vollständige Version anzeigen : Freunde amerikanischer Klassik



Klopperhorst
02.08.2010, 18:55
Amerikanische Klassik hat für mich dieses Quäntchen mehr Dramatik und Dynamik, welches ich bei europäischer klassischer Musik oft vermisse. Die Übergänge zur modernen Filmmusik und Westernmusik sind in ihr erkennbar.

Beispiel Quincy Porter: Symphony Number 1 (1934): Finale (Allegro)

http://images.library.yale.edu/madid_size1/22593/004147.jpg

http://www.youtube.com/watch?v=AHvHR_2toT0


Aber auch auf dem Gebiet der bildenden Kunst kann ich amerikanischen Malern wie Frederic Edwin Church viel abgewinnen. Auch hier scheint eine gewisse höhere (wenn auch vielleicht oberflächlichere) Dramatik im Stil der Romantik hervorzukommen.

Beispiel Twilight in the Wilderness, 1860:

http://www.artchive.com/artchive/c/church/twilight_wilderness.jpg

Ich lade zu weiteren Beispielen ein.

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twoxego
02.08.2010, 19:02
es gibt keine originäre amerikanische klassik.
auch herr Porter schöpfte aus der europäischen musikkultur.
er studierte unter anderem bei Bloch in Paris.

marc
02.08.2010, 19:38
es gibt keine originäre amerikanische klassik.
auch herr Porter schöpfte aus der europäischen musikkultur.
er studierte unter anderem bei Bloch in Paris..

Das Originäre an der amerikanische Klassik ist ja eben, daß es eine Musik aus dem Schmelztiegel ist. Copland wollte sich als ein "Komponist ohne Glorienschein" verstanden wissen, dem es vorallem darauf ankam, daß sich Amerikaner spontan mit einem Werk identifizieren konnten. Denn nur so, meinte er, würden sie einmal zu ihrer spezifisch eigenen Musik kommen. Der Amerikanismus nach Copland war eine Haltung, in der sich der Komponist in der Industriegesellschaft integriert und die Rechtfertigung für seine Künstlerexistenz im alltäglichen Leben findet.
Frei von jedem romantischen Geniekult verstanden sie die Tätigkeit als Komponist als Beruf und nicht als Berufung. Charles Ives war hauptberuflich Versicherungskaufmann und kam zu einem Vermögen, das er dazu benutzte, um andere Komponisten zu fördern, Roy Harris war zunächst Lastwagenfahrer, Walter Piston war technischer Zeichner, Earle Brown studierte Mathematik etc.

Exemplarisch für den Amerikanismus ist Charles Ives: er bezog sich auf die Geistesgeschichte des Landes, zitiert ausgiebig Gebrauchsmusik, Märsche, Volkstänze, Kirchenmusik, aber auch Beethoven und Wagner. Oder Aaron Copland, der sozusagen die amerikanische Antwort auf Elgar und Sibelius war.
Natürlich verschwammen dann die Grenzen zwischen E- und U-Musik und der Abscheu gegenüber der "Kulturindustrie" war den amerikanischen Komponisten fremd.

Der Americanism spiegelt mit seinem pluralistischen Reichtum, der keine Grenzen zu kennen scheint, eben eine extrem pluralistische Gesellschaft wieder, die dann doch wieder etwas eigenes bildet. Im Idealfall kommen dann etwa die Lieder von Charles Ives dabei heraus oder die "Mass" von Leonard Bernstein - in der sich ausdrucksvolle "E"-Passagen ebenso finden wie Blues, Rock, Kinderchöre, Blasmusik, Gospel, Anspielungen auf Beethoven usw. usf. Schließlich kehrte er als "Postmoderne" nach Europa zurück.

twoxego
02.08.2010, 19:46
zur gestaltungshöhe amerikanischer komponisten und den europäischen einfluss in ihren werken tobt schon ewig ein streit.
ich werde den hier nicht fortführen.
das würde ausufern.

alles wurde auch schon im zusammenhang mit der "amerikanischen oper" behandelt.
so werden wir am ende unterschiedlicher meinung bleiben müssen.

