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Vollständige Version anzeigen : Bubersche Vernunftreligion



Apotheos
07.03.2010, 13:45
Im folgenden werde ich hier ein paar Textausschnitte M. Bubers veröffentlichen, der meiner Ansicht nach, relativ interessante Sachen geschrieben hat, die gerade für die fundamentalistischen Religionslämmer dieses Forums aufklärenden Sinn haben könnten.
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„Im Lichte dieses Auftrages kann man den Charakter biblischen Wortes genauer betrachten. Jedes Verstehen ist Interpretation. Das ist eine hermeneutische Grundeinsicht. Man muß aber noch weitergehen: Jedes Reden ist Interpretation. Somit ist bereits der Bericht des Erstzeugen einer göttlichen Offenbarung Interpretation. Man kann Gott nicht greifen, dies erweist sich hier in einem weitreichenden Zusammenhang: wenn wir versuchen, dem Wesentlichen in der Bibel auf die Spur zu kommen, können wir uns nicht allein auf das in der Bibel Berichtete verlassen. Denn niemals kann ein Mensch Gottes Wort rein und absolut vernehmen, denn immer vernimmt er es in einer Beziehung, einer Beziehung, die notwendigerweise Göttliches mit Menschlichem vermischt. Das tatsächliche Offenbarungsereignis bedeutet nicht, daß sich ein göttlicher Inhalt in ein leeres menschliches Gefäß ergieße; die tatsächliche Offenbarung bedeutet die Brechung des einigen göttlichen Lichtes in die menschliche Vielfältigkeit. Wir kennen keine andere Offenbarung als die der Begegnung von Göttlichem und Menschlichem, an der das Menschliche faktisch beteiligt ist. Das Göttliche ist das Feuer, das das menschliche Erz umschmilzt, aber was sich ergibt ist nicht von der Art des Feuers.“

Das Wesentliche ist Gott und die persönliche Beziehung zu ihm. Alles menschliche Sprechen ist nur unvollständiges und verzerrtes Abbild dessen. Das ist keine Abwertung. Ganz im Gegenteil. Diese Sichtweise eröffnet dem Menschen einen ganzheitlichen Zugang zur Bibel. Mit allem, was er hat, kann er mit dem Text ringen, dem Text sein Wesentliches Abringen, hinter den Text dringen, wo nicht Leere ist, wo nicht das Reich der Phantasie schlummert wie in anderer Literatur, sondern Gott in seiner verborgenen Gegenwart.


Und so sind wir wieder am Punkt angelangt: der Mensch hat die Freiheit der Interpretation, die nur von der Verantwortung beschränkt wird, daß sein Gegenüber Gott, sein Schöpfer und Inhalt dessen ist, was er interpretiert. Wer die Freiheit nicht annimmt, wer sich fundamentalistisch oder biblizistisch an die Worte wie einen zweiten Gott klammert, der riskiert, seinem Auftrag in eigener Sache nicht gerechtzuwerden, ganz nach dem pointierten Wort von dem jüdischen Theologen Pinchas Lapide: Man kann die Bibel wörtlich nehmen, oder man nimmt sie ernst. Wer umgekehrt die Verantwortung nicht ernstnimmt, riskiert die Sünde, die Entfernung von Gott, weil die Beliebigkeit sich in Wirklichkeit nur noch am Menschlichen orientiert und damit Hybris ist.

Gott hat den Menschen zur Freiheit geschaffen, er kann sie in Verantwortung meistern, er kann in ständiger Infragestellung aller menschlichen Beimischungen die Wahrheit, ohne je ihrer habhaft zu werden, für sich selbst und für alle anderen lebendig erhalten, vielleicht ganz in dem Sinne, wie Martin Buber schrieb: Es geht letztlich nicht darum, daß diese oder jene Person eine biblische Erzählung mißverstanden hat; es geht darum, daß in dem Werk der Kehlen und Griffel, aus dem der Bibeltext entstanden ist, sich wieder und wieder Mißverstehen ans Verstehen heftet, Hergestelltes sich mit Empfangenen verquickte. Wir haben kein objektives Kriterium für die Scheidung, wir haben einzig den Glauben - wenn wir ihn haben.

http://buber.de/christl/wunder

Gryphus
07.03.2010, 13:53
Denn niemals kann ein Mensch Gottes Wort rein und absolut vernehmen, denn immer vernimmt er es in einer Beziehung, einer Beziehung, die notwendigerweise Göttliches mit Menschlichem vermischt.

