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Vollständige Version anzeigen : Der Osterspaziergang



carpe diem
02.04.2010, 13:11
Vor dem Tor

Vom Eise befreit sind Strom und Bäche
Durch des Frühlings holden, belebenden Blick,
Im Tale grünet Hoffnungsglück;
Der alte Winter, in seiner Schwäche,
Zog sich in rauhe Berge zurück.
Von dort her sendet er, fliehend, nur
Ohnmächtige Schauer körnigen Eises
In Streifen über die grünende Flur.
Aber die Sonne duldet kein Weißes,
Überall regt sich Bildung und Streben,
Alles will sie mit Farben beleben;
Doch an Blumen fehlts im Revier,
Sie nimmt geputzte Menschen dafür.
Kehre dich um, von diesen Höhen
Nach der Stadt zurück zu sehen!
Aus dem hohlen finstern Tor
Dringt ein buntes Gewimmel hervor.
Jeder sonnt sich heute so gern.
Sie feiern die Auferstehung des Herrn,
Denn sie sind selber auferstanden:
Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern,
Aus Handwerks- und Gewerbesbanden,
Aus dem Druck von Giebeln und Dächern,
Aus der Straßen quetschender Enge,
Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht
Sind sie alle ans Licht gebracht.
Sieh nur, sieh! wie behend sich die Menge
Durch die Gärten und Felder zerschlägt,
Wie der Fluß in Breit und Länge
So manchen lustigen Nachen bewegt,
Und, bis zum Sinken überladen,
Entfernt sich dieser letzte Kahn.
Selbst von des Berges fernen Pfaden
Blinken uns farbige Kleider an.
Ich höre schon des Dorfs Getümmel,
Hier ist des Volkes wahrer Himmel,
Zufrieden jauchzet groß und klein:
Hier bin ich Mensch, hier darf ichs sein!
(Johann Wolfgang von Goethe, Faust I)

twoxego
02.04.2010, 13:18
"Als Ostern nahte, sagte der Pfarrer zu seinem Küster Eulenspiegel:
"Es ist hier Sitte, daß die Bauern jeweils in der Osternacht ein Osterspiel aufführen, wie unser Herr aus dem Grabe aufersteht."
Dazu müsse er helfen, denn es sei Brauch, daß die Küster es zurichten und leiten.

Da dachte Eulenspiegel: Wie soll das Marienspiel vor sich gehen mit den Bauern? Und er sprach zu dem Pfarrer: "Es ist doch kein Bauer hier, der gelehrt ist. Ihr müßt mir Eure Magd dazu leihen. Die kann schreiben und lesen."

Der Pfarrer sagte: "Ja, ja, nimm nur dazu, wer dir helfen kann, es sei Weib oder Mann; auch ist meine Magd schon mehrmals dabei gewesen."
Der Haushälterin war das lieb; sie wollte der Engel im Grabe sein, denn sie konnte den Spruch dazu auswendig.
Da suchte Eulenspiegel zwei Bauern und nahm sie mit sich; er und sie wollten die drei Marien sein. Und Eulenspiegel lehrte den einen Bauern seine Verse auf lateinisch. Der Pfarrer war unser Herrgott und sollte aus dem Grabe auferstehen.

Als Eulenspiegel mit seinen zwei Bauern vor das Grab kam — sie waren als Marien angezogen —, sprach die Haushälterin als Engel im Grab ihren Spruch auf lateinisch: "Quem quaeritis? Wen suchet Ihr hier?"
Da sprach der eine Bauer - die vorderste Marie -, wie ihn Eulenspiegel gelehrt hatte: "Wir suchen eine alte, einäugige Pfaffenhure."
Als die Magd hörte, daß sie ihres einen Auges wegen verspottet wurde, ward sie giftig und zornig auf Eulenspiegel, sprang aus dem Grab und wollte ihm mit den Fäusten ins Gesicht hauen. Sie schlug aufs Geratewohl zu und traf den einen Bauern, so daß ihm ein Auge anschwoll.
Als das der andere Bauer sah, schlug auch er mit der Faust drein und traf die Haushälterin an den Kopf, daß ihr die Flügel abfielen.
Da das der Pfarrer sah, ließ er die Fahne fallen und kam seiner Magd zu Hilfe. Er fiel dem einen Bauern ins Haar und raufte sich mit ihm vor dem Grabe. Als das die anderen Bauern sahen, liefen sie hinzu, und es entstand ein großes Geschrei.
Der Pfaffe mit der Köchin lagen unten, die beiden Bauern, die die Marien spielten, lagen auch unten, so daß die Bauern sie auseinander ziehen mußten.