zu erinnerrung; es geht hier nicht um schöne oder hässliche musik sondern um klassik, was ja selbst schon ein umstrittener begriff ist.

ps.:
mal sehen, wann Horst mit den genen kommt.

pps..
eine meiner eher privaten theorien ist es, dass man so ab mitte des 20. jahrhunderts am wohnsitz eines künstlers nicht mehr einen nationalen stil festmachen kann. das gilt natürlich nicht für asiatische, afrikanische oder ähnliche kulturen.
länder wie die USA, Kanada aber auch Australien und einige lateinamerikanische werden innerhalb der EU kultur bürokratie übrigens "european outlets" genannt. das macht einen gewissen sinn.

Peaches
02.08.2010, 19:52
es gibt keine originäre amerikanische klassik.
auch herr Porter schöpfte aus der europäischen musikkultur.
er studierte unter anderem bei Bloch in Paris.

Aber erst nachdem ihn Horatio Parker erzogen hat und ihn prägte.

Horatio Parker - A Northern Ballad (http://www.youtube.com/watch?v=0Bml8LvdHCY&feature=related)
Leider vergessen.

Obwohl ich über Parker einmal las, er wäre schlicht ein paar Jahrzehnte zu früh geboren, denn er klänge wie John Williams und die Filmmusik für eine Spielberg-Schmonzette.

Ich finde das ungerecht.

twoxego
02.08.2010, 20:03
ungerecht ist auch, dass sich die katze oft in den schwanz beisst.

herr Parker studierte unter anderem in München.

bach
02.08.2010, 20:08
Ich finde diese Musik auf eine ähnlich düstere und unheimliche Weise süffig und inhaltsleer wie beispielsweise 50er Jahre Rock'n'Roll oder New York City Sitcoms. Der leere Raum raunt einen an, während man lauscht.

Es ist Musik von Krämern für Krämer. Ohne Herzblut, ohne Tiefgang. Der Klang gewordene Nihilismus sozusagen.

Peaches
02.08.2010, 20:10
Ich finde diese Musik auf eine ähnlich düstere und unheimliche Weise süffig und inhaltsleer wie beispielsweise 50er Jahre Rock'n'Roll oder New York City Sitcoms. Der leere Raum raunt einen an, während man lauscht.

Es ist Musik von Krämern für Krämer. Ohne Herzblut, ohne Tiefgang. Der Klang gewordene Nihilismus sozusagen.

Hui. Und die diversen Komponisten kann man so einfach in einen Sack packen?

bach
02.08.2010, 20:13
Hui. Und die diversen Komponisten kann man so einfach in einen Sack packen?

Ja. Es klingt alles nach Walt Disney Filmmusik.

Nachtrag:
Ich habe mir nochmal vergegenwärtigt, dass der Titel dieser Diskussion "Freunde amerikanischer Klassik" lautet. Deshalb ziehe ich mich lieber zurück und bitte um Verzeihung für die Störung.

Peaches
02.08.2010, 20:13
ungerecht ist auch, dass sich die katze oft in den schwanz beisst.

herr Parker studierte unter anderem in München.

Ja, das ist bekannt.

Glücklicherweise kehrte er nach Yale zurück und gründete dort das Symphonische Orchester, das mir mehr als einmal große Freude bereitete.

Aber wenn ich mich recht entsinne nur mit europäischen Komponisten.
Hmm.

twoxego
02.08.2010, 20:17
sagen wir es nett.

eine einstimmige Bach - oder meinetwegen auch Mozartmelodie macht mehr her.

das ist natürlich ein geschmacksurteil und keine musikalische analyse.

solche gibt es allerdings auch in hülle und fülle. eine der bekanntesten dürfte die gegenüberstellung der musik von Gershwin und Strawinsky sein.

um es kurz zu machen; sie fiel nicht freundlich aus, für Gershwin.

a propos Strawinsky:
der lebte ja bekanntlich überwiegend in Paris. trotzdem wird er nicht der französischen musik zugerechnet sondern immer noch der russischen.
Beethoven hingegen der "Wiener Klassik".
nun kann man sich fragen, warum?