Und wie darf man diesen Kauderwelsch verstehen?

Gryphus
07.03.2010, 13:55
Als könntest du Gott begreifen.

Niemand kann ihn begreifen, aber er gab uns Gesetze und eine Überlieferung.

Apotheos
07.03.2010, 13:56
Und wie darf man diesen Kauderwelsch verstehen?

Wer hat denn die Bibel geschrieben? Menschen natürlich. Selbst, wenn sie göttliche Offenbarung sein sollte ( ! ), wird dadurch die Botschaft verfälscht, da Gott das den Menschen überragende ist ( ansonsten könnte man ja nicht von Gott sprechen ). Hinzukommt die über die Jahrhunderte veränderte Verfälschung und Missinterpretation der Texte, die, selbst, wenn Gott diese Botschaft erbrachte, nicht die ist, die er bringen wollte. Jedenfalls ist das konsequent gedacht doch anzunehmen. :) Daher kann der Zugang zum Glauben auch nur ein agnostizistischer sein. Nicht, wie hier manche Gestalten ihn missverstehen.

Gryphus
07.03.2010, 14:02
(...)


Wer hat denn die Bibel geschrieben? Menschen natürlich. Selbst, wenn sie göttliche Offenbarung sein sollte ( ! ), wird dadurch die Botschaft verfälscht, da Gott das den Menschen überragende ist ( ansonsten könnte man ja nicht von Gott sprechen ).

Wieso sollte die Überlieferung verfälscht sein, wenn er sich den Evangelisten offenbart?


Hinzukommt die über die Jahrhunderte veränderte Verfälschung und Missinterpretation der Texte, die, selbst, wenn Gott diese Botschaft erbrachte, nicht die ist, die er bringen wollte.

Hat Gott dir seinen eigentlichen Willen gerade gesimst oder woher willst du ihn kennen?


Jedenfalls ist das konsequent gedacht doch anzunehmen. :) Daher kann der Zugang zum Glauben auch nur ein agnostizistischer sein. Nicht, wie hier manche Gestalten ihn missverstehen.

Du bist schlimmer als die Zeugen Jehovas, ganz ehrlich. Suche deinen Weg wie du willst, ich will Christ sein.

Apotheos
07.03.2010, 14:08
[...]


Wieso sollte die Überlieferung verfälscht sein, wenn er sich den Evangelisten offenbart?


Weil die Evangelisten jediglich Menschen sind und sie Gott schlicht und ergreifend als eine übergeordnete Wesenheit nicht fassen können. Wie gesagt. Andernfalls hätte es keinen wirklichen Sinn überhaupt von einem Gott/Göttlichkeit zu sprechen.


Hat Gott dir seinen eigentlichen Willen gerade gesimst oder woher willst du ihn kennen?

Eben das behaupte ich ja nicht. Es ist jediglich eine logische Folge aus dem Glauben an Gott, dass der Glaube missverstanden, fehlinterpretiert oder schlicht... menschengemacht bzw. menschen-verfälscht wurde. Oder möchtest du dir als braver Christ anmaßen zu bestimmen, was Gott ist, was er alleinig möchte, was seinem Sinnen entspricht? Das könntest du nur, wenn du Gott bist. Ich glaube aber, dass das nicht stimmt... oder?



Du bist schlimmer als die Zeugen Jehovas, ganz ehrlich. Suche deinen Weg wie du willst, ich will Christ sein.


Was genau gefällt dir denn nicht an dem Text? Er ist doch vollkommen tolerant und offen geschrieben. Es ist schlicht unverständlich und anmaßend, wenn eine Kirche oder ein Gryphus meint, die alleinige Weisheit über einen göttlichen Glauben zu haben. Das ist nunmal die Konsequenz aus dem Glauben an ein höher gestelltes bzw. in allen Dingen, aber für das einzelne Teil ( der Mensch! ) unfassbares Wesen/Ding - whatever. ;)

umananda
07.03.2010, 18:44
Was genau gefällt dir denn nicht an dem Text? Er ist doch vollkommen tolerant und offen geschrieben.

Nach Nietzsche versuchst du nun Martin Buber als "Kronzeugen" für deine abstruse "Vorstellung" in den "Zeugenstand" zu bitten.

Martin Buber schreibt in seinem Essay "Ich und Du"

Wohlgemerkt, es wird nicht nach G´tt gefragt, nur nach unserer Beziehung zu ihm. Und doch muss ich, um antworten zu können, von ihm reden.

