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Vollständige Version anzeigen : Spiritiualismus der Offenheit.



Apotheos
17.03.2010, 04:02
Sich zur Angst und Unkenntnis zu bekennen ist der Schritt zum wahren Lebensglück. Die Erkenntnis der Unwissenheit gegenüber dem Lauf und Sinnen der Dinge eine mystische Erfahrung. Das Wirkliche zu akzeptieren ein Moment der unmittelbaren Entfaltung. Indessen man mir Gottlosigkeit oder sonstiges unterstellen mag... eben dies ist der Kern dessen, was ich „Spiritualismus der Offenheit“ nenne. Darin findet sich eine ganz und gar künstlerische, eine schöne, eine große Weltbetrachtung - eine offene, eine anarchistische.

Der Religion abzuschwören heißt nicht der Schönheit abzuschwören, ganz im Gegenteil. Areligiös zu sein, heißt, sich der wirklichen äußerlichen Schönheit zu öffnen, die Augen auf sie zu richten und sich nicht in eine fälschliche, eine ideologische, eine rein irrationale Schönheit zu verlieren. So, wie der Künstler das Sujet, als Vorstellungswelt, aus seiner tradierten Begrenzung herausnimmt und neu entfesselt, entflammt und entsendet, gleichwohl sich auf die Reise neuer Feuer begibt, so ist der Lauf der Dinge ein verschleierter, ein nebeliger, ein Waldgang. Worauf ich hinaus will? Die Absagung von jedweder Ideologie beinhaltet das Bildnis der göttlichen Offenbarungswahrheit, wie es sich in den Religionen selbstzeichnet, etwa so, wie es sich bei Albert Camus ( den ich sehr verehre ) immer wieder höchstgradig formuliert. Der Religion zu entschwören meint nicht, die Spiritualität und Sinnlichkeit des Seins aufzugeben. Nein, es heißt, sich diesen Dingen erst zu öffnen.

Dazu folgendes:


Lang ist's her, dass ich seine Schriften intensiv gelesen habe. Ende der 50er Jahre habe ich ihn mir entdeckt und sogleich politisch-moralische Blutsbrüderschaft in gehörigem Abstand verspürt. Sisyphos, Camus' "Versuch über das Absurde", ist seither eine zeitgeronnene Bezugsperson.

"Der absurde Mensch sagt Ja, und seine Mühsal hat kein Ende mehr", so heißt es im vorletzten Absatz meiner seinerzeitigen, noch druckheiß erstandenen Rowohlt-Ausgabe (Juni 1959) zu Camus' Aufruf, hier, im mühseligen Diesseits Momente des Glücks zu finden. Und sie endet mit den berühmten, fast versgleichen Sätzen:

"Ich verlasse Sisyphos am Ende des Berges! Seine Last findet man immer wieder. Nur lehrt Sisyphos uns die größere Treue, die die Götter leugnet und die Steine wälzt. Auch er findet, dass alles gut ist. Dieses Universum, das keinen Herrn mehr kennt, kommt ihm weder unfruchtbar, noch wertlos vor. Jedes Grau des Steins, jeder Splitter dieses durchnächtigten Berges bedeutet allein für ihn eine ganze Welt. Der Kampf gegen den Gipfel vermag ein Menschenherz auszufüllen. Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen."

http://www.graswurzel.net/345/camus.shtml

Ich gebe wieder mal zu. Das Topic ist etwas wirr, der Zusammenhang wage, allerdings wäre ich über Kommentare diesbezüglich erfreut. Die Ungenauigkeiten dieses Denkansatzes liegen in der ästhetisierenden, aber unvollkommenen Betrachtungsweise meinerseits begründet. In diesem Zitat wird unter anderem das, wenn auch vielleicht nicht in meiner Sicht, artikuliert, was ich als Bekenntnis zu den Dingen, zum Leben ( auch seiner Grausamkeit und Niedrigkeit ) bezeichne. Innerhalb dieser Aufladung von Wahrhaftigkeit kann sich ein neuer Ansatz finden, um das, was ist, neu zu gestalten. Sich selbst und die Welt. Aber vorallem sich selbst. Das ist mein Appell.

