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Mohammed
27.04.2005, 20:03
Seemannstreue

Nafikare necesse est.
Meine längste Braut war Alwine.
Ihrer blauen Augen Gelatine
Ist schon längst zerlaufen und verwest. -
Alwine sang so schön das Lied:
"Ein Jäger aus Kurpfalz".
Wie Passatwind stand ihr der Humor.
- Sonntags morgens wurde sie bestattet
In der Heide, wo kein Bäumchen schattet,
Du auch ihre Unschuld einst verlor.
Donnerstags grub ich sie wieder aus.
Da kamen mir schon ihre Ohrlappen
so sonderbar vor.
Freitags grub ich sie wieder ein.
Niemand sah das in der stillen Heide. -
Montags wieder aus. Von ihrem Kleide,
Das man ihr ins Grab gegeben hatte,
Schnitt ich einer Handbreit gelber Seide,
Und die trägt mein Bruder als Krawatte. -
Gruslig wars: Bei dunklem oder feuchten
Wetter fing Alwine an zu leuchten.
Trotzdem parallel zu ihr verweilen
Wollt ich ewiglich und immerdar.
Bis sie schließlich an den weichen Teilen
Schon ganz anders und ganz flüssig war.
Aus. Ein. Aus; so grub ich viele Wochen.
Doch es hat zuletzt zu schlecht gerochen.
Und die Nase wurde blauer Saft,
Wo drin lange Fadenwürmer krochen. -
Nichts für ungut: Das war ekelhaft. -
Und zuletzt sind mir die schlüpfrigen Knochen
Ausgeglitten und in lauter Stücke zerbrochen.
Und so nahm ich Abschied von die Stücke.
Ging mit einem Schoner nach Iquique,
Ohne jemals wieder ihr Gebein
Auszugraben. Oder anzufassen.
Denn man soll die Toten schlafen lassen


Joachim Ringelnatz (1883-1934)

sunbeam
27.04.2005, 20:07
:nido:

Reichsadler
27.04.2005, 20:09
War der Ringelnatz dein Opa? Der scheint genauso einen Stich zu haben wie Du.

Stammtischler
27.04.2005, 20:10
würde gerne die Illustrationen dazu sehen.

Ein deutscher Jäger
27.04.2005, 20:26
Ziemlich schräg, aber gut!

:comic:

Delbrück
27.04.2005, 21:19
Ah, da haben Rammstein für "Heirate mich" geklaut! ;)

juli
27.04.2005, 21:20
Als sie so leicht benommen da lag, ganz nahe bei mir, sagte eine Stimme in mir: Dick, Du wärst nicht der erste Arzt, der Sex mit einer Patientin hat. Aber eine zweite Stimme in mir rief dann: Dick! Du bist Tierarzt!

Mohammed
27.04.2005, 21:34
Als sie so leicht benommen da lag, ganz nahe bei mir, sagte eine Stimme in mir: Dick, Du wärst nicht der erste Arzt, der Sex mit einer Patientin hat. Aber eine zweite Stimme in mir rief dann: Dick! Du bist Tierarzt!

Und wie hast du dich entschieden ?

juli
27.04.2005, 21:42
Und wie hast du dich entschieden ?

war schon fertig.

Mohammed
27.04.2005, 21:46
Der Herr Ringelnatz hat noch mehr interessante Gedichte geschrieben

http://gutenberg.spiegel.de/ringelnz/kuttelda/kuttelda.htm

LuckyLuke
27.04.2005, 22:00
Billardopfer



Er starb am Billard, beim letzten Stoße.
Engel trugen ihn in die Höh'.
Abraham fand in seinem Schoße
Blaue Kreide und ein Billardqueue,
Und er stieß in spielerischer Idee
Nach den Sternen und Monden mit Linkseffet.
Abraham bekam das Spielen satt,
Weil der Himmel keine Bande hat.
Warf also das Queue wütend zur Erde zurück.
Das brach einer alten Frau das Genick.
Die stand auf der Straße, doch nicht auf der Einwohnerliste.
Die nächste Gemeinde begrub und bezahlte die Kiste.
Und von dem Blitze, der bald dieses, bald jenes vernichtet,
Wurde dann unter »Lokales« berichtet,
Daß er eine fremde Zigeunerin draußen erschlug,
Die einen gestohlenen Billardstock bei sich trug.

Ob wohl in Afrika oder am Delta des Nils
Auch Leute so sterben als Opfer des Billardspiels??

Mohammed
27.04.2005, 22:03
Das Terrbarium


Es war meine Erfindung:
Vor allen Dingen muß man die Tiere lebendig pressen.
Anfangs kostet es Überwindung,
Aber schließlich wird nichts so heiß gekocht wie gegessen.

Die Presse muß mindestens sechs Quadratmeter messen.