Selbstverständlich ist nur davon zu reden, was G´tt in seiner Beziehung zu einem Menschen ist.

Buber redet also weder von einer Fehlinterpretation noch von einem Missbrauch ... irgendwie missverstehst du auch Martin Buber.
Ansonsten habe ich das Gefühl, dass der User Gryphus irgendwie mit seiner Bemerkung ins Schwarze getroffen hat ...

Ich zitiere den User Gryphus:

Du bist schlimmer als die Zeugen Jehovas, ganz ehrlich.

Servus umananda

heide
08.03.2010, 05:05
Nach Nietzsche versuchst du nun Martin Buber als "Kronzeugen" für deine abstruse "Vorstellung" in den "Zeugenstand" zu bitten.

Martin Buber schreibt in seinem Essay "Ich und Du"

Wohlgemerkt, es wird nicht nach G´tt gefragt, nur nach unserer Beziehung zu ihm. Und doch muss ich, um antworten zu können, von ihm reden.

Selbstverständlich ist nur davon zu reden, was G´tt in seiner Beziehung zu einem Menschen ist.

Buber redet also weder von einer Fehlinterpretation noch von einem Missbrauch ... irgendwie missverstehst du auch Martin Buber.
Ansonsten habe ich das Gefühl, dass der User Gryphus irgendwie mit seiner Bemerkung ins Schwarze getroffen hat ...

Ich zitiere den User Gryphus:

Du bist schlimmer als die Zeugen Jehovas, ganz ehrlich.

Servus umananda

Um Buber zu verstehen, braucht es viel Kenntnis aus dem Judentum.

Apotheos
09.03.2010, 12:43
[...]


Nach Nietzsche versuchst du nun Martin Buber als "Kronzeugen" für deine abstruse "Vorstellung" in den "Zeugenstand" zu bitten.

Verstehe das Problem nicht. Ich rufe niemanden in den Zeugenstand. Jediglich mache ich mir Gedanken über das was Buber geschrieben hat... und ich halte ihn für einen brillianten Denker. Nirgendwo missbrauche ich ihn für 'sozialistische' Propaganda. Habe ich hier nicht und muss ich auch nicht. Er sah sich selbst als religiösen Sozialisten. :)



Buber redet also weder von einer Fehlinterpretation noch von einem Missbrauch ... irgendwie missverstehst du auch Martin Buber.

Aber ich rede davon. Habe auch nirgendwo geschrieben, dass alles was ich von mir gebe, die Wiedergabe irgendwelcher buberschen Ansichten ist. oÔ Buber betonte den individuellen Zugang zu Gott... damit die Ablehnung dogmatischer Religionstheologie und absolut gesetzter Glaubenslehren. Das ist ein sehr mystizistischer und skeptischer Standpunkt. Auf dieser Denkebene kann Glauben auch nicht mehr missbraucht werden. Denn, wenn der Zugang zu Gott von keiner Instanz als Wahrheit verkündet werden kann, dann kann man auch nicht im Namen Gottes Krieg führen. ( oder andere Späßchen )


Ich zitiere den User Gryphus:

Du bist schlimmer als die Zeugen Jehovas, ganz ehrlich.

Wohl kaum. Weder kann ich dem zustimmen, noch dem Folgen. Weshalb das so sein sollte kannst du mir aber sicher näher erklären... oder?

umananda
09.03.2010, 12:55
Martin Buber lehnte ganz und gar die Theologie nicht ab und das Judentum beschränkt sich bei Buber nicht nur im persönlichen Raum. Buber ist nur um Kontext zur jüdischen Religion zu sehen. Was du jüdischen Sozialismus nennst, ist nichts anderes als die Form des jüdischen Zusammenlebens, das schon in der Tora seine Entsprechung findet. Der zehnte Teil, den man an die Mittellosen entrichten sollte und so weiter.

Der sogenannte jüdische "Sozialismus" hat mir deiner Vorstellung von Sozialismus nichts zu tun. Er beschränkt sich in den Grenzen der jüdischen Gemeinschaft und nicht darüber hinaus.

Das Judentum kennt keine Machtstrukturen und kann deshalb in dieser Hinsicht auch nicht missbraucht werden.

Servus umananda

Apotheos
09.03.2010, 13:04
Der sogenannte jüdische "Sozialismus" hat mir deiner Vorstellung von Sozialismus nichts zu tun. Er beschränkt sich in den Grenzen der jüdischen Gemeinschaft und nicht darüber hinaus.

Servus umananda

Ich bin kein Buberexperte. Aber: Er sah sich doch als religiösen Sozialisten. Inwiefern sollte er sich dabei nur auf den jüdischen Glauben beschränkt haben... oder wo hat er soetwas behauptet? Ich glaube du verwechselst etwas... auch seine Biografie solltest du überdenken... er war ein guter Freund Gustav Landauers, der eine zentrale Rolle bei der Münchner Rätebewegung darstellte. Das entspricht sogar außerordentlich meiner Vorstellung von Sozialismus. :) [ Eigentlich sollte es in diesem Thread darum aber nicht gehen... ]

umananda
09.03.2010, 13:59
Selbstverständlich geht es in diesem Thread um Martin Buber und dem Judentum. Um nichts anderes geht es. Du kannst doch nicht willkürlich einen Denker ins Spiel bringen und dann festlegen, um was es sich drehen soll, wenn du einerseits nach eigener Aussage Buber kaum kennst und du den Begriff "Vernunft" als Oberbegriff im Titel verwendest.


Du erstaunst mich immer wieder. Und die Freundschaft mit Gustav Landauer ist auch nicht aussagekräftig, um Bubers Schriften zu verstehen. Das gleiche würdest du auch bei Walter Benjamin erkennen müssen, dessen Freundschaften von Adorno, Brecht und Scholem sehr unterschiedliche Geister aufweisen.
Denken heißt vom anderen zu lernen und nicht jemanden von seiner Meinung zu überzeugen.

Servus umananda

Apotheos
09.03.2010, 14:02
Wie dem auch sei...

Tadaaaa. :] (http://www.politikforen.net/showthread.php?t=91068)

In einem Gespräch möchte doch jeder überzeugen, anbei. Was nicht heißt, dass ich nur Unterhaltungen führe, weil ich überzeugen möchte... ich möchte sogar überzeugt werden... wonach ich Suche ist Sinn, im eigentlichen Sinne des Wortes Unterhaltung... und Wahrheit. Weder glaube ich diese vollendet zu besitzen, noch der Messiahs zu sein.

umananda
09.03.2010, 14:10
Wie dem auch sei...

Tadaaaa. :] (http://www.politikforen.net/showthread.php?t=91068)

In einem Gespräch möchte doch jeder überzeugen, anbei. Was nicht heißt, dass ich nur Unterhaltungen führe, weil ich überzeugen möchte... ich möchte sogar überzeugt werden... wonach ich Suche ist Sinn, im eigentlichen Sinne des Wortes Unterhaltung... und Wahrheit. Weder glaube ich diese vollendet zu besitzen, noch der Messiahs zu sein.
Dann solltest du dich bei Martin Bubers Ideen grundsätzlich mit dem Zionismus auseinandersetzen. Das ist Voraussetzung, um Bubers politisches Denken zu begreifen.

Da wäre nun einmal der Zaun oder nennen wir es jüdischer Nationalismus. Ohne diese um 19.Jahrhundert aufkommende Idee wirst du den Zionismus nichts entlocken.

Servus umananda

-25Grad
14.03.2010, 22:09
Was Buber schreibt bzw. was hier über seine ,,Lehre" geschrieben wird, entspricht ziemlich genau dem, was die sogenannte ,,negative Theologie", was Origenes, was Dionysius Areopagita, was Guigo der Kartäuser und viele andere Mystiker über die Bibel ausgesagt haben; ich stimme dem, soweit ich den Text richtig erfasst habe, zu, aber mir ist nicht ganz klar, wieso das ,,Vernunftreligion" genannt wird, weil ich nicht sehe, weshalb die Vernunft in dieser Herangehensweise an die Bibel übermäßig bedeutsam wäre. ?(

Siegfriedphirit
15.03.2010, 16:48
Ja die Menschen sind schon einfallsreich,wenn es um Macht und Reichtum geht. Die haben sich da früher ganz schön was einfallen lassen. Davon leben die Kirchen noch heute .
Da wurde mal von armen Bauern eine Organisation geschaffen, um sich gegen die Großgrundbesitzer zu wehren. Die Großgrundbesitzer erkannten die Macht, die in jener Organisation steckte . Man unterwanderte und kaufte sie. Fortan arbeitete sie für die reichen Großgrundbesizter. Sie ist eine mächtige Organisation, vor der man noch heute zittert. (eventuelle Ähnlichkeit mit der Entwicklung der Kirche wurde nicht beabsichtigt -könnte aber Zufall sein)