Waldgänger
17.03.2010, 04:19
Ich glaube Osho und Alan Watts dürften Dir sehr zusagen. ;) Ansonsten sehr schöner Beitrag. :top:

Gawen
17.03.2010, 19:51
Das Wirkliche zu akzeptieren ein Moment der unmittelbaren Entfaltung. Indessen man mir Gottlosigkeit oder sonstiges unterstellen mag... eben dies ist der Kern dessen, was ich „Spiritualismus der Offenheit“ nenne. Darin findet sich eine ganz und gar künstlerische, eine schöne, eine große Weltbetrachtung - eine offene, eine anarchistische.

Der Religion abzuschwören heißt nicht der Schönheit abzuschwören, ganz im Gegenteil.

Dann solltest Du als erstes mal die alte Marx-Religion ablegen. ;)


"Was bist du Mensch? Ein Gottgedanke!
Und hat, der dich hienieden gedacht,
Wenn dir gefallen der Sterblichkeit Schranke,
Nicht weiter dich zu denken die Macht?"

(Karl Marx)

Apotheos
17.03.2010, 20:03
Ich gebe zu, dass ich nicht begriffen habe, worauf du hinaus willst. :)

Gawen
17.03.2010, 23:46
Ich gebe zu, dass ich nicht begriffen habe, worauf du hinaus willst. :)

"... eben dies ist der Kern dessen, was ich „Spiritualismus der Offenheit“ nenne. Darin findet sich eine ganz und gar künstlerische, eine schöne, eine große Weltbetrachtung - eine offene, eine anarchistische. Der Religion abzuschwören heißt nicht der Schönheit abzuschwören ..."

Daß Du zur Selbstreflektion nicht besonders taugst ist mir schon klar. :]

Schau, die Reise des wahren Mystikers ist ergebnisoffen, wenn er Religion findet, dann ist sie halt da. Deine Scheinoffenheit impliziert aber immer den Ausschluß eines möglichen Teils Deines Seins.

Und Du merkst nicht einmal wie verstockt Du dabei bist.


Komm, fang doch mal an einen Weg in Unbekannte zu gehen. Intrepretier uns doch mal dieses Gedicht Deines Messias redlich, ohne ihm die Worte zu verkehren, sei doch mal, wie Marx es sagte, ganz göttlicher Gedanke und daher frei:

"Was bist du Mensch? Ein Gottgedanke!
Und hat, der dich hienieden gedacht,
Wenn dir gefallen der Sterblichkeit Schranke,
Nicht weiter dich zu denken die Macht?"

(Karl Marx)

Was sagt Dir dieses Gedicht, Apotheos?

-25Grad
17.03.2010, 23:50
Hat das ernsthaft Karl Marx geschrieben?

Gawen
18.03.2010, 07:07
Hat das ernsthaft Karl Marx geschrieben?

Gründe zu zweifeln?

http://gedichte.xbib.de/gedicht_Marx%2C+Karl.htm

Apotheos
18.03.2010, 09:24
Ich lehne Religion ab, weil sie ein ideologisches System ist, dass eine religiöse und damit nicht auf empirischer Wahrheit beruhenden Wahrheitsanspruch über die Welt hat. Da diese aber nur auf einer Hülle spekulativer Thesen ohne Beweiskraft verfügt, ist es Unsinn sich in ein relgiöses Schema zu pressen. Ein areligiöser Atheismus-Agnostizismus ist die Antwort. Mystische Überlegungen beanspruchen keine Wahrheit, sondern sind nur Bestandteil einer sinnlichen Überlegung und dadurch Sinnsuche. Bestimmte Dinge auszuschließen, etwa Ideologie, ist kein Widerspruch. Möglichst frei zu denken, heißt nicht Beliebigkeit.