Meine Anlage war ein technisches Wunder;
Riesensäle, um die getrockneten Bestien
Übersichtlich hübsch an der Wand zu befestigen.

Denn ein geplättetes Nashorn ist keine Flunder.
Wegen der Dickhäuter und et cetera
Brauchte ich selbstverständlich elektrische Kraft. –
Doch ich speiste mit dem herausfließenden Saft
Sämtliche Waisenkinder von Zentralamerika.
Ganz abgesehen von der Naturwissenschaft.

Manches läßt sich nicht beim erstenmal schaffen.
Oftmals zappelt und zuckt noch der Hals,
Wenn der Unterkörper schon platt ist, so bei den Giraffen.
Und ich besinne mich eines noch schwereren Falls.

Um meine Sammlung zu komplettieren,
Wollte ich auch einen Menschen so präparieren.
Jene Miß Hamsy, die ich dazu erkor,
War eine ernste, wohlgebaute Mulattin,
Leichthin sommersprossig und Zollwächters Gattin.
Und der setzte ich Arak mit Blumenkohl vor,
Sagte, das sei Barbarossas Lieblingsgericht,
Las ihr zwei Novellen von Freiherrn v. Schlicht.
Bis sie langsam das Bewußtsein verlor.
Als ich sie dann im Dunkeln entkleidet hatte,
Legte ich sie behutsam tastend auf die untere Platte,
Kurbelte an. Doch sie erwachte dabei.
Aber ich suchte sie taktvoll bescheiden zu trösten:
Wieviel schlimmer es wäre, lebendig zu rösten,
Und daß die Presse nicht zu umgehen sei.

Nichts stimmt trauriger als ein menschlicher Todesschrei.
Aber was bedeutet solch kurzer Ton
Gegen die furchtbaren Greuel der Vivisektion!
Und wie Miß Hamsy dann an der Wand die vierte
Halle für Säugetiere und Eidechsen zierte,
Hat ihr Anblick jeden Besucher gebannt.
Die Kritiken hörten nicht auf sie zu loben.
Bis sich schließlich die Popolaca erhoben.
Diese Indianer haben das ganze Museum niedergebrannt.
Alles haben mir diese Schweine gestohlen.
Aus Miß Hamsy schnitten sie Mokassinsohlen.
Was ein Barbar ist, hat weder Kultur noch Geschmack.
Aber einen von ihnen erwischte ich später,
Kochte ihn lebend mit Kienharz und Wasserstoff-Äther.
Und den Kerl verbrauche ich heute als Siegellack.

Schwind
27.04.2005, 23:28
Seemannstreue

Nafikare necesse est.
Meine längste Braut war Alwine.
Ihrer blauen Augen Gelatine
Ist schon längst zerlaufen und verwest. -
Alwine sang so schön das Lied:
"Ein Jäger aus Kurpfalz".
Wie Passatwind stand ihr der Humor.
- Sonntags morgens wurde sie bestattet
In der Heide, wo kein Bäumchen schattet,
Du auch ihre Unschuld einst verlor.
Donnerstags grub ich sie wieder aus.
Da kamen mir schon ihre Ohrlappen
so sonderbar vor.
Freitags grub ich sie wieder ein.
Niemand sah das in der stillen Heide. -
Montags wieder aus. Von ihrem Kleide,
Das man ihr ins Grab gegeben hatte,
Schnitt ich einer Handbreit gelber Seide,
Und die trägt mein Bruder als Krawatte. -
Gruslig wars: Bei dunklem oder feuchten
Wetter fing Alwine an zu leuchten.
Trotzdem parallel zu ihr verweilen
Wollt ich ewiglich und immerdar.
Bis sie schließlich an den weichen Teilen
Schon ganz anders und ganz flüssig war.
Aus. Ein. Aus; so grub ich viele Wochen.
Doch es hat zuletzt zu schlecht gerochen.
Und die Nase wurde blauer Saft,
Wo drin lange Fadenwürmer krochen. -
Nichts für ungut: Das war ekelhaft. -
Und zuletzt sind mir die schlüpfrigen Knochen
Ausgeglitten und in lauter Stücke zerbrochen.
Und so nahm ich Abschied von die Stücke.
Ging mit einem Schoner nach Iquique,
Ohne jemals wieder ihr Gebein
Auszugraben. Oder anzufassen.
Denn man soll die Toten schlafen lassen


Joachim Ringelnatz (1883-1934)


Kenne ich. Eine Bekannte von mir hat damals überlegt ob sie Seminarfacharbeit über Nekrophilie macht und da hat sie das ausgekramt.
Schick.