Peaches
02.08.2010, 20:17
Ja. Es klingt alles nach Walt Disney Filmmusik.

Hmm.
Charles Ives (http://www.youtube.com/watch?v=u4zTtGKWpeM)auch?

Klopperhorst
02.08.2010, 20:18
Ja. Es klingt alles nach Walt Disney Filmmusik.

Es klingt in weiten Teile wie Entdeckungsmusik. Die Kommerzialisierung ist sicher ein schlimmer Nebeneffekt gewesen und zieht sich bis zu Hans Zimmer.

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bach
02.08.2010, 20:20
Hmm.
Charles Ives (http://www.youtube.com/watch?v=u4zTtGKWpeM)auch?

Nein, der klingt wie ein Achtjähriger, der Beethoven übt.

Peaches
02.08.2010, 20:21
sagen wir es nett.

eine einstimmige Bach - oder meinetwegen auch Mozartmelodie macht mehr her.

das ist natürlich ein geschmacksurteil und keine musikalische analyse.

solche gibt es allerdings auch in hülle und fülle. eine der bekanntesten dürfte die gegenüberstellung der musik von Gershwin und Strawinsky sein.

um es kurz zu machen; sie fiel nicht freundlich aus, für Gershwin.


Ja, das finde ich auch sehr ungerecht.
Wobei wir wieder bei der Katze und dem Schwanz wären.

Klopperhorst
02.08.2010, 20:25
Nein, der klingt wie ein Achtjähriger, der Beethoven übt.

Das ist ein Stil, kein Manko. Wie ich ja schon schrieb, ist die Dynamik höher, mehr Improvisationselemente, schnellere Kombinationen, kein durchstrukturiertes Ganzes.

Es ist eben Entdeckermusik, Klassik eines aufstrebenden Kontinents ohne Reflektion.

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twoxego
02.08.2010, 20:26
Ja, das finde ich auch sehr ungerecht.
Wobei wir wieder bei der Katze und dem Schwanz wären.

Gershwin selbst war da realistischer. deshalb nannte er selbst ja beispielsweise
"Porgy and Bess" nicht "Oper", wie man es heute gelegentlich hört sondern ein "Singspiel nach nordamerikanischen Volksweisen".

es gibt übrigens schon einen amerikanischen komponisten, den ich mag und nicht nur, weil ein paar alte bekannte gerade dies (http://www.john-cage.halberstadt.de/new/index.php?seite=dasprojekt&l=d) veranstalten.

der gute war allerdings Schönberg schüler.
schon wieder die katze.

bach
02.08.2010, 20:28
Es klingt in weiten Teile wie Entdeckungsmusik. Die Kommerzialisierung ist sicher ein schlimmer Nebeneffekt gewesen und zieht sich bis zu Hans Zimmer.

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Nagut, damit magst du auch wiederum Recht haben. Dieser kommerzielle Einsatz von klassischer Musik in Filmen schadet der Musik ungemein. Bei Wagner denke ich manchmal auch unwillkürlich an Heimatfilme. Das raubt der Musik den Tiefgang.

Wobei ich diese Empfindung bei Beethoven überhaupt nicht habe. Vielleicht liegt das daran, dass der so bekannt ist, dass man den für gewöhnlich schon zichmal gehört hat bevor man zum ersten Mal Clockwork Orange sieht und ihn deshalb nicht damit verbindet.

twoxego
02.08.2010, 20:34
das ist allerdings eher pseudoklassik.

sie kann trotzdem nett sein.

IlMMA
04.08.2010, 18:16
es gibt keine originäre amerikanische klassik.
auch herr Porter schöpfte aus der europäischen musikkultur.
er studierte unter anderem bei Bloch in Paris.

Es gibt auch wenige originäre Amerikaner, zumindest in Nordamerika.

twoxego
04.08.2010, 18:32
genau daruf beruht ja meine ansicht.

es gab vermischungen beispielsweise europäischer und afrikanischer wurzeln. das führte dann zu blues, jazz etc..

vieles davon ist auch interessant oder unterhaltsam nur eben keine klassik.