Eulenspiegel aber hatte die Gelegenheit wahrgenommen und sich rechtzeitig davongemacht. Er lief aus der Kirche hinaus, ging aus dem Dorf und kam nicht wieder. Gott weiß, wo sie einen anderen Küster hernahmen!"


irgendwie seltsam; wie können denn alle unten liegen?

Zimbelstern
02.04.2010, 21:15
Nicht Ostern, jedoch Frühling allgemein...

Mörike:




Frühling lässt sein blaues Band
wieder flattern durch die Lüfte
Süße, wohlbekannte Düfte
streifen ahnungsvoll das Land
Veilchen träumen schon,
wollen balde kommen.
Horch, von fern ein leiser Harfenton!
Frühling, ja du bist's!
Dich hab ich vernommen!

carpe diem
02.04.2010, 21:57
http://cyberhexe1.piranho.de/egg.gifDAS HÄSLEIN http://cyberhexe1.piranho.de/egg.gif

Unterm Schirme, tief im Tann,
hab ich heut gelegen,
durch die schweren Zweige rann


reicher Sommerregen.
Plötzlich rauscht das nasse Gras -



stille! Nicht gemuckt! -:
Mir zur Seite duckt
sich ein junger Has -


Dummes Häschen,
bist du blind?
Hat dein Näschen
keinen Wind?
Doch das Häschen, unbewegt,
nutzt, was ihm beschieden,
Ohren, weit zurückgelegt,
Miene, schlau zufrieden.


Ohne Atem lieg ich fast,
lass die Mücken sitzen;
still besieht mein kleiner Gast
meine Stiefelspitzen...
Um uns beide - tropf - tropf - tropf -
traut eintönig Rauschen...
Auf dem Schirmdach - klopf - klopf - klopf...
Und wir lauschen... lauschen...
Wunderwürzig kommt ein Duft
durch den Wald geflogen;
Häschen schnuppert in die Luft,
fühlt sich fortgezogen;


Schiebt gemächlich seitwärts, macht
Männchen aller Ecken...
Herzlich hab ich aufgelacht -:
Ei, der wilde Schrecken!


Ein Gedicht von Christan Morgenstern



http://cyberhexe1.piranho.de/Ostergedichte.htm

Zimbelstern
02.04.2010, 22:08
Als Replik dazu wieder ein Frühlingsgedicht, das ich übrigens sehr schätze:

Uhland: Lob des Frühlings




Saatengrün, Veilchenduft,
Lerchenwirbel, Amselschlag,
Sonnenregen, linde Luft!

Wenn ich solche Worte singe,
braucht es dann noch große Dinge,
Dich zu preisen, Frühlingstag!

carpe diem
03.04.2010, 13:27
Der Eierdieb Wenn zwischen Gras und Osterglocken
jetzt Schoko-Osterhasen hocken,
nach einem langen, strengen Winter,
beglückt das viele kleine Kinder.
Doch ist der echte Osterhase,
der Schlingel mit der Mümmelnase,
ein Langohr, ganz gewieft und schlau:
Er schickt die Osterhasenfrau,
damit sie Hühnereier stiehlt,
wobei nach links und rechts sie schielt.
Dann macht sie einen Überfall
auf irgendeinen Hühnerstall.
Sie tut das gern für ihren Mann,
weil der nicht Eier legen kann.
Wenn sie die Eier dann bemalt,
ist auch die Farbe nicht bezahlt.
Was hat die Osterhasenbraut
für ihren Gatten schon geklaut!
Und jedes Jahr zur Osterfeier
bringt er geklaute Ostereier.
Dafür wird er, ganz unbeschwert,
von allen Kinderlein verehrt,
die mal geduldig, mal mit Fluchen,
im Garten Ostereier suchen.
Mein lieber Hase, hör’ einmal:
Wer Eier klaut ist asozial!

Alfons Pillach