Dexter
18.03.2010, 10:10
Ich lehne Religion ab, weil sie ein ideologisches System ist, dass eine religiöse und damit nicht auf empirischer Wahrheit beruhenden Wahrheitsanspruch über die Welt hat. Da diese aber nur auf einer Hülle spekulativer Thesen ohne Beweiskraft verfügt, ist es Unsinn sich in ein relgiöses Schema zu pressen. Ein areligiöser Atheismus-Agnostizismus ist die Antwort. Mystische Überlegungen beanspruchen keine Wahrheit, sondern sind nur Bestandteil einer sinnlichen Überlegung und dadurch Sinnsuche. Bestimmte Dinge auszuschließen, etwa Ideologie, ist kein Widerspruch. Möglichst frei zu denken, heißt nicht Beliebigkeit.

Jede Form der Geisteswissenschaft, und final haben diese auch diverse Formen und Strömungen des Anarchismus hervorgebracht, wobei diese normalerweise die Papierform nie verlassen, basieren auf Paradigmen, Grundannahmen, die sich ihrer endgültigen Beweis oder ihrer endgültigen Widerlegung entziehen, und damit nicht empirisch ist. Anarchistische Ideologien sind davon genauso überschwemmt wie alle anderen politischen Ideenlehren. Ich habe aber persönlich noch nie eine_n bekennende_n Anarchist_in_en getroffen, die sich wirklich mit Anarchismus auseinander gesetzt hat, außerhalb von den paar Brocken Bakunin, die ich auch gelesen habe.

Apotheos
18.03.2010, 10:29
Jede Form der Geisteswissenschaft, und final haben diese auch diverse Formen und Strömungen des Anarchismus hervorgebracht, wobei diese normalerweise die Papierform nie verlassen, basieren auf Paradigmen, Grundannahmen, die sich ihrer endgültigen Beweis oder ihrer endgültigen Widerlegung entziehen, und damit nicht empirisch ist. Anarchistische Ideologien sind davon genauso überschwemmt wie alle anderen politischen Ideenlehren. Ich habe aber persönlich noch nie eine_n bekennende_n Anarchist_in_en getroffen, die sich wirklich mit Anarchismus auseinander gesetzt hat, außerhalb von den paar Brocken Bakunin, die ich auch gelesen habe.

Es gibt nur eine anarchistische Theorie, keine anarchistische Ideologie. Ein anarchistischer Ideologe ist kein Anarchist mehr. Eine Ideologie ist ein abgeschlossenes Weltbild mit Dogmen, an denen zu rütteln, aus Sicht der Ideologen ein Verbrechen ist. Etwas in Frage zu stellen ist aber immer erlaubt und sogar gefordert. Die Aufgabe des Menschen seine Behauptungen zu beweisen bzw. ihre praktische Tauglichkeit u. Möglichkeit darzulegen. Beim Anarchismus ist dies bereits geschehen. Marx revidierte selbst seine autoritären Ansichten, als die Pariser Kommune entstand. Diese war aber insbesondere anarchistisch motiviert und nicht spezifisch marxistisch, so wie es oft dargestellt wird ( von Marxisten ). Einige Revolutionäre waren 'Proudhonisten'. Ebenso die spanische Republik, die ungarische Machnowtschina-Bewegung u. die Kronstädter Matrosen. Auch ist es, wie du festgestellt hast, ein Unterschied ob man Anarchist ist oder ob man Anarchist ist und den Anarchismus wissenschaftlich studiert. Letzteres mache ich.

Dexter
18.03.2010, 11:20
Es gibt nur eine anarchistische Theorie, keine anarchistische Ideologie. Persönlich bei aller Weltoffenheit weigert sich etwas in mir radikalen Femianarchismus als Theorie anzuerkennen. Die Diskussion bei Seite gelassen, dass es keine wissensachtlich gesehen allgmein gültige Definition gibt, was genau eine Theorie ist und was diese enthalten muss, ist wird der Begriff Ideologie in ihrer Bedeutung als die kollektiven Interessen und Grundvorstellungen einer politischen Gruppe, gleich welcher Art und Organisationsform.

