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Vollständige Version anzeigen : Gibt es eoZukunft von Menschenrechtsstandards im Nahen Osten?



Ganz_unten
24.07.2010, 21:26
Seyla Benhabib ist Professorin für Politische Wissenschaften und Philosophie an der renommierten Yale University (USA). Im Mai 2010 war sie Gastprofessorin an der juristischen Fakultät der Universität von Tel Aviv. Sie analysiert die heutige Situation in Israel so wie sie ist, ohne Scheuklappen.

http://www.fr-online.de/in_und_ausland/kultur_und_medien/feuilleton/2879772_Zukunft-im-Nahen-Osten-Israels-Ausweglosigkeit.html

Seyla Benhabib zeigt Gründe dafür auf, weshalb Israel die politisch-theologische Konstruktion des gegenwärtigen Staates aufgeben und eine demokratische Verfassung (z.B. nach europäischem Vorbild) annehmen sollte, deren modernes Staatsbürgerschafts- und Einbürgerungsrecht internationalen Menschenrechtsstandards genügt.

Israel sollte nach den Ausführungen von Seyla Benhabib insbesondere das Recht nicht-religiöser Bürger und Einwohner - ob jüdisch oder palästinensisch - auf Zivilgesetze in Sachen Heirat, Scheidung, Kinderbetreuung, Unterhalt und Erbschaftsfragen anerkennen, die in Übereinstimmung mit internationalen Menschenrechtsstandards von säkularen Gerichten zu regeln sind.

Im heutigen Israel kontrolliert das Rabbinat das Privatrecht aller jüdischen Staatsbürger Heirat, Scheidung und Erbschaftsangelegenheiten betreffend. Dieses Monopol des orthodoxen Rabbinats besteht seit der Gründung des Staates Israel.


Nicht einmal Rabbis aus der konservativen oder Reformbewegung dürfen diese Funktionen ausüben; nach israelischem Gesetz kommt dieses Privileg nur orthodoxen Rabbinern zu. Viele Israelis empfinden es als demütigend, nach den alten und häufig patriarchalischen Regeln der Tora verheiratet oder geschieden zu werden.


Israel ist eine Nation von Immigranten, die eine Demokratie auf ethnischer Grundlage sein möchte. Aber sein Staatsbürgerschafts- und Einbürgerungsrecht sowie sein Familienrecht sind zutiefst diskriminierend und basieren auf ethno-religiöser Zugehörigkeit. Wenn man Jude ist, d.h. wenn man entweder eine jüdische Mutter oder Großmutter mütterlicherseits oder einen jüdischen Vater oder Großvater väterlicherseits hat, erhalt man Israels Einbürgerungsgesetz zufolge automatisch das Recht auf Einwanderung und den Status "Ole Hadash". Die Einbürgerung von Nicht-Juden ist extrem schwierig und, obwohl per Gesetz zugelassen, ohne Konversion fast unmöglich.


Ebenso wie es Palästinenser aus den besetzten Gebieten gibt, die in Israel leben möchten, gibt es Israelis, die die besetzten Gebiete nicht verlassen werden, weil sie sie als angestammtes Land betrachten. In Reaktion darauf haben Mitglieder der israelischen Knesset, die verschiedenen religiösen Parteien angehören, eine Ein-Staaten-Lösung vorgeschlagen, damit die Siedler die besetzten Gebiete nicht verlassen müssen.



Dem liegt die Idee zugrunde, dass für die Israelis, die in den besetzten Gebieten leben, das jüdische Privatrecht gelten könnte. Das letzte Mal galt Privatrecht für verschiedene ethnisch-religiöse Gruppen auf demselben Gebiet im Osmanischen Reich! Im heutigen Israel wird mit seinem System des religiös fundierten Familienrechts und religiösen Gerichten bereits eine Version davon praktiziert.


Die Zahl der Eheschließungen zwischen Palästinensern aus den besetzten Gebieten und israelischen Palästinensern wächst. Um aber Palästinenser aus den besetzen Gebieten daran zu hindern, sich in Israel niederzulassen, musste Israels High Court (unter Berücksichtigung der internationalen Menschenrechte) das Familienzusammenführungsrecht beschränken und hat solchen Paaren angeblich aus Sicherheitsgründen das Recht verweigert, in Israel zusammenzuleben.


Israels existenzielle Probleme sind schwer zu handhaben. Eifernde und dogmatische religiöse Siedler und die beinahe eine Million Juden und Nicht-Juden russischer Herkunft, die in den letzten 15 Jahren nach Israel eingewandert sind, beherrschen die israelische Politik mehr und mehr. Und sie bestimmen über die strategischen Alternativen. Gemeinsam transformieren sie den Traum von einem sozialdemokratischen jüdischen Staat in einen Albtraum von theologischen Gewissheiten und tiefem Antiliberalismus.


Doch zwischen den Träumen der Siedler und den Illusionen der Lieberman-Gruppe, dass sie ein von Palästinensern "bereinigtes" Israel schaffen können, besteht ein Widerspruch. Wenn der Traum von Eretz Israel die dauerhafte jüdische Beherrschung von Judea und Samaria bedeutet, dann ist Israel eigentlich nicht länger ein jüdischer Staat, sondern eine Besatzungsmacht, die über drei Millionen Palästinenser herrscht. Das ist eine instabile Lösung - nicht nur unter dem Gesichtspunkt ihrer internationalen Legalität, sondern auch vom Standpunkt israelischer Gesetze aus.

Widder58
24.07.2010, 22:31
Alles schön und gut, aber warum sollte ein Besatzerregime das tun?