MfG
Eneb

Virgil
28.04.2005, 09:56
Das Gedicht von Ringelnatz ist toll.
Erinnert mich stark an die Gedichte von Gottfried Benn.
Ich liebe Gottfried Benns Lyrik! :P

Virgil
28.04.2005, 09:59
Was haltet ihr davon(dürfte einigen bekannt sein, da es auch in diversen Lehrbüchern für deutsch abgedruckt ist). Es ist ein Gedicht aus Benns "Morgue"-Zyklus:



Schöne Jugend

Der Mund eines Mädchens, das lange im Schilf gelegen hatte,
sah so angeknabbert aus.
Als man die Brust aufbrach, war die Speiseröhre so löcherig.
Schließlich in einer Laube unter dem Zwerchfell
Fand man ein Nest von jungen Ratten.
Ein kleines Schwesterchen lag tot.
Die andern lebten von Leber und Niere,
tranken das kalte Blut und hatten
hier eine schöne Jugend verlebt.
Und schön und schnell kam auch ihr Tod:
Man warf sie allesamt ins Wasser.
Ach, wie die kleinen Schnauzen quietschten!


Gottfried Benn



Die zarte Schönheit hinter der pervertierten Fassade des Bildes ist einfach überwältigend!

Mohammed
28.04.2005, 10:08
...Die zarte Schönheit hinter der pervertierten Fassade des Bildes ist einfach überwältigend!

Ja, der Expressionismus gefällt mir auch :)

erdbeere
27.05.2005, 10:37
*gähn* ich finds langweilig

Mohammed
27.05.2005, 13:09
*gähn* ich finds langweilig

http://www.smiliepage.de/smilies/schildbuerger/schild21.gif

sperschi
27.05.2005, 13:37
Tut doch nicht alle so intelligent, das ist mal totaler Schwachsinn? - Perverses Drecksschwein.... is' der doof? Der Schlachtet so eine und gräbt sie ein, dann wieder aus, dann wieder ein, was soll der Mist?=

Mohammed
27.05.2005, 13:40
....

Mohammed
27.05.2005, 13:41
Tut doch nicht alle so intelligent, das ist mal totaler Schwachsinn? - Perverses Drecksschwein.... is' der doof? Der Schlachtet so eine und gräbt sie ein, dann wieder aus, dann wieder ein, was soll der Mist?=


Wenn´s nur das wäre :)) :)) :))

sperschi
27.05.2005, 13:42
Was haltet ihr davon(dürfte einigen bekannt sein, da es auch in diversen Lehrbüchern für deutsch abgedruckt ist). Es ist ein Gedicht aus Benns "Morgue"-Zyklus:



Die zarte Schönheit hinter der pervertierten Fassade des Bildes ist einfach überwältigend!
Und sowas findest Du geil? :vogel:

WALDSCHRAT
27.05.2005, 13:48
Als stramm Konservativer, jedoch auch als Freigeist, kann ich nur mit E.M.A. antworten:




Der Gott, der Eisen wachsen ließ,
Der wollte keine Knechte,
Drum gab er Säbel, Schwert und Spieß
Dem Mann in seine Rechte,
Drum gab er ihm den kühnen Mut,
Den Zorn der freien Rede,
Daß er bestände bis aufs Blut,
Bis in den Tod die Fehde.

So wollen wir, was Gott gewollt,
Mit rechten Treuen halten,
Und nimmer im Tyrannensold
Die Menschenschädel spalten;
Doch wer für Tand und Schande ficht,
Den hauen wir zu Scherben,
Der soll im deutschen Lande nicht
Mit deutschen Männern erben.

Oh Deutschland, heil'ges Vaterland!
Oh deutsche Lieb' und Treue!
Du hohes Land, du schönes Land!
Dir schwören wir aufs neue:
Dem Buben und dem Knecht die Acht!
Der fütt're Krähn und Raben.
So ziehn wir aus zur Herrmansschlacht
Und wollen Rache haben.

Laßt brausen, was nur brausen kann,
In hellen lichten Flammen!
Ihr Deutsche alle, Mann für Mann,
Zum heilgen Krieg zusammen,
Und hebt die Herzen himmelan und
Himmelan die Hände,
Und rufet alle Mann für Mann:
Die Knechtschaft hat ein Ende!

Laßt klingen, was nur klingen kann,
Die Trommeln und die Flöten!
Wir wollen heute Mann für Mann
Mit Blut das Eisen röten,
Mit Henkersblut, Franzosenblut
Oh süßer Tag der Rache!
Das klinget allen Deutschen gut,
Das ist die große Sache!

Laßt wehen, was nur wehen kann,
Standarten wehn und Fahnen!
Wir wollen heut' uns Mann für Mann
Zum Heldentode mahnen.
Auf, fliege, stolzes Siegspanier,
Voran den kühnen Reihen!
Wir siegen oder sterben hier
Den süßen Tod der Freien.



Ernst Moritz Arndt

Gruß!

Henning