Ein anarchistischer Ideologe ist kein Anarchist mehr. Empirisch gesehen ist das für dich offenbar ein Widerspruch. Wenn etwas einen logischen Widerspruch darstellt, lässt man die Idee entweder fallen oder adaptiert sie.
Eine Ideologie ist ein abgeschlossenes Weltbild mit Dogmen, an denen zu rütteln, aus Sicht der Ideologen ein Verbrechen ist.Machen wir das an einem zentralen Punkt, den Anarchist_in_en in ihren Weltbildern teilen wie dem freien Willen. Ein Punkt der Querschnittsmaterie an Dogmen ist, dass der Mensch gut ist, und dass er oder sie frei entscheiden kann. Wenn du tatsächlich hier empirisch fundiert vorgehen willst, was wiederum eine Basis deines Weltbildes, und damit deiner Ideologie ist, sagt die moderne Neurologie, dass freier Will in einem philosophischen Sinn aus heutiger Sicht nicht existiert. Die Postanarchisten haben vor allem an das Paradigma, dass Menschen prinzipiell gut sind aufgeweicht.
Etwas in Frage zu stellen ist aber immer erlaubt und sogar gefordert. Sogar in den meisten Religionen, die auf schriftlichem Niveau sind, fordern das Religionswissenschaftler_innen.
Die Aufgabe des Menschen seine Behauptungen zu beweisen bzw. ihre praktische Tauglichkeit u. Möglichkeit darzulegen. Es gibt viele Behauptungen, die ich nicht beweisen will, wie dass ich brennbar bin. Ich glaube das einfach, weil es mir gesagt wurde. Der Beweis in wissenschaftlichen Sinn ist dabei nur in positivistischen Naturwissenschaften im Sinne des kritischen Rationalismus klar gegeben. Bei den Geisteswissenschaften unterliegt auch dieser Punkt massiven Diskursen über diverse Paradigmen. Was als Beweis wissenschaftlich, und empirisch zulässig ist, kann dabei stark differenzieren und von diversen Teilen nicht als solcher anerkannt werden.
Beim Anarchismus ist dies bereits geschehen. Im Postanarchismus?
Marx revidierte selbst seine autoritären Ansichten, als die Pariser Kommune entstand. Diese war aber insbesondere anarchistisch motiviert und nicht spezifisch marxistisch, so wie es oft dargestellt wird ( von Marxisten ). Einige Revolutionäre waren 'Proudhonisten'. Ebenso die spanische Republik, die ungarische Machnowtschina-Bewegung u. die Kronstädter Matrosen. Auch ist es, wie du festgestellt hast, ein Unterschied ob man Anarchist ist oder ob man Anarchist ist und den Anarchismus wissenschaftlich studiert. Letzteres mache ich.[QUOTE=Apotheos;3565931]
Zeig mir den Staat der Anarchisten. Sofern diese von dir genannten Vorfälle tatsächlich anarchistisch motiviert waren, was zumindest teilweise bestritten werden könnte, wie lange haben sich diese Versuche gehalten? In revolutionären und bürgerkriesähnlichen Sümpfen haben es einige Einsame geschafft sich Räterepubliken auszudenken, eine der politisch tollsten Fehlkonstrukte, oder willst du jetzt auch noch ein Loblieb auf den anarchistischen Opa Stalin bringen?

Gawen
18.03.2010, 19:06
Bestimmte Dinge auszuschließen, etwa Ideologie, ist kein Widerspruch. Möglichst frei zu denken, heißt nicht Beliebigkeit.

Das ist ziemlich kleingeistig! :D

Wie willst Du denn das frei denkbare vom nicht frei denkbaren abgrenzen?

Wie soll Fortschritt möglich sein wenn in Konsequenz die Erforschung des Unbekannten als nicht frei denkbar unterdrückt wird weil das Scheinbekannte nicht beliebig kritisiert werden darf?


Marx war so frei sich als Göttergedanke zu verstehen, Moses Hess ist im Alter zum Fürsprecher der jüdischen Orthodoxie geworden...

Wie kommts, daß die damals in Sachen Religion geistig freier waren als Du es heute